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Streit um Medikamentenkosten
Schweizer Pharmahersteller will Preise beibehalten

In der Krise lief die Medikamentenproduktion bei Streuli Pharma in Uznach auf Hochtouren.
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Am 17. März waren Arzneimittel auf der Basis von Paracetamol und andere Medikamente gegen Schmerzen und Fieber in der ganzen Schweiz plötzlich ausverkauft. Reto Stahl, Produktionschef bei Streuli Pharma, hatte Dutzende von Bestellungen von Grosshändlern auf dem Tisch. «Dringend» oder «Sofort» stand in den Mails. Streuli Pharma produziert in Uznach unter anderem ein Schmerzmittel mit Paracetamol. Der grösste Teil der Arzneimittel der Konkurrenz kommt aber aus dem Ausland.

«Wir haben die Produktion innert 24 Stunden verdoppelt», sagt Stahl. Damit habe die Firma nicht nur die bestehenden Kunden, sondern auch jene von Konkurrenten bedienen können, die ausgefallen waren. «Wer nicht in der Schweiz produzierte, konnte wegen Schwierigkeiten an der Grenze tagelang nicht liefern», sagt Claudia Streuli, Verwaltungsratspräsidentin und fünfte Generation an der Spitze des Familienunternehmens. Bei Streuli hofft man, die Politik verzichte nun auf ein neues Preismodell, das nur noch das günstigste Medikament bezahlen würde.

Wirkstoffe waren vorrätig

Aber ist nicht auch Streuli von Lieferanten aus China abhängig? Die Firma habe von den wichtigen Rohstoffen immer rund ein Jahr Vorrat, deshalb sei man kurzfristig nicht auf Lieferungen angewiesen, sagt Stahl. Hilfsstoffe wie Milchzucker kämen meist aus Europa, die Verpackungen aus der Schweiz. «Die Wirkstoffe im April aus China nachzubestellen, war kein Problem», erzählt Stahl, «dort war die Pandemie am Abklingen.» In Indien sei das bis heute schwieriger, weil dort die Politik den Export zum Teil unterbunden habe.

Grundsätzlich gebe es drei Varianten, einen solchen Engpass zu verhindern, sagt Produktionschef Stahl. Man könne erstens rund 2000 Wirkstoffe wieder in der Schweiz produzieren. Das bedinge aber die Bereitstellung ganzer chemischer Produktionslinien, deren Konkurrenzfähigkeit fraglich sei – ausser vielleicht in einer Krisenlage. Frankreich hat solche Projekte angekündigt, Deutschland bereits eine Milliarde Euro dafür bewilligt. Klar ist: Eine solche Rückverlagerung der Produktion würde die Medikamente verteuern.

Es drohen Mehrkosten

Zweitens könnte man viel mehr fertige Arzneimittel vorrätig halten als heute. «Verdoppelt oder verdreifacht man die Vorräte, ist fraglich, ob diese innert nützlicher Frist noch abgesetzt werden können», sagt André Vecellio, Ehemann von Claudia Streuli und Verwaltungsrat. Auch hier wären Mehrkosten die Folge.

«Wir haben zu stark darauf vertraut, dass der Nachschub aus dem Ausland funktioniert.»

Claudia Streuli, Verwaltungsratspräsidentin Streuli Pharma AG

Die dritte Möglichkeit sei, sich auf die Endfertigung des Medikaments in der Schweiz zu verlassen. «Wenn wir die Produktion in der Schweiz haben, können wir sie für die Schweiz hochfahren», sagt Claudia Streuli. Schweizer Hersteller mit einer Palette der wichtigsten Medikamente würden die Versorgungssicherheit gewährleisten. «Wir haben zu stark darauf vertraut, dass der Nachschub aus dem Ausland immer funktioniert. Jetzt wissen wir es eigentlich besser.»

Doch auch das kostet. Daher kritisiert Streuli Pharma die Pläne des Bundesrates und des Preisüberwachers, bei den Generika nur noch das günstigste Medikament zu bezahlen. «Das wäre ruinös, weil nur der überlebt, der am billigsten Ort die grössten Mengen Arzneimittel herstellt», sagt Claudia Streuli. Diese Fabriken stünden meist in Asien. «Auf lange Sicht werden das noch ein oder zwei Hersteller pro Mittel sein – und diese werden ganz sicher nicht in der Schweiz produzieren.» Die KMU würden aus der Produktion aussteigen, vielleicht noch Nischenprodukte herstellen, um mit weniger Arbeitsplätzen zu überleben. Aber in der Krise brauche es nicht nur Nischenprodukte, sondern die weit verbreiteten Mittel gegen Schmerzen, Fieber oder Erkältung.

«Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit zählen heute nichts, wenn wir mit dem Bund über Preise diskutieren.»

Reto Stahl, Produktionschef Streuli Pharma AG

Der Anstoss für den Druck auf die Preise sind Vergleiche, die zeigen, dass die Generika bis zu doppelt so teurer sind wie im Ausland. Was sagen die Verantwortlichen von Streuli Pharma dazu? «Vor zehn Jahren haben wir mehrere Millionen in die Produktion von entzündungshemmenden Medikamenten hier in Uznach investiert», holt Vecellio aus. Der Preisüberwacher vergleiche nun deren Preise mit jenen aus vietnamesischer oder indischer Produktion. «Dort sind die Löhne und die Vorschriften für die Produktion, den Umweltschutz und den Schutz der Arbeitnehmenden nicht mit den unsrigen zu vergleichen», sagt Vecellio. Das sei nicht fair. «Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit zählen heute nichts, wenn wir mit dem Bund über die Preise diskutieren», ergänzt Stahl.

Will die Firma Streuli einen Heimatschutz? Claudia Streuli winkt ab. «Nein, auf keinen Fall», sagt sie, «aber auf die Pläne, dass der günstigste Anbieter den Preis festsetzt, muss man verzichten, wenn man eine Produktion in der Schweiz erhalten will.» Es habe sich in der Krise gezeigt, wie wichtig eine marktnahe und flexible Produktion sei.

«Da stimmt etwas nicht»

Und was sagt Preisüberwacher Stefan Meierhans zu diesen Argumenten? «Wenn die Preise in der Schweiz doppelt so hoch sind wie im benachbarten Ausland, dann stimmt etwas nicht», findet er. Das Gesetz sei klar: Zulasten der Krankenversicherung abrechnen könne nur, wer wirtschaftlich produziere. «Wenn man das ändern will, muss man das Gesetz ändern», sagt Meierhans. Das System der Referenzpreise sei in vielen Ländern erprobt. «Und die haben mit der Versorgungssicherheit nicht grössere Probleme gehabt als die Schweiz, trotz markant tieferer Preise.»

Er könne sich allerdings vorstellen, dass man Vorkehrungen für ausreichende Produktionsreserven erlässt, zum Beispiel als Voraussetzung für Kassenpflicht von wichtigen Präparaten, oder dass man die einheimische Produktion von Arzneimitteln stärke. «Aber das hat dann nichts mit den Medikamentenpreisen zu tun, sondern ist Katastrophenvorsorge und muss separat abgegolten werden», sagt Meierhans, «zum Beispiel durch den Bund.»