Terrorprozess in BrüsselSechs Männer werden als Mörder verurteilt
Seit mehr als einem halben Jahr wird über die Terroranschläge vom 22. März 2016 verhandelt, nun haben die Geschworenen ihren Schuldspruch gefällt. Die Hoffnungen von Salah Abdeslam, dem prominentesten Angeklagten, wurden enttäuscht.
Es ist ein Stoff, aus dem Filme gemacht werden. Im Strafprozess um die islamistischen Terroranschläge des 22. März 2016 in Brüssel, dem spektakulärsten Prozess der jüngeren belgischen Geschichte (lesen Sie hier einen Text über die Angehörigen der Opfer), mussten die zwölf Geschworenen und ihre Ersatzleute zuletzt 18 Tage lang an einem geheimen Ort ausharren. Sie waren untergebracht in einem Hotel irgendwo in der Nähe von Brüssel, gemeinsam mit der Vorsitzenden Richterin, ohne Kontakt zur Aussenwelt. Sie hatten 287 Fragen abzuarbeiten, wobei es letztlich nur um die eine ging: Sind die zehn Angeklagten schuldig oder nicht schuldig?
Am späten Dienstagnachmittag kehrten die Geschworenen in den Gerichtssaal zurück, den sie am 6. Juli nach den letzten Worten der Angeklagten verlassen hatten, und die Vorsitzende Richterin Laurence Massart verkündete sieben Monate nach Prozessbeginn die Schuldsprüche. Mit Spannung wurde vor allem das Urteil über den bekanntesten Angeklagten erwartet, Salah Abdeslam. Er musste sich wegen Mordes, versuchten Mordes in einem terroristischen Kontext sowie Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung verantworten. Das Urteil: schuldig in allen Punkten.
Abdeslam ist einziger Überlebender des Terrorkommandos vom 13. November 2015 in Paris, beim Pariser Prozess wurde er zu lebenslanger Haft ohne die Aussicht auf vorzeitige Entlassung verurteilt, es ist die höchste Strafe, die das französische Recht kennt. In Brüssel plädierten seine Anwälte auf Freispruch von den Anklagepunkten Mord und versuchter Mord. Abdeslam habe nichts mit dem Tod von 32 Menschen und den Hunderten Verletzten am Brüsseler Flughafen Zaventem und in der U-Bahn-Station Maelbeek zu tun.
Sie wollten eigentlich noch mal in Frankreich zuschlagen
Abdeslam war in der Nacht vom 13. November 2015 nach Brüssel geflüchtet. Dort fand er Unterschlupf beim Rest der Terrorzelle, die neue Anschläge plante. Allerdings wurde er bereits am 18. März 2016 verhaftet. Seine Mitstreiter fürchteten, sie würden ebenfalls bald auffliegen, und beschlossen deshalb, so schnell wie möglich loszuschlagen. Brüssel war nicht bevorzugtes Anschlagsziel gewesen. Die Terroristen wollten eigentlich mit dem Sprengstoff, den sie in Brüsseler Verstecken hergestellt hatten, wieder in Frankreich zuschlagen.
Schuldig des Mordes sind nach dem Urteil der Geschworenen auch Mohamed Abrini und Osama Krayem, die im letzten Moment davor zurückschreckten, sich in die Luft zu sprengen wie drei ihrer Mittäter. Abrini fuhr mit zwei weiteren Islamisten zum Flughafen, kehrte aber wieder um. Auf Videoaufnahmen ist zu sehen, wie er mit einem Hut auf dem Kopf flüchtet, deshalb wurde er bekannt als «Mann mit Hut». Auf Videos von jenem Tag ist auch Osama Krayem zu erkennen. Er trägt einen mit Sprengstoff gefüllten Rucksack Richtung U-Bahn, macht dann aber wieder kehrt. Sein Mittäter konnte ihn nicht umstimmen.
Als Mörder im Sinne der Anklage gelten drei weitere Männer: Ali El Haddad Asufi und Bilal El Makhoukhi, die den Sprengstoff gemischt und die Anschläge mitgeplant haben, sowie Oussama Atar als mutmasslicher Auftraggeber. Atar, hochrangiges Mitglied des Islamischen Staates, fehlte allerdings bei dem Prozess. Er kam wahrscheinlich bei einem Drohnenangriff der US-Armee im November 2017 ums Leben. Die restlichen vier Angeklagten wurden vom Mordvorwurf freigesprochen.
Über das Strafmass wird noch entschieden
Der Brüsseler Prozess war zunächst überschattet von Schlagzeilen über die Behandlung der Angeklagten. Sie sollten in isolierten Einzelkabinen untergebracht werden, und einige mussten sich zunächst jeden Tag vor Verhandlungsbeginn einer Nacktuntersuchung stellen. Beides wurde korrigiert. An diesem Dienstag bezeichnete nun sogar der Anwalt von Salah Abdeslam den Prozess als Erfolg: Die Ermittlungsarbeit, die Prozessführung, die Aussagen der Opfer, der Austausch mit den Angeklagten – alles sei auf höchstem Niveau gewesen. Im September wird das Gericht über das jeweilige Strafmass befinden.
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