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Verregneter Frühling für Gemüsebauern
Seine Salate ertrinken fast im Wasser

Er ist nicht begeistert vom Wetter: Wegen des vielen Regens kann Gemüsebauer Thomas Wyssa aus Galmiz FR seine Felder fast nicht bewirtschaften.
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Meteorologen und Hydrologen geben Entwarnung. Vorerst. Nachdem es während der Wintermonate viel zu trocken war, fällt in diesen Tagen genügend Regen vom Himmel. Die Pegelstände der Schweizer Seen und Flüsse sind kräftig gestiegen, und auch die Grundwasserspiegel befinden sich vielerorts auf Normalniveau, was nach dem Hitzesommer im letzten Jahr eine gute Nachricht ist.

Und doch: Das anhaltend feucht-kalte Wetter begeistert nicht alle. Gerade den Gemüse- und Früchteproduzenten machen die feuchten Böden zu schaffen. Sie hätten gerne ein paar Sonnenstunden mehr und wären auch mit wolkenverhangenen, aber regenfreien Tagen zufrieden, damit ihre Äcker abtrocknen und die Wärme das Wachstum ihrer Rüebli, Kartoffeln und Salate antreibt. Doch warm wird es kaum – und so bleibt auch die Feuchtigkeit in den Böden. Die Haupternte des Freilandgemüses, die in der Schweiz im Juni mit Zwiebeln und Frühkartoffeln so richtig beginnt, dürfte sich um 10 Tage und mehr verzögern. Das schlechte Wetter setzt auch den Früchten zu. Schweizer Freilanderdbeeren als Beispiel kommen definitiv später auf den Markt als in den vergangenen Jahren.

«Weil es so nass ist, können wir kaum Setzlinge setzen.»

Thomas Wyssa, Gemüseproduzent

«Der Zug fehlt», bestätigt Gemüsler Beat Meyer aus Dottikon AG. Sein Gemüse wachse aktuell schlicht zu langsam, er würde mindestens eine Woche schönes, warmes Wetter brauchen, um wieder auf Kurs zu sein. 
Auch Thomas Wyssa aus Galmiz bei Murten ist gefordert. Er sagt: «Weil es so nass ist, können wir kaum Setzlinge setzen, und es bleibt danach schwierig, zur Pflege der Kulturen in die Felder zu fahren, um Unkraut zu entfernen und Dünger auszubringen.» Die Zeitfenster für die Feldarbeit seien extrem eng und die Böden permanent derart feucht, dass viele der bereits gesetzten Kartoffeln zu verfaulen drohen, so Wyssa, der im Vorstand des Gemüseverbands Freiburg, Bern, Solothurn und Neuenburg mitarbeitet und im nationalen Verband für Anbautechniken zuständig ist. 

Das Wasser fliesst auf den Äckern von Gemüsebauer Thomas Wyssa derzeit kaum ab. Die anhaltende Nässe schadet den Pflanzen.

Bauer Wyssa steht aktuell unter grossem Druck. Seine Salate muss der Gemüsler aus Galmiz wöchentlich setzen, um die Ware dann später auch wöchentlich zu ernten und als Frischprodukte auf den Markt bringen zu können. Fehlt der Rhythmus beim Setzen, gerät auch die Ernte durcheinander. Am Ende können womöglich Liefertermine nicht eingehalten werden, die mit den Abnehmern vereinbart sind. Gerade im Berner Seeland haben sich aber inzwischen viele Gemüsebauern für den Fall von Ernteausfällen versichert. 

Das Erdreich: eine einzige Pappe

In der Innerschweiz ist die Situation identisch. Gemüseproduzent David Berger aus Inwil LU präsentierte letzte Woche in der SRF-Sendung «Schweiz aktuell» einen seiner Gemüseacker, auf dem Eisbergsalate wuchsen, die er längst hätten ernten sollen. «Der Boden ist unausgeglichen», sagt Berger. Die Salatköpfe seien unterschiedlich gross. Das Problem sei, dass dem Boden die Luft fehle und alles nass sei. Das Erdreich: eine einzige Pappe. 

Das feucht-kalte Wetter trifft auch Gemüsler mit Gewächshäusern teils empfindlich, wie ein Bauer aus dem Berner Seeland bestätigt, der seinen Namen aber nicht preisgeben will. Bereits im Februar habe er Tomaten, Gurken, Schnittsalate und anderes Gemüse angepflanzt. Weil es in diesem Jahr im März und April zu wenig Sonnenlicht gab, war es auch in seinen Gewächshäusern zu kühl. Um das Sonnenlicht zu kompensieren und das Wachstum der Pflanzen anzutreiben, mussten die Produzenten die Gewächshäuser überdurchschnittlich viel und stark beheizen. Wegen der gestiegenen Energiepreise kostete dies deutlich mehr als in den vergangenen Jahren. 

«Bei diesem ständig feuchten und kühlen Wetter haben Schädlinge wie Blattkäfer und Schnecken mehr Zeit zum Fressen.»

Beat Meyer, Gemüseproduzent

Im Seeland, wo 25 Prozent des in der Schweiz produzierten Gemüses wachsen, geht man davon aus, dass die Produktionskosten für einen Gewächshaussalat in diesem Jahr 10 bis 15 Prozent höher sind. Ob die Produzenten ihre Mehrkosten decken können, ist fraglich. Klären wird sich das erst, wenn die betroffenen Produkte in den nächsten Wochen auf den Markt kommen und Angebot und Nachfrage auch die Marktpreise bestimmen.  

Doch Gemüseproduzenten sind sich Flexibilität gewohnt, müssen stets wachsam sein und rasch reagieren, auch auf Schädlinge. Beat Meyer aus dem aargauischen Dottikon sagt: «Bei diesem ständig feuchten und kühlen Wetter haben Schädlinge wie Blattkäfer und Schnecken mehr Zeit zum Fressen. Das Risiko vor grossen Schäden steigt. Das könnte noch zu einem Problem werden.» Dennoch könne man heute nicht voraussagen, was für ein Gemüsejahr das Jahr 2023 werden wird, so Meyer. Eine Bilanz lasse sich erst im Herbst ziehen. Noch könne die Natur einiges kompensieren.

Wie wird der Sommer?

Es könnte sogar sein, dass im Sommer wieder im grossen Stil bewässert werden muss. Dieses Szenario hält auch Felix Blumer für ziemlich wahrscheinlich. «In der Tendenz folgt auf einen nassen und kühlen Frühling ein eher heisser und trockener Sommer», schreibt der SRF-Meteorologe auf der Homepage von SRF Meteo. Doch auch diese Regel ist nicht ohne Ausnahme: 2021 sei einem kalten und lange Zeit nassen Frühling ein Hochwasser-Sommer gefolgt, so Blumer. 

Trockene Böden sind für Gemüsler jedoch ein kleineres Problem als zu feuchte, weil sie den Böden Wasser nicht entziehen, hingegen Feuchtigkeit zuführen können. «Ich helfe lieber mit Wasser nach, als dass die Kulturen im Wasser ertrinken», sagt Thomas Wyssa. Darauf habe man sich in den letzten Jahren vorbereitet. 

Eine positive Nachricht für die Gemüsler wurde in diesen trüben Tagen fast ein wenig vernebelt. Die Eisheiligen Pankratius, Servatius, Bonifatius und die Kalte Sophie sind vorbeigezogen, ohne Schäden anzurichten. Immerhin. Beat Meyer hat hier und heute aber vor allem einen Wunsch. Er sagt: «Eine Woche Sonnenschein, das haben wir dringend nötig.»