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Prozess gegen Epsteins Ex-Partnerin
Ghislaine Maxwell schuldig gesprochen – Reaktionen folgen unmittelbar

Sie hört zu, als das Urteil verlesen wird: Ghislaine Maxwell (links) mit einem ihrer Anwälte vor dem Gericht in New York.
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Ghislaine Maxwell nahm das Urteil äusserlich unbewegt hin. Sie goss ein wenig Wasser aus einer Karaffe in einen Kartonbecher und trank einen Schluck. Kurz sagte sie etwas zu einem ihrer Anwälte. Sie blickte zu ihren Geschwistern, die in der ersten Reihe des Gerichtssaals in Manhattan sassen, in dem ihr Fall in den vergangenen Wochen verhandelt worden war. Dann verliess sie den Raum mit der Aussicht, den Rest ihres Lebens im Gefängnis zu verbringen.

Fünf Tage lang hatte eine Jury nach dem gut drei Wochen währenden Verfahren darüber beraten, ob Maxwell dem 2019 verstorbenen Millionär Jeffrey Epstein zwischen 1994 und 2004 dabei geholfen hatte, minderjährige Mädchen zu missbrauchen. Wieder und wieder hatte die Jury neues Material angefordert – Abschriften der Zeugenaussagen, eine Schreibtafel, Post-its. Einmal fragte die Jury, was mit dem Wort «Enticement» juristisch exakt gemeint sei – zu deutsch heisst es Verlockung oder Verführung. Am Mittwochabend kam die Jury schliesslich zu einer Entscheidung: Sie sprach Maxwell in fünf von sechs Anklagepunkten schuldig.

Und wann kommt das Strafmass?

Am schwersten wiegt dabei, dass sie zu der Ansicht gelangte, Maxwell habe sich des «sexuellen Menschenhandels mit Minderjährigen» schuldig gemacht. Darauf allein stehen in den USA bis zu 40 Jahre Haft, was für Maxwell bedeutet, womöglich nie wieder auf freien Fuss zu gelangen. Das Strafmass wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet. Richterin Alison Nathan liess zunächst offen, wann genau das passieren wird. Erfahrungsgemäss kann das in den USA einige Tage, manchmal auch einige Wochen dauern.

Jeffrey Epstein gilt als einer der notorischsten Sexualstrafstäter des Landes der jüngeren Vergangenheit. Über Jahre und Jahrzehnte hatte er junge Frauen, nicht selten Minderjährige, sexuell missbraucht.

Verurteilt: Ghislaine Maxwell, die ehemalige Partnerin von Jeffrey Epstein.

Maxwell war lange Zeit die engste Vertraute Epsteins, der im August 2019 erhängt in seiner Zelle in einem Gefängnis in New York gefunden wurde, nachdem er einen Monat zuvor festgenommen worden war. Nach Epsteins Tod richtete sich der Fokus der Ermittlungen auf Maxwell. Der Vorwurf: Sie habe Epstein die jungen Frauen zugeführt. Sie habe sie dazu überredet, Epstein zu massieren. Und oft habe das damit geendet, dass Epstein sich von den Frauen, die teils noch Mädchen waren, sexuell befriedigen liess. Manchmal sei sie, Maxwell, dabei gewesen, sagten die Zeuginnen.

Vor knapp 18 Monaten war Maxwell auf einem Anwesen in New Hampshire festgenommen worden, seither sass sie in New York in Haft. Die Anklage argumentierte in den vergangenen Wochen, es handele sich bei Maxwell um eine Person, die Epstein nicht bloss unterstützt habe, sondern seine Verbündete in all den Straftaten gewesen sei. «Hinter verschlossenen Türen haben die Angeklagte und Epstein abscheuliche Verbrechen begangen», sagte Staatsanwältin Lara Pomerantz, «sie haben minderjährige Mädchen missbraucht.»

Reaktion einer Anklägerin: «Ich bin erleichtert und dankbar»

Die Verteidigung vertrat die Ansicht, Maxwell werde nur deshalb angeklagt, weil Epstein nach seinem Suizid nicht mehr Rede und Antwort stehen könne. Maxwells Anwältin Bobbi Sternheim sagte: «Seit Eva beschuldigt wurde, Adam mit dem Apfel verführt zu haben, werden Frauen für die Verbrechen von Männern beschuldigt.»

Ghislaine Maxwell während eines Gerichtstermins im Dezember: Sie hat alle Vorwürfe stets bestritten. (3. Dezember 2021)

Vier Frauen hatte die Anklage aufgerufen. Zwei sagten unter Pseudonym aus. Eine benutzte lediglich ihren Vornamen. Die vierte Frau, Annie Farmer, sagte unter ihrem vollen Namen aus. Sie erklärte nach dem Schuldspruch: «Ich bin erleichtert und dankbar, dass die Jury das Muster des raubtierhaften Verhaltens erkannt hat, an dem Frau Maxwell teilhatte. Sie hat so viel mehr Frauen Verletzungen zugefügt als denen, die im Gerichtssaal waren.»

Den Zeuginnen zufolge spielte Maxwell eine entscheidende Rolle in Epsteins System des Missbrauchs. Alle vier Frauen schilderten, wie sie von Maxwell umgarnt wurden. Diese habe sie dazu eingeladen, sich mit Epstein zu treffen, und sie habe dafür gesorgt, dass es sich zunächst normal angefühlt habe, dass dieser um Massagen bat.

Annie Farmer, eine der Zeuginnen, hatte am 10. Dezember im Prozess gegen Ghislaine Maxwell ausgesagt. Jetzt zeigt sie sich «erleichtert und dankbar, dass die Jury das Muster des raubtierhaften Verhaltens erkannt hat».

Aus den Massagen wurden den Zeuginnen zufolge intimere Begegnungen, denn Epstein habe auch sexuell befriedigt werden wollen. Die Mädchen waren damals teils erst 14 Jahre alt. Maxwell, so die Anklage, habe das alles gewusst und Epstein die Mädchen nicht bloss zugeführt, sondern sie in Sicherheit gewogen, obwohl sie gewusst habe, was als nächstes passieren würde. In genau diesem Zusammenhang ist das Wort «Enticement» wichtig. Maxwell, so die Anklage, habe die Mädchen dazu verführt, sie dazu verlockt, sich mit dem Sexualstraftäter Epstein einzulassen.

Die Verteidigung hatte angeführt, es sei möglich, dass sich die Zeuginnen an die teils mehr als 20 Jahre zurückliegenden Vorgänge nicht mehr richtig erinnerten. Nicht zuletzt unterstellte die Verteidigung den Zeuginnen Gier, weil sie an Geld aus dem Vermögen Epsteins kommen wollten, das in einen Fonds eingezahlt wurde, mit dem seine zahlreichen Opfer finanziell entschädigt werden sollen.

Maxwells Anwältin erwägt Berufung

Maxwell hatte davon abgesehen, selbst im Gericht auszusagen. Ihre Anwälte hatten argumentiert, das sei nicht nötig, da sie unschuldig sei. Ihre Anwältin Bobbi Sternheim sagte nach dem Urteil: «Wir glauben fest an Ghislaine Maxwells Unschuld. Wir sind offenkundig enttäuscht über das Urteil. Wir haben bereits damit begonnen, an einer Berufung zu arbeiten, und wir sind überzeugt davon, dass sie rehabilitiert wird.»

Einstweilen wird Maxwell, die über die Weihnachtsfeiertage ihren 60. Geburtstag erlebte, im Gefängnis im New Yorker Stadtteil Brooklyn bleiben müssen. Es drohen ihr bis zu 65 Jahre Haft.

Ghislaine Maxwell wird nach dem Schuldspruch aus dem Gerichtssaal geführt.