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Eigene Schwimm-Wettkämpfe für trans Frauen: Warum das Projekt gescheitert ist

Pennsylvania's Lia Thomas looks on before swimming in a qualifying heat of the 500 yard freestyle event at the Ivy League Women's Swimming and Diving Championships at Harvard University, Thursday, Feb. 17, 2022, in Cambridge, Mass. (AP Photo/Mary Schwalm)
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In grossen Buchstaben kündigte der internationale Schwimm-Verband die Weltneuheit an: eine offene Kategorie am Weltcup in Berlin von diesem Wochenende. Nichts weniger als das «unerschütterliche Bekenntnis für Schwimmende jedes Geschlechts und jeder Geschlechtsidentität» stelle dieses Projekt dar.

Nun, kurz vor dem Start des Weltcups, muss der Verband deutlich kleinlauter vermelden: keine einzige Person habe sich für diese offene Kategorie angemeldet.

Aber beginnen wir von vorn: Seit die Amerikanerin Lia Thomas – geboren als William – als ebendiese Lia auf College-Stufe ab 2021 zu siegen begann, entdeckte das Schwimmen das Thema trans Athletinnen so richtig (lesen Sie hier mehr zu Lia Thomas).

Das faktische Startverbot

Im letzten Jahr führte der Verband dann ein faktisches Startverbot für trans Frauen in der Frauenkategorie ein. Seither besagen die Regeln: Wer als trans Frau in der Frauenkategorie teilnehmen will, muss diese Transition mit 12 Jahren abgeschlossen haben. In vielen Ländern aber ist eine abgeschlossene Geschlechtsangleichung in so jungen Jahren schlicht nicht erlaubt.

Für ein Verbot sprach sich der Verband aus, weil ein Blick in die Rekordbücher und Bestenlisten fast aller Sportarten besagt: Weltklassemänner sind Weltklassefrauen überlegen. In reinen Kraftsportarten deutlich klarer als in Ausdauersportarten. Besser aber sind sie immer.

Nur gilt in Bezug auf trans Frauen: so emotional das Thema, so selten ist ihre Präsenz im Leistungssport. Darum ist keineswegs zufällig, dass keine trans Frauen an diesen Schwimm-Weltcup reisten. Ausser Lia Thomas sind keine von internationalem Niveau öffentlich bekannt – und primär an sie richtete sich diese offene Kategorie. Denn trans Männer dürfen in der Männerkategorie starten.

Die Experten sind sich uneins

Daraus leitet sich ein grundsätzliches Problem ab: Zwar waren an den letzten Olympischen Spielen erstmals vier trans Athletinnen dabei – von insgesamt 11’420 Athletinnen und Athleten. Über alle Sportarten hinweg aber ist die Zahl an trans Frauen auf Topniveau derart gering, dass sich keine wissenschaftlichen Allgemeinaussagen über diese Einzelbeispiele hinaus tätigen lassen.

Darum sagt das IOK, das seine Leitlinien im Umgang mit trans Athletinnen vor zwei Jahren komplett anpasste: Es gibt keinen wissenschaftlichen Konsens, dass alle trans Frauen nach ihrer Transition auch weiterhin über leistungsmässige Vorteile verfügen. Diese Aussage wird von (namhaften) Wissenschaftlern bestätigt – und von anderen (namhaften) Wissenschaftlern schlicht ins Reich der Fabeln befördert.

Zweiteren folgen die Verbände der Schwimmer oder Leichtathletinnen, welche trans Athletinnen ausschliessen. Sie argumentieren über die Biologie. Ihre Linie führt über das Sexualhormon Testosteron, das bei Männern in viel höherer Menge produziert wird.

Darum legte der Leichtathletik-Weltverband für trans (wie intersexuelle) Frauen eine Obergrenze fest und eine Übergangsphase, die abzuwarten sei – bis der medikamentöse Eingriff auf den Hormonhaushalt wirke und damit auf die Leistungsfähigkeit.

Davon ist der Leichtathletik-Verband nun abgekommen, weil er seither wie der Schwimm-Verband argumentiert: sobald die Pubertät einsetze, lasse sich der leistungsmässige Unterschied zwischen den Geschlechtern auch mit allen Korrekturen nicht mehr rückgängig machen.

Frauensport schützen – zugleich Rechte für trans Athletinnen wahren

Da der Sport aber nicht eine ganze Gruppe ausschliessen will, steht er vor einem Dilemma. Joanna Harper, trans Athletin und führende Wissenschaftlerin zum Thema, fasst den Kern so zusammen: «Wie können wir den Frauensport schützen und gleichzeitig die Rechte eines marginalisierten Teils der Menschheit wahren?»

Der Schwimm-Verband glaubte, diesem Dilemma mit einer offenen Kategorie entkommen zu können. Nur: Trans Frauen verstehen sich schlicht als Frauen. In einer offenen Kategorie würden sie quasi für alle sichtbar auf einen Sockel gestellt – und zudem zwangsgeoutet. Das aber wollen viele trans Frauen natürlich nicht. Aus ihrer Perspektive ist die offene Kategorie darum keine Option.

Zumal sich auch simple Fragen stellen. Dazu dieses theoretische Beispiel: Drei trans Frauen starten in der offenen Kategorie. Erhält die Erste dann wirklich gleich viel Preisgeld wie der Sieger bzw. die Siegerin in der Kategorie Mann und Frau – ja würden, um weiter in der Theorie zu bleiben, bei drei trans Frauen in der Kategorie Y an Olympischen Spielen gar diese prestigeträchtigen Medaillen verteilt werden?

Alles zusammen offenbart: Das Thema wird den Sport weiter beschäftigen, weil eine für alle Seiten befriedigende Lösung erst gefunden werden muss – sofern es sie überhaupt gibt.