«John Snow Memorandum» Schweizer Corona-Experten im Kampf gegen die Durchseuchungsstrategie
Eine Team von Professoren namhafter Universitäten hat mit ihrer Kritik an der Lockdown-Politik Anfang Oktober für Aufsehen gesorgt. Nun kontert eine andere Gruppe von Wissenschaftlern.
Knapp zwei Wochen ist es her, dass eine Gruppe von Professoren unterschiedlichster Elite-Universitäten die «Great Barrington Declaration» veröffentlichte und damit für Aufsehen sorgte. Seither haben fast 500’000 «besorgte Bürger», wie sie auf der Website genannt werden, und über 30’000 medizinische Fachpersonen diese Erklärung unterschrieben.
Nun hat sich eine Gegenbewegung zu den Kritikern der derzeitigen Corona-Politik und Befürwortern der Herdenimmunitätstheorie formiert. Im «John Snow Memorandum» weisen über 80 Vertreter aus Wissenschaft und Praxis auf die andauernde Bedrohung durch das Coronavirus hin und warnen vor einer Verharmlosung. John Snow, der als Vater der modernen Epidemiologe gilt und mit seinen Analysen entscheidend zur Bewältigung der Cholera-Epidemie im London des 19. Jahrhunderts beitrug, ist dabei der Namensgeber.
Unter den Unterzeichnenden finden sich auch zahlreiche bekannte Schweizer Wissenschaftler wie etwa die Infektiologin Isabella Eckerle von der Universität Genf, die Epidemiologin Emma Hodcroft von der Universität Basel oder der Epidemiologe Christian Althaus von der Universität Bern.
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Die Autoren adressieren in ihrem Schreiben, welches am Mittwoch in der renommierten Fachzeitschrift «The Lancet» erschienen ist, zwar nicht direkt die Unterzeichnenden der «Great Barrington Declaration». Der Zeitpunkt der Publikation sowie die ausführliche Auseinandersetzung mit dem Thema Herdenimmunität lässt jedoch einen Zusammenhang mit dem Schriftstück ihrer Berufskollegen vermuten.
Diese sorgten mit ihrer Kritik an der Corona-Politik vieler Staaten für Aufsehen. Sie warnen vor einem «irreparablen Schaden», sollten die Massnahmen aufrechterhalten werden. Als Alternative schlagen sie einen Ansatz vor, den sie «focused protection», übersetzt also gezielten Schutz nennen. Die Strategie kommt weitgehend einer Durchseuchung gleich (Kann das funktionieren? Die Covid-19-Taskforce des Bundes hat es durchgerechnet).
So sollen die älteren und vulnerablen Bevölkerungsgruppen zwar weitgehend isoliert und somit geschützt werden. Für den Rest der Bevölkerung jedoch würde – zumindest untereinander – wieder Normalität herrschen. Durch deren regelmässige Exposition mit dem Virus soll sich längerfristig eine Herdenimmunität einstellen, welche auch die Risikobehafteten schützen soll, so die Theorie.
«Hochgradig unethisch»
Die Autoren des «John Snow Memorandum» bezeichnen diese Idee wiederum als «gefährlichen Trugschluss». «Jede Strategie zur Bewältigung einer Pandemie, welche sich auf eine Immunität durch natürliche Ansteckung verlässt, ist fehlerhaft», heisst es im Memorandum. Denn: «Eine unkontrollierte Ausbreitung bei den Jüngeren birgt das Risiko signifikanter Ansteckungen und Todesfälle in der gesamten Bevölkerung.» Ausserdem sei eine andauernde Isolation einer bestimmten Bevölkerungsgruppe «praktisch unmöglich» und «hochgradig unethisch», geben die Autoren zu Bedenken.
Zudem sei unklar, wie lange eine schützende Immunität nach einer Covid-19-Infektion überhaupt anhalte. Eine abnehmende Immunität nämlich würde längerfristig zu wiederkehrenden Epidemien führen und somit ein Risiko für die vulnerablen Bevölkerungsgruppen darstellen (lesen Sie hier, wieso wir wohl doch nicht so schutzos vor dem Coronavirus sind). Darüber hinaus weisen die Wissenschaftler auf das Risiko von Langzeitfolgen hin – «auch bei jungen, zuvor gesunden Personen» (lesen Sie hier mehr dazu).
Nach Ansicht der Wissenschaftler führt der sicherste Weg hin zu einem wirksamen Impfstoff und Medikamenten nur über eine Eindämmung des Virus. «Wir können uns keine Ablenkungen erlauben, die eine effektive Reaktion untergraben; schnelles Handeln basierend auf Beweisen ist essenziell.»
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