Best of Mamablog: Elternfrage an Sexologin Caroline FuxSeit ich Mutter bin, will ich keinen Sex mehr!
Caroline Fux sagt, inwieweit eine Beziehung auch funktionieren kann, wenn beim einen Partner die Lust verschwunden ist.
Unsere Mamabloggerinnen und Papablogger haben Sommerferien. Daher publizieren wir diese Woche Beiträge, die besonders viel zu reden gaben. Dieser Beitrag erschien erstmals am 12. November 2021.
Wenn es nach mir ginge, würde ich in meinem Leben überhaupt keinen Sex mehr wollen. Seit der Geburt unserer zweiten Tochter vor rund zwei Jahren ist mir der «Appetit» nämlich komplett vergangen. Ich dachte erst: «Hey, das kennst du doch schon, alles nur eine Phase!» Mittlerweile bin ich aber fast sicher, dass mein sexuelles Verlangen nicht mehr zurückkehren wird. Ich weiss aber, dass Sex für meinen Partner mega wichtig ist, und weil ich ihn wirklich liebe, stehe ich deswegen ständig unter Druck. Das fühlt sich scheisse an und ich frage mich, ob Sex tatsächlich immer zu einer gut funktionierenden Beziehung dazugehören muss? Leserinnenfrage von Lea, 37
Liebe Lea, es ist absolut okay, keinen Sex zu haben. Von Enthaltsamkeit stirbt man nicht, und es gibt genauso viele gute Gründe, auf Sex zu verzichten, wie dafür, ihn zu einem Teil des eigenen Lebens zu machen.
Gleichzeitig ist es etwas schade, wenn Sie sich kategorisch von diesem Thema verabschieden, weil es jetzt im Moment und auf die Ihnen aktuell bekannte Art und Weise nicht in Ihren Alltag passt. Denn Perspektiven können sich ändern, Neues kann sich auftun, und von Ungeliebtem kann man sich lösen.
Die Tür zum Paarthema nicht zuschlagen
Es lässt sich ausserdem nicht wegdiskutieren, dass Sie mit Ihrem Verzicht nicht nur über Ihre eigene Sexualität entscheiden, sondern auch über die von Ihrem Partner. Besonders wenn Sie von ihm erwarten, dass er in Sachen Verzicht gelassen mitzieht. Dabei geht es nicht darum, dass Sie sich selbst und Ihre Grenzen und Bedürfnisse verraten. Es ist schlicht und einfach heikel und unpartnerschaftlich, wenn Sie die Türe zu einem Paarthema so rigoros zuschlagen, dass es nicht mal mehr existieren darf.
Machen Sie sich klar, dass Sex in Ihrer Beziehung stattfinden kann, aber nicht muss. Das mag banal klingen, ist aber eine erste wichtige Antwort auf den Druck, den Sie offenbar verspüren. Halten Sie sich zudem daran fest, dass das, was in Sachen Sexualität in Ihrer Beziehung passiert, sich für Sie lohnen muss. Sonst macht es keinen Sinn.
Sex kann sich in Ihrem geschäftigen Alltag nicht gegen andere Aktivitäten durchsetzen, weil er zu aufwendig ist und zu wenig Erfüllung bringt.
Scheinbar gehören Sie zu den Menschen, deren sexuelles Kosten-Nutzen-System in Schieflage ist. Oder anders gesagt: Sex bringt für Sie nichts. Das ist etwas, das viele Menschen kennen, phasenweise oder generell. Sex kann sich in Ihrem geschäftigen Alltag nicht gegen andere Aktivitäten durchsetzen, weil er zu aufwendig ist und zu wenig Erfüllung bringt. Sie bekommen das, was er liefern könnte, anderswo leichter oder schon zur Genüge. Egal, ob es nun Körperkontakt, Entspannung, Bestätigung, Zerstreuung oder sonst etwas ist.
Vielleicht haben Sie sogar doppelt Pech und es hapert nicht nur mit der Erfüllung, sondern Sie sind sogar mit negativen Konsequenzen konfrontiert, die Sie sich durch Abstinenz bequem ersparen können. Solche Negativkonsequenzen auszugleichen, braucht einiges.
Möglicher Benefit und Ihr Recht auf ein Nein
Zu einer fairen Kosten-Nutzen-Analyse gehört auch, dass Sie sich von der Idee verabschieden, dass Sex einfach so passiert und sich dann in lustvoller Grossartigkeit selbst rechtfertigt. Das mag in der Phase der Verliebtheit so sein, wenn die Körperchemie beim blossen Anblick des Partners noch Polka tanzt, aber in Langzeitbeziehungen gelten nun mal andere Regeln. Seien Sie fair und erinnern Sie sich weiter daran, dass wir zu gewissen positiven Erlebnissen den Zugang verlieren, wenn sie zu weit von uns weg gerückt sind. Denn Hürden, die wir direkt vor uns haben, versperren oft die Sonne auf einen Benefit, der erst im Nachgang real wird.
All diese Überlegungen sollen Sie nicht zurück zum Sex drängen. Niemand will Ihnen Ihr Recht auf ein Nein vermiesen. Gleichzeitig ist es im Leben oft so, dass wir manchmal besonders in ungeliebte Themen zuerst investieren müssen, um unseren Frieden mit ihnen machen zu können. Auch oder sogar besonders dann, wenn wir den dringenden Impuls haben, auf Distanz zu gehen und zu bleiben.
Seien Sie sich bewusst, dass Sie dieses Thema nicht allein bewältigen müssen. Sie können sich solo oder als Paar bei einer Fachperson Unterstützung holen und klären, welche Schritte und Veränderungen im Einklang mit Ihren Bedürfnissen möglich sind. Auch dann, wenn Ihr persönliches Bedürfnis momentan ein Nein zum Sex ist.
Liebe Leserinnen und Leser, Freitag ist Fragetag. Jede Woche beantwortet eine Expertin oder ein Experte im Mamablog eine Elternfrage zu Themen wie Erziehung, Gesundheit, Aufklärung oder Medienkonsum. Ihre Fragen nehmen wir gerne unter blogs@tamedia.ch entgegen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.