Grosse Ernteausfälle befürchtetKleines Insekt bedroht Schweizer Kartoffeln
Die Schilf-Glasflügelzikade hat unerwartet einen Appetit auf Kartoffeln entwickelt. In der Schweiz drohen Ertragseinbussen von bis zu 30 Prozent. Noch härter trifft es Deutschland.
In Süddeutschland kämpfen Landwirte gegen ein kleines Insekt, welches seit kurzer Zeit ihre Kartoffelernte bedroht. Das sogenannte Syndrom der niedrigen Zuckergehalte, kurz SBR, wird von der Schilf-Glasflügelzikade übertragen und kam lange Zeit nur bei Zuckerrüben vor. Seit etwa zwei Jahren wird das Bakterium jedoch auch bei Kartoffelpflanzen nachgewiesen und breitet sich schnell aus – auch in der Schweiz.
Im Kartoffelland Deutschland sind die Fachleute alarmiert. «Das Problem hat sich massiv verschärft», wird Jürgen Gross, Leiter des Instituts für Pflanzenschutz in Obst- und Weinbau des Julius-Kühn-Instituts (JKI) in Dossenheim im «Spiegel» zitiert. «Besonders schlimm ist es in Regionen, wo Kartoffeln und Zuckerrüben nacheinander in einer Fruchtfolge angebaut werden.» Sind Kartoffelpflanzen befallen, droht den Bauern ein Ernteausfall von über 50 Prozent, manchmal gar ein Totalverlust.
Auch in der Schweiz blickt man besorgt auf die Entwicklung: «Seit zwei Jahren haben wir vermehrt Qualitätsprobleme bei Kartoffeln, vor allem bei Verarbeitungskartoffeln für Chips oder Pommes frites», sagt Stefan Vogel, Agrarwissenschaftler und Kartoffelforscher an der Berner Fachhochschule (BFH), zum «SRF». Man gehe stark davon aus, dass die Schilf-Glasflügelzikade hier eine Rolle spiele, doch viele Details müssten noch geklärt werden.
Was bereits bekannt ist: Die Zikaden sind nur ein Problem, wenn sie das Bakterium «Arsenophonus» oder «Phytoplasma solani» in sich tragen. Ersteres lässt den Zuckergehalt in Rüben sinken, bei Kartoffeln verringert sich der Stärkegehalt. Das zweite Bakterium lässt die Wurzeln der Pflanze absterben. Die Kartoffeln bekommen so nicht mehr ausreichend Wasser und verschrumpeln. Doch die genaue Chemie hinter den Abläufen wird gerade erst erforscht. Die Branche hat zusammen mit Agroscope und Bioreba ein entsprechendes Projekt lanciert.
Felder sollen im Winter nicht mehr genutzt werden
Vogel rechnet in der Schweiz mit Ertragseinbussen von bis zu 30 Prozent. Problematisch sei vor allem die Backqualität von Verarbeitungskartoffeln. Beim Frittieren der Kartoffeln komme es zu einer unerwünschten Braunfärbung. «Dementsprechend kommt weniger Schweizer Ware auf den Markt, und es werden mehr ausländische Pommes frites und Chips in der Schweiz verkauft», so der Agrarwissenschaftler.
Als zwischenzeitlicher Lösungsansatz empfehlen Experten betroffenen Bauern, die Zikaden mittels Fruchtfolge einzudämmen: Nachdem die Zikaden ihre Eier auf Zuckerrüben abgelegt haben, ernähren sich die geschlüpften Nymphen auch noch von der Folgekultur, bei uns meist Winterweizen. Baut man diesen jedoch nicht an, sondern lässt eine Brache, können die Jungtiere nichts mehr fressen und sterben, bevor eine Frühjahreskultur gepflanzt wird. Es brauche jedoch andere Lösungen, sagt Vogel: Auf den gesamten Zuckerrüben- und Kartoffelfeldern im Winter nichts mehr anzubauen, sei schwierig.
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