Schule HochfeldenEltern von sexuell misshandeltem Kind fühlen sich alleingelassen
In Hochfelden steht ein Primarschüler im Verdacht, ein jüngeres Kind sexuell misshandelt zu haben. Die Eltern des mutmasslichen Opfers vermissen Unterstützung.
- Unter Hochfelder Primarschülern soll es zu einer sexuellen Misshandlung gekommen sein.
- Das betroffene Kind und der beschuldigte Schüler besuchen das gleiche Schulhaus.
- Eltern verlangen Massnahmen, um ähnliche Vorfälle in Zukunft zu verhindern.
- Die Schule und die Jugendanwaltschaft arbeiten an der Aufklärung des Vorfalls.
Der Mutter kommen noch heute die Tränen, wenn sie erzählt, was ihrem heute siebenjährigen Buben vor rund zwei Jahren widerfahren ist. Erst diesen Sommer konnte der Unterstufenschüler erstmals über das sprechen, was ihm von einem fünf Jahre älteren Kind im Schulhaus Wisacher in Hochfelden angetan wurde. «Nachdem mir mein Sohn lange eigenartig erschienen war und ich ihn deswegen angesprochen hatte, brach es an einem Freitagabend aus ihm heraus», sagt die Mutter. Zeitlich könne er den Vorfall nicht mehr einordnen. «Wir gehen davon aus, dass er sich in der Zeit von 2022 bis Anfang 2024 zugetragen hat.»
Die Eltern sprechen von einem schwerwiegenden sexuellen Übergriff. Sie hätten sich völlig hilflos gefühlt, bis sie am Montagmorgen eine Beratungsstelle kontaktieren konnten: «Es waren 48 fürchterliche Stunden.»
Mittlerweile haben die Eltern Anzeige gegen den älteren Jungen eingereicht. Die Jugendanwaltschaft hat daraufhin ein Verfahren eröffnet. Es kam zu polizeilichen Befragungen. Für den älteren Buben gilt bis zum Abschluss der Untersuchung die Unschuldsvermutung.
Das Leiden ihres Buben und damit der ganzen Familie dauere weiter an, erzählen die Eltern. Es sei unmöglich gewesen, für den stark traumatisierten Unterstufenschüler innert nützlicher Frist eine spezialisierte Therapie zu finden.
Sie treffen jeden Tag aufeinander
Unerträglich ist für die Eltern auch, dass ihr Kind noch immer jeden Tag mit dem beschuldigten Knaben das gleiche Schulhaus besuchen muss: «Wir schicken unser Kind nur mit viel Angst zur Schule.» Sie hätten sich überlegt, ihr von Albträumen geplagtes Kind in ein Schulhaus in einer Nachbargemeinde umteilen zu lassen. «Aber müssen wir uns und unserem Kind diesen Riesenstress antun, während der Täter nach wie vor dortbleiben darf?», fragen sie.
Die Jugendanwaltschaft habe diesbezüglich keine Befugnis, und vom Volksschulamt hätten sie auch keine Hilfe bekommen. Die Eltern haben sich deshalb nun an den Bezirksrat als Aufsichtsorgan gewandt.
Sie werfen der Schule Untätigkeit vor. Sie haben den Verdacht, dass man die Sache aussitzen möchte, bis der Schüler, der ihrem Kind das angetan hat, in die Oberstufe wechselt. «Die Opfer bleiben auf der Strecke», so ihr Empfinden.
Facebook-Post löst Information aus
Nachdem dieses Wochenende auf Facebook ein Beitrag erschienen war, der den Vorfall im Schulhaus Wisacher thematisierte und in dem von einer Vergewaltigung die Rede war, sind die Eltern aller Primarschulkinder am Montag mit einem Schreiben informiert worden. «Und das, obwohl die Schule seit über drei Monaten von der Sache gewusst hat», kritisieren die Eltern.
Im Schreiben, das dieser Redaktion vorliegt, heisst es, die Schulleitung sei kürzlich darüber informiert worden, dass es im Jahr 2022 zu einem Vorfall gekommen sei. Es seien sofort Massnahmen ergriffen und der Kontakt zu den Beteiligten gesucht worden. «Der Fall ist derzeit bei der Jugendanwaltschaft in Bearbeitung.» Die Schule sei im Austausch mit den zuständigen Stellen und Parteien, um die Situation bestmöglich zu begleiten. «Die Sicherheit aller Schulkinder bleibt weiterhin gewährleistet», steht im Schreiben weiter.
Eltern wollen weitere Fälle verhindern
Für die Eltern des Opfers ist das zu wenig. Sie hätten sich konkrete Massnahmen erhofft, um die anderen Kinder zu schützen und deren Eltern zu sensibilisieren. Sie können sich nur schwer vorstellen, dass ihr Kind das erste Opfer des älteren Jungen ist. «Wir würden uns wünschen, dass alle Eltern einen Workshop zum Thema besuchen können und dass sie auch lernen, ihren Kindern zu glauben, wenn sie von derartigen Erlebnissen berichten.»
Tatsächlich gibt es Beratungsstellen, die sich auf diese sensible Thematik spezialisiert haben. Dazu zählt beispielsweise die Fachstelle Limita zur Prävention sexueller Ausbeutung. Die Fachstelle setzt sich für eine wirksame Prävention ein.
Zur Zielgruppe gehören neben Lehrpersonen und Schulleitungen auch Schülerinnen und Schüler sowie Erziehungsberechtigte. Die Kinder können in Workshops lernen, Grenzverletzungen wahrzunehmen und abzuwehren. Eltern lernen, ihre Kinder zu sensibilisieren und zu begleiten. 2023 führte Limita im Kanton Zürich 164 Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche und 15 für Eltern und Erziehungsberechtigte durch.
«Eltern und Betreuungspersonen richten einen grossen Schaden an, wenn sie wegschauen, und zwar beim Opfer wie beim Täter», schreibt die Opferberatungsstelle Castagna. Es gehe nicht darum, Kinder zu kriminalisieren. Aber man wisse, dass Personen, die übergriffig geworden seien, selten von sich aus damit aufhören könnten.
Kinder, die andere sexuell ausbeuteten, seien in einer tiefen Not. «Sie empfinden Ohnmachtsgefühle und fühlen sich hilflos. Wenn sie selber Gewalt ausüben und andere damit demütigen, fühlen sie sich für einen Moment mächtiger.» Nur in einer spezialisierten Psychotherapie könnten sie andere Strategien erlernen, um ihre inneren Konflikte zu bewältigen.
Die Schule Hochfelden schreibt im Brief an alle Eltern: «Wir wollen einfach nochmals erwähnen, dass die beteiligten Personen der Schule bekannt sind und alle Massnahmen ergriffen worden sind, um die Betroffenen zu unterstützen.»
Fehler gefunden?Jetzt melden.