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Reaktion auf Ukraine-Krise
Schweiz ergreift vorerst keine Sanktionen – Botschafter einbestellt

EDA-Staatssekretärin Livia Leu an der Medienkonferenz zur Lage an der ukrainischen Grenze, am Dienstag, 22. Februar 2022, in Bern.
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Die Schweiz ergreift vorerst keine Sanktionen gegen Russland wegen der Anerkennung der sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk. Mit grosser Besorgnis beobachtet sie aber die Gefahr einer allfälligen militärischen Auseinandersetzung, wie Staatssekretärin Livia Leu am Dienstag vor den Medien sagte.

Durch die Truppenverlegung in die beiden ukrainischen Landesteile habe Russland die Integrität und Souveränität dieses Landes verletzt. Die Schweiz anerkenne die beiden selbsternannten Volksrepubliken nicht, sagte die Chefdiplomatin.

Diese Gebiete gehörten weiterhin zur Ukraine. Im übrigen verletzten die Schritte Russlands das Minsker Abkommen. Nach Angaben Leus wurde Russlands Botschafter ins Aussenministerium bestellt und über diese Haltung informiert.

Die Schweiz werde immer den Vorrang der völkerrechtlichen Prinzipien betonen. Seit dem Beginn des Ukraine-Konflikts vor acht Jahren setze sie sich für eine friedliche Lösung ein. Sie beteilige sich auch an der Sonderbeobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im ukrainischen Grenzgebiet. Die Schweizer Beobachter seien weiter vor Ort. Die guten Dienste der Schweiz stünden allen interessierten Kreisen offen.

Embargogesetz verhindert Umgehungen

Der Bundesrat schliesse sich den Sanktionen von EU und USA nicht an. Sobald die EU ihre neuen Sanktionen ankündigt, werde sie die Landesregierung unter Berücksichtigung wirtschaftlicher, rechtlicher und humanitärer Gesichtspunkte analysieren. Eine Diskussion sei für die Bundesratssitzung vom Mittwoch terminiert, sagte Leu.

Die Staatssekretärin führte weiter aus, die Schweiz ergreife zwar keine Sanktionen. Gemäss einer Regelung von 2014 sind gemäss Leu aber Massnahmen in Kraft, die verhindern, dass Sanktionen mit dem Umweg über die Schweiz umgangen werden.

Aufgrund dieses Embargogesetzes sind im Zusammenhang mit der Ukraine bereits Geschäftsbeziehungen gesperrt worden, wie der Internetseite des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung zu entnehmen ist. Darunter finden sich etwa Geschäftstätigkeiten von Dimitri Utkin, des Gründers der russischen Söldnertruppe Wagner und ehemaligen militärische Geheimagenten.

Prinzipiell muss die Schweiz Uno-Sanktionen übernehmen, da sie dort Mitglied ist. EU- oder US-Sanktionen schliesst sie sich selten an. Das letzte Mal war dies bei den erweiterten Sanktionen der EU gegen Nicaragua im Januar der Fall.

SVP gegen «Twitter-Diplomatie» – Andere Parteien für Sanktionen

Die SVP hat die Verurteilung der russischen Anerkennung der sogenannten Volksrepubliken von Donezk und Luhansk in der Ostukraine durch das Schweizer Aussendepartement scharf kritisiert. Das sei «Twitter-Diplomatie» und schade der Schweiz. 

Die «Twitter-Diplomatie» des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) gefährde die Sicherheit der Schweiz, kritisierte die SVP auf Twitter. «Geltungssüchtige Diplomaten» würden der Glaubwürdigkeit der neutralen Schweiz schaden. Das müsse aufhören. Ihre Vorstellungen will die Partei am Freitag den Medien präsentieren.

SP-Nationalrat Jon Pult (GR) forderte auf Twitter, die Schweiz müsse sich an Sanktionen beteiligen. «Gegenüber eklatanten Völkerrechtsbrüchen gibt es keine Neutralität», schrieb er. Auch die Mitte unterstützt Sanktionen, wie sie mitteilte. Diese müssten aber international abgestützt sein. Am Bundesrat sei es, die nötigen Schritte zu unternehmen.

FDP-Nationalrätin Christa Markwalder (BE) kommentierte, kaum seien die Olympischen Spiele vorbei, beginne Russland mit seinem Angriff auf die Ukraine. Das sei einmal mehr eine eklatante Verletzung des Völkerrechts. Die Schweiz und der Westen müssten jetzt Farbe bekennen.

Die Grünen stimmten ein. Die Schweiz müsse sich zusammen mit der EU für die Einhaltung des internationalen Rechts einsetzen. Die Anerkennung der selbsternannten Volksrepubliken und die russische Truppenentsendung stellten militärische Angriffshandlungen dar.

Die Grünliberalen sehen das Völkerrecht einmal mehr durch Russland verletzt, wie Nationalrat Roland Fischer (LU) twitterte. Seine Amtskollegin Corina Gredig (ZH) sekundierte, die Grundprinzipien würden mit Füssen getreten. Das verlange eine international koordinierte Antwort.

Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (Gsoa) forderte wie Amnesty International die Achtung des humanitären Völkerrechts.

EDA ist im Unklaren über Anzahl Schweizer im Krisengebiet

Laut Botschafter Hans-Peter Lenz, Leiter des Krisenzentrums im Schweizer Aussendepartement, hat der Bund keine Kenntnis davon, wie viele Schweizerinnen und Schweizer sich tatsächlich vor Ort im Krisengebiet um Donezk und Luhansk befinden. Die Botschaft in Kiew arbeite im Krisenmodus.

Das Personal sei wohlauf, die Botschaft sei offen und operationell, so Lenz. Die konsularischen Dienstleistungen würden im normalen Umfang erbracht. Vier Personen der Botschaft in Kiew arbeiteten derzeit von Bern aus. Die Familien des Personals vor Ort seien vor einiger Zeit angewiesen worden, in die Schweiz zurückzukehren.

Im Krisengebiet in der Ostukraine befinden sich laut Lenz derzeit zwei Schweizer OSZE-Mitarbeitende. Insgesamt seien 296 Schweizer Bürger und Familienangehörige von Schweizern bei der Schweizer Botschaft angemeldet, zehn davon in der Region Donezk. Die Botschaft kommuniziere per E-Mail und Telefon mit ihnen. «Bisher haben diese Personen keine speziellen Anliegen gegenüber dem EDA geäussert.»

Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) sei in stetem Kontakt mit den Schweizer Botschaftern in Kiew, Moskau, Minsk und Warschau, sagte Lenz weiter. Die Reisehinweise für die Region würden laufend überprüft und gegebenenfalls angepasst. Es sei nach wie vor möglich, die Ukraine mit kommerziellen Mitteln zu verlassen.

Falls neue internationale Sanktionen gegen Russland verhängt werden, werde der Bundesrat die Lage analysieren und gegebenenfalls entscheiden. In die Entscheidung würden jedoch auch volkswirtschaftliche Überlegungen einfliessen.

SDA/anf