Unterschiede in visueller WahrnehmungWenn der Gegner immer schneller ist
Manche Menschen haben in Ballsportarten oder beim Gamen einen klaren Vorteil. Jetzt haben Forscher herausgefunden: Sie sehen mehr Bilder pro Sekunde.
Flackert ein Licht besonders schnell, nehmen wir es ab einer gewissen Geschwindigkeit als gleichmässige Lichtquelle wahr. Das liegt daran, dass unser Auge nur eine begrenzte Anzahl Bilder pro Sekunde sieht. Bisher nahm man an, dass alle Menschen ungefähr gleich schnell sehen. Junge etwas rascher als Alte, weil auch die Augen, wie fast alles, mit dem Alter langsamer werden. Forscher des Trinity College Dublin zeigen jedoch in einer neuen Untersuchung: Es gibt, unabhängig vom Alter, grosse Unterschiede, wie schnell jemand Bewegungen registriert.
Das testete das Team aus Neurowissenschaftlern und Zoologen mit einem flackernden Licht. Bei 53 Frauen und 35 Männern zwischen 18 und 35 Jahren ermittelten die Forscher jenen Punkt, ab dem sich das flackernde Licht in der Wahrnehmung der Testpersonen nicht mehr bewegt. Bei jenen mit den schnellsten Augen war das erst bei 65 Bildern pro Sekunde der Fall, bei langsamen jedoch schon bei 30.
«Wir waren erstaunt, wie gross die Unterschiede von Mensch zu Mensch sein können», sagt der Neurowissenschaftler und Studienleiter Clinton Haarlem. Eine gewisse Spannbreite in menschlichen Eigenschaften könne man immer erwarten, doch nicht in dieser Grössenordnung.
Ob sich die blitzschnellen Augen auch im Alltag auswirken, ist noch unklar. Entscheidend sind sie jedoch in gewissen Sportarten, wo es darum geht, Bewegungen möglichst schnell zu verarbeiten. Wenn es beispielsweise wichtig ist, einem Ball mit den Augen zu folgen. Deshalb haben Menschen mit schnellen Augen einen mit Training kaum aufzuholenden Vorteil in Ballsportarten wie Tennis, Fussball oder Handball.
Einfluss aufs Autofahren?
Auch im professionellen Gaming kann eine rasche visuelle Wahrnehmung matchentscheidend sein. Wer die Bewegungen des Gegners dort einen Sekundenbruchteil früher registriert, der hat manchmal schon gewonnen.
Neben dem schnellen Sehen ist im Gaming oder Tennis auch die Hand-Augen-Koordination sehr wichtig. «Wir wissen es noch nicht genau, aber es ist gut möglich, dass auch da ein Zusammenhang besteht», sagt Haarlem. Denn nur wer das blitzschnelle Sehen in Aktionen umsetzen kann, hat tatsächlich einen genetischen Vorteil.
In weiteren Forschungen will das Team auch klären, wie gross der Einfluss der Unterschiede in alltäglichen Situationen wie beispielsweise dem Autofahren ist. Auch im Verkehr kann eine rasche visuelle Wahrnehmung Vorteile bieten.
Doch was ist mit Menschen mit langsamen Augen, haben auch sie in gewissen Situationen Vorteile? «Das kann man bisher nur mit Blick in die Tierwelt beantworten», sagt Haarlem. «Tiere mit einer langsameren Wahrnehmung sehen teilweise bei schlechten Lichtverhältnissen besser.» Unklar ist jedoch noch, ob diese Unterschiede vor allem zwischen Tierarten, nicht aber innerhalb einer Spezies wie dem Menschen entscheidend sind.
Libellen sehen 300 Bilder pro Sekunde
Es gibt viele Tiere, die dem Menschen in Sachen visueller Schnelle bei weitem überlegen sind. Libellen beispielsweise sehen rund 300 Bilder pro Sekunde. Tiere, die sich schnell bewegen, wie gewisse Jäger, haben meist auch eine beschleunigte Wahrnehmung. Das gilt jedoch teilweise auch für ihre potenzielle Beute. Ein Beispiel sind der Wanderfalke und die Felsentaube.
Beim Menschen zeigten sich in der irischen Studie kleine Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Bei Frauen variierten die Ergebnisse zwischen den drei Tests, die alle absolvierten, etwas stärker als bei Männern. Die Frage, ob hormonelle Einflüsse dabei eine Rolle spielten, können die Forscher noch nicht beantworten.
«Man nimmt meist an, dass das Gegenüber die Welt ähnlich wahrnimmt wie man selbst», sagt Haarlem. Doch nur schon beim Sehsinn gebe es grosse individuelle Unterschiede, sei es Farbenblindheit oder eben die Geschwindigkeit der Augen.
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