Bilaterale Abkommen mit der EUWarum ein obligatorisches Referendum nicht angezeigt ist
Die neuen EU-Verträge benötigen kein Ständemehr. Wer das anders sieht, müsste fundierter argumentieren als das Bundesamt für Justiz – was schwerlich gelingen wird.

Am 11. Februar kam die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats mit 15 zu 10 Stimmen zum Schluss, die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für ein obligatorisches Referendum seien in Bezug auf die geplanten Abkommen mit der EU nicht erfüllt. Dabei stützte sie sich auf ein Rechtsgutachten des Bundesamtes für Justiz (BJ) und trug damit dem Umstand Rechnung, dass es hier um eine genuin verfassungsrechtliche Frage geht. So ist gemäss Bundesverfassung ein obligatorisches Referendum (mit Mehrheit von Volk und Ständen) nur beim Beitritt zu supranationalen Gemeinschaften oder Organisationen für kollektive Sicherheit vorgesehen.
Wie das Gutachten überzeugend darlegt, ist der entsprechende Verfassungsartikel grundsätzlich abschliessend. Eine rechtliche Grundlage für die Zulässigkeit eines «Staatsvertragsreferendums sui generis» ist in der Tat nicht zu erkennen. Weder lässt sich Verfassungsgewohnheitsrecht noch ungeschriebenes Verfassungsrecht, wonach besonders bedeutende Verträge beziehungsweise Verträge mit «Verfassungscharakter» dem obligatorischen Referendum zu unterstellen wären, nachweisen. So sind verschiedene Bestrebungen, die Verfassung in diesem Sinn zu modifizieren, gescheitert, und es gibt auch keine entgegenstehende Praxis. Der EWR war nach der Neuordnung des Staatsvertragsreferendums (1977) der einzige (mögliche) Anwendungsfall. Im Übrigen liegen alle drei Anwendungsfälle (neben dem EWR 1992 der Beitritt zum Völkerbund 1920 sowie das Freihandelsabkommen mit der EU im Jahr 1972) sehr weit zurück und wurden auch sehr uneinheitlich begründet. Die jüngere Verfassungspraxis spricht denn auch gegen ein ausserordentliches obligatorisches Staatsvertragsreferendum, wurden doch bedeutende Verträge (wie die Bilateralen I und II sowie die Errichtung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte) gerade nicht dem obligatorischen Referendum unterstellt.
Das Volk kommt trotzdem zum Zug
Immerhin könnte für den Fall, dass ein Vertrag ähnliche Wirkungen wie ein EU-Beitritt entfalten würde oder «Grundelemente der Bundesverfassung offenkundig» (so das BJ) ausgehebelt würden, ein anderer Ansatz vertreten werden. Dies ist aber gemäss den durchaus aussagekräftigen «Faktenblättern», mit welchen der Bundesrat über die Verhandlungsergebnisse informiert hat, klar nicht zu erwarten. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass gewisse Einzelfragen erst auf der Grundlage des paraphierten Verhandlungsergebnisses beantwortet werden können.
Mit dem Gutachten des BJ liegt nun eine hervorragend dokumentierte und argumentierende Analyse vor, und es sollte die Messlatte für die weitere Diskussion setzen. Andere Ansätze sollten sich daher mit den angeführten Argumenten im Einzelnen auseinandersetzen und müssten sie mit der gleichen Sorgfalt und Analysetiefe widerlegen. Dass dies – soweit die grundlegenden Weichenstellungen betroffen sind – gelingen wird, ist freilich zu bezweifeln, sind dem schweizerischen Verfassungssystem bei den Rechten von Volk und Ständen doch plebiszitäre Elemente aus guten Gründen fremd. Das Volk wird aber wohl in jedem Fall Gelegenheit haben, über die Bilateralen III abzustimmen, kommt doch das fakultative Referendum zum Zuge.
Astrid Epiney ist Professorin für Europa- und Völkerrecht sowie öffentliches Recht an der Universität Freiburg.
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