Besorgte Walliser ObstbauernSeit Freitag wacht ein halbes Dorf in den Aprikosenhainen
Der Kälteeinbruch sorgt bei Obstproduzenten in Saxon VS für Höchstspannung. Es droht das Schicksal wie letztes Jahr, als der Frost fast die gesamte Ernte zerstörte.
![Neben wärmenden Kerzen setzen Walliser Aprikosenbauern auch Wassersprinkler gegen Frostschäden ein.](https://cdn.unitycms.io/images/2SMVrC1m469AkwFi8HDXwN.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=VULBRWFHcd8)
Fallen im Frühling die Temperaturen, steigt in der Walliser Gemeinde Saxon die Nervosität. Im Früchtegarten des Bergkantons sind die Aprikosenbäume seit zwei Wochen am Blühen und die meisten Blüten sogar bereits befruchtet. An diesem Wochenende sanken die Temperaturen zeitweise unter den Gefrierpunkt. Das greift die Blüten und die in den Fruchtnoten reifenden Früchtchen an. Schwere Frostschäden sind die Folge. Wie im letzten Jahr, als eine Kältewelle im April in Saxon und weiten Teilen des Wallis die gesamte Aprikosenernte vernichtet hat.
Aprikosenbauer Julio Rodrigues rechnete jedenfalls mit dem Schlimmsten, als die Meteorologen letzte Woche einen Kälteeinbruch samt Bodenfrost ankündigten. Die Luftfeuchtigkeit von 75 Prozent auf dem Talboden der Rhone machten seine Sorgen nicht kleiner.
![Nachts ist Obstbauer Julio Rodrigues in diesen Tagen ständig in seinen Aprikosenhainen in Saxon anzutreffen.](https://cdn.unitycms.io/images/91Duu3LOKvE8PUlblY_P3g.jpg?op=ocroped&val=1600,1067,1000,1000,0,0&sum=ttUTxdwfiDA)
Seit Freitag ist Julio Rodrigues ständig bei seinen Bäumen. Auch in der Nacht von Sonntag auf Montag ist er in Saxon in seinen Aprikosenhainen anzutreffen. Aus einer Baumgruppe leuchten Kerzen, die die Pflanzen wärmen. Das Bild ist überwältigend schön. Rodrigues sagt, Kerzen seien zwar effektiv, aber eben auch sehr teuer. Eine Kerze koste 20 Franken, wärme vier Aprikosenbäume und müsse nach sieben Stunden bereits ersetzt werden. Er setzt darum auf einen anderen Kälteschutz: Wasser.
Der gebürtige Portugiese hat seine Bewässerungsanlage gestartet, als das Thermometer noch plus zwei Grad Celsius anzeigte. Nun ist die Temperatur nahe am Gefrierpunkt. Es scheint schon fast paradox: Gefrieren die Wassertröpfchen auf den Blüten und schmelzen nach Sonnenaufgang wieder, erhöht dies die Chance, dass Blüten und Früchte überleben.
![Mit Kerzen gegen den Frühlingsfrost: Walliser Aprikosenbauern haben dieses Wochenende ihre Plantagen erfolgreich gegen Kälteschäden geschützt.](https://cdn.unitycms.io/images/60_cyILUqXS8j8XGpVsLyQ.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=I0VjBNheUUU)
Um zwei Uhr morgens knattern auf dem Talboden in Saxon überall die Dieselmotoren der Sprenganlagen. Überhaupt scheint es so, als sei das halbe Dorf in den Aprikosenhainen unterwegs. Die Bauern kurven in ihren Autos ununterbrochen um ihre Fruchtflächen und leuchten mit grossen kräftigen Lampen in die Baumreihen.
«Wir müssen kontrollieren, dass die Sprenganlagen immer funktionieren», erklärt Rodrigues. Denn steige eine Pumpe aus und fliesse kein Wasser mehr, könne das den Pflanzen schwer schaden. Darum müsse das Wasser auch bis zum Sonnenaufgang weiterfliessen, unbesehen davon, ob die Temperatur unter den Gefrierpunkt fällt oder nicht, so Rodrigues.
«Um Mitternacht verdeckten plötzlich Wolken den Himmel. Glück gehabt!»
In der Nacht auf Montag gefriert das Wasser auf dem Talboden in Saxon nicht. Und auch an den Hängen macht sich kein Frost breit. Julio Rodrigues weiss, warum. «Um Mitternacht verdeckten plötzlich Wolken den Himmel. Dadurch entwich die Wärme weniger rasch in die Atmosphäre. Glück gehabt!», sagt er.
![Trotz Kälteeinbruch am Wochenende: Den Aprikosenblüten geht es bestens.](https://cdn.unitycms.io/images/FxGszpUzqQh8rrAbxWlsWx.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=_R9KNlY2VJQ)
Letztes Jahr war alles anders. Rodrigues sagt: «Der Kälteeinbruch kam Mitte April. Er war massiv und dauerte über eine Woche.» Nach drei Tagen habe es nirgendwo mehr Kerzen gegeben, nach zehn Kältetagen seien die Blüten gelb und braun und die Fruchtknoten schwarz gewesen und abgefallen. «Auf meinem drei Hektaren grossen Aprikosenhain, wo ich pro Quadratmeter jeweils drei bis fünf Kilo Früchte ernte, reifte keine einzige Frucht», sagt Julio Rodrigues. Das habe er in den 25 Jahren, in denen er als Obstbauer arbeite, nie erlebt. Die Bäume habe er natürlich weiter pflegen und am Ende der Saison zurückschneiden müssen. Pro Hektare kommen da pro Jahr 200 Arbeitsstunden zusammen.
Nach einem schwierigen Wochenende soll es in dieser Woche nun wieder wärmer werden. Ist damit das Schlimmste vorbei und eine reiche Aprikosenernte garantiert? Der Walliser winkt ab. Frost könne es noch bis weit in den Mai hinein geben, sagt er. Sorgen und Anspannung blieben also, aber natürlich habe man bis jetzt in Saxon grosses Wetterglück gehabt.
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