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Nach Volks-Ja zum Verbot
Open Airs warnen: Tabak­werbung – oder Tickets werden teurer

Die Besucher des Heitere Open Air in Zofingen, Schweiz, verfolgen am 8. August 2008 den Auftritt von Jan Delay auf der Hauptbuehne. (KEYSTONE/Gaetan Bally)
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Kinder und Jugendliche dürfen in der Schweiz nicht mehr mit Tabakwerbung konfrontiert werden. Das hat die Stimmbevölkerung entschieden, als sie der Initiative «Kinder ohne Tabak» deutlich zustimmte. Doch mit der Umsetzung harzt es. Denn der Ständerat und die zuständige Nationalratskommission beharren auf Ausnahmen für das Tabaksponsoring an Festivals und die Verkaufsförderung, die der Initiative widersprechen.

Der Bundesrat schlug dem Parlament zur Umsetzung der Initiative ein generelles Sponsoringverbot für Tabakprodukte sowie E-Zigaretten vor – und zwar für alle Veranstaltungen, die für Minderjährige zugänglich sind. Doch der Ständerat weichte dieses Verbot im September auf. Und die Gesundheitskommission des Nationalrats ist im Januar mit den Stimmen aller bürgerlichen Mitglieder dem Ständerat gefolgt.

Dies, obwohl die Kommission vorgängig eine Expertise durch das Bundesamt für Justiz erhielt, gemäss der die weitere Zulassung des Tabaksponsorings «nicht verfassungskonform» ist. Das «Gesamtpaket», das den Festivalbesuchern in den gesponsorten Zonen angeboten werde, habe einen «indirekten Werbeeffekt zur Folge, der auch Minderjährige erreicht», so das Bundesamt für Justiz. Die Präsenz der Zigarettenhersteller erziele eine Werbewirkung nach aussen. Dies, weil den Besuchenden der VIP-Zone zahlreiche Vorteile winkten: etwa ein besonders guter Blick auf die Konzertbühne, Treffen mit Stars oder Gratisgetränke.

Festivalbranche warnt vor höheren Ticketpreisen

Sowohl die Tabakindustrie wie auch der Branchenverband der Konzert-, Show- und Festivalveranstalter haben im Vorfeld bei den Parlamentarierinnen und Parlamentariern lobbyiert. Die Swiss Music Promoters Association (SMPA) warnt in einem Mail, das dieser Redaktion vorliegt, dass ein Sponsoringverbot «erhebliche, nicht kompensierbare Einnahmenausfälle zur Folge hätte» und zu höheren Ticketpreisen führe. Das Sponsoringverbot sei unverhältnismässig, da bereits heute Minderjährige keinen Zutritt zu den Bereichen erhielten, die durch die Tabakindustrie gesponsert würden.

Das Heitere Open Air in Zofingen, die Open Airs in St. Gallen, Gampel, Interlaken (Greenfield), Arbon (Summerdays) sowie das Paléo in Nyon gehören zu den Festivals, die auch dieses Jahr auf einen Tabaksponsor setzen. An diesen Anlässen ist der Konzern Japan Tobacco International präsent mit für über 18-Jährige zugänglichen Zonen entweder mit der Zigarettenmarke Winston oder dem Tabakerhitzer Ploom. Im Winston-Village gibt es jeweils Barbetrieb mit DJs, es werden Zigaretten verkauft, und Besuchende können sich gratis die Gesichter bemalen lassen. Die Marke Winston ist zwar von aussen nicht ersichtlich, aber die Einzäunung und die Zelte sind in Winston-Blau gehalten, und auf einem weitherum sichtbaren Tower prangt ein Adler, das Symbol der Zigarettenmarke.

Heitere-Festivalleiter Christoph Bill will nicht auf Tabaksponsoren verzichten, da diese Einnahmen ebenso wie jene der anderen Sponsoren den Festivalbetrieb ermöglichten.

Christoph Bill, Praesident Konzert-, Show- und Festivalveranstalter SMPA, fotografiert am Freitag, 13. Maerz 2020, in Zuerich. (KEYSTONE/Alexandra Wey)

Der Jugendschutz ist seiner Ansicht nach gewährleistet, weil die Zigarettenmarke von aussen nicht sichtbar sei und am Eingang zum Village eine Alterskontrolle stattfindet. Bill sieht das Tabak-Sponsoringverbot als Teil einer Entwicklung, die weitere Verbote nach sich ziehen könnte. Neben Migros zählen zu den Heitere-Sponsoren Feldschlösschen oder die Fleisch-Marketing-Organisation Proviande. Sowohl Alkohol- wie Fleischwerbung seien ebenfalls bereits in der Kritik, sagt Bill.

Das Gurtenfestival hingegen verzichtet seit 2018 auf Sponsoring der Tabakindustrie und will unabhängig von den gesetzlichen Bestimmungen an diesem Verzicht festhalten.

Initianten machen Druck auf Nationalrat

Die Initianten von «Kinder ohne Tabak» wollen am Dienstag mit einem Gutachten von Rechtsprofessor Thomas Gächter auf die verfassungswidrige Umsetzung des Volksentscheids durch das Parlament hinweisen. Der Nationalrat, der das Gesetz am 29. Februar berät, müsse die bisherigen Beschlüsse zwingend korrigieren, um nicht gegen den Volkswillen zu verstossen.

Die Initianten kritisieren neben der Ausnahmeregelung fürs Sponsoring noch weitere Beschlüsse, die gegen den Initiativtext verstossen. So wollen Ständerat und Nationalratskommission weiterhin mobiles Verkaufspersonal für Tabakprodukte an öffentlich zugängliche Orten zulassen, auch wenn Letztere von Minderjährigen besucht werden können. Auch diese Regelung erachtet das Bundesamt für Justiz als verfassungswidrig. Denn beim Verkauf durch mobiles Verkaufspersonal handle es sich um eine Form von Werbung, so das Bundesamt.

In einem Punkt geht die Nationalratskommission sogar hinter das Tabakproduktegesetz zurück, das 2021 beschlossen und nun nach Annahme der Initiative nochmals überarbeitet wird. In Printmedien, die mehrheitlich über Abonnemente verkauft werden und deren Leserschaft zu mindestens 95 Prozent aus Erwachsenen besteht, soll Tabakwerbung erlaubt sein. So dürfte laut Informationen der Nationalratskommission beispielsweise die «Schweizer Illustrierte» gemäss dieser Regelung Tabakwerbung platzieren.

Das Tabakproduktegesetz kommt Ende Februar in den Nationalrat. Sollte dieser den umstrittenen Ausnahmeregelungen ebenfalls zustimmen und das Gesetz später von beiden Räten so verabschiedet werden, stellt sich für die Initianten die Frage eines Referendums. Falls ein solches ergriffen und das Gesetz vom Volk abgelehnt würde, wäre für die Initianten allerdings noch wenig gewonnen. Denn dann würde die Diskussion um die Umsetzung der Initiative von neuem beginnen. Zudem würde dann auch das geplante Verbot des Verkaufs von E-Zigaretten an Minderjährige nicht umgesetzt.