Scholz unter DruckNach Ampel-Aus: Wann gibt es denn jetzt Neuwahlen?
Nach dem Koalitionsbruch in Berlin sind sich die Parteien beim Wahltermin uneinig. Olaf Scholz wollte erst im Januar die Vertrauensfrage stellen. Doch es gibt lautstarke Kritik.
- Olaf Scholz will die Vertrauensfrage erst am 15. Januar stellen, was die Union aus CDU und CSU empört.
- Die CDU/CSU fordert schnellere Neuwahlen und einen Entscheid schon kommende Woche.
- Umfragen zeigen hohe Zustimmung für die Union, was sie weiter antreibt.
Der Bayer Markus Söder hat in seinem politischen Leben schon fast alles gemacht – das aber noch nie. Sechseinhalb Jahre ist er inzwischen bayerischer Ministerpräsident. Im Bundestag hat Söder aber noch nie gesprochen. Dabei dürfte er gemäss Gesetz. Doch am kommenden Mittwoch soll sich das ändern. Dann will er Olaf Scholz in die Mangel nehmen. Denn der deutsche Kanzler will dann im Parlament eine Regierungserklärung abgeben – aber nicht die Vertrauensfrage stellen. Es dürfte eine Debatte werden, in der sich keiner was schenkt – direkt im Bundestag.
Die Ampelkoalition ist gescheitert, aber Scholz hat angekündigt, die Vertrauensfrage erst am 15. Januar stellen zu wollen. Neuwahlen würde es dann erst Ende März geben. Die Union findet das empörend, sie will die rasche Entscheidung. Und der Druck könnte Wirkung zeigen, auch bei Scholz. Die Frage wirkt wie ein vorgezogenes Duell mit Friedrich Merz, Chef der CDU.
In der Geschichte des Bundestags wurde bisher fünfmal die Vertrauensfrage von einem Kanzler gestellt. Bei der letzten kündigte Gerhard Schröder diese nach der schweren SPD-Niederlage einer Landtagswahl im Mai 2005 an. Im Juli stellte er sie und verlor sie absichtlich. Hier lag die Spanne bei knapp sechs Wochen.
Scholz hat Finanzminister Christian Lindner (FDP) am 6. November rausgeworfen und die Vertrauensfrage für den 15. Januar 2025 angekündigt. Das wäre eine Spanne von genau zehn Wochen. Noch ein Unterschied: 2005 platzte keine Koalition. Anders als Scholz jetzt hatte Schröder noch eine Mehrheit im Bundestag.
Scholz konnte Termin laut Merz «nicht plausibel begründen»
Deshalb tun CDU und CSU jetzt alles, um den Kanzler zu treiben. Die Unionsfraktion kam diese Woche gleich zweimal zu einer Sondersitzung zusammen. Merz fordert schon seit Tagen, dass Scholz die Vertrauensfrage kommende Woche stellt. Es sei «verantwortungslos, mit diesem Instrument jetzt so umzugehen, dass es eine reine Verzögerung über den Jahreswechsel wird».
Am Freitag berichtet Merz von seinem Gespräch mit Olaf Scholz am Vortag: «Der Bundeskanzler hat sich nicht in der Lage gesehen, mir plausibel zu begründen, warum er eigentlich erst in zwei Monaten die Vertrauensfrage stellt und nicht bereits in der nächsten Woche.»
Die Union will alles dafür tun, um den Druck auf den Kanzler hoch zu halten. Aus staatspolitischer Verantwortung, sagen sie. Aber auch, weil sie sich gerade in der Vorderhand sehen. In jüngsten Umfragen der ARD, dem Deutschlandtrend, verlangen 65 Prozent der Befragten, dass Scholz die Vertrauensfrage sofort stellt – und unterstützen damit die Forderung der Union. So viel Zustimmung bekommen CDU und CSU ansonsten selten.
Auch die Umfragewerte sind für CDU/CSU gut. Im Deutschlandtrend liegen sie bei 34 Prozent – und damit so hoch wie seit Anfang 2021 nicht mehr. Da sass noch Angela Merkel im Kanzleramt.
Die SPD ist merklich in der Defensive
Die SPD ist an diesem Freitag hingegen merklich in der Defensive. Es mag viele technische Hürden geben, aber verstehen das die Menschen im Land, in dieser Lage? Der frühere Kanzleramtschef Peter Altmaier, auch CDUler, bringt es so auf den Punkt: «Donald Trump wird Ende Januar im Amt sein, die Minister ein paar Wochen später. Es ist in unserem vitalen Interesse, dass wir bis dahin eine handlungsfähige neue Regierung haben, sonst machen wir ihm das grösste Geschenk seiner Amtszeit.»
Am Freitag gibt es auch bei der SPD eine Sonderfraktionssitzung. Fraktionschef Rolf Mützenich sagt trotz der Umfragen zu der Debatte um den 15. Januar als Termin der Vertrauensfrage: «Ich bin der Meinung, das interessiert die Bürgerinnen und Bürger überhaupt nicht.» Familien und Arbeitnehmer wollten vielmehr wissen, ob das Kindergeld steige und ob der Staat energieintensive Unternehmen mit neuen Hilfen unterstütze. Doch die Mehrheiten für diese Vorhaben sind halt fraglich. Mützenich sagt, die Union baue «wieder einen Popanz auf», indem sie nur über den Termin für die Vertrauensfrage und die Neuwahl reden wolle.
In der SPD-Fraktion gibt es aber durchaus auch kritische Stimmen, schliesslich könnte Scholz auch als Kompromiss im Dezember die Vertrauensfrage stellen. Da tagt der Bundestag vom 4. bis zum 6. Dezember und vom 18. bis 20. Dezember. In der SPD verweisen sie aber auf die alleinige Entscheidungsmacht des Kanzlers in dieser Frage. Nun ist ein Teil der Argumentation, dass man Zeit für die Organisation brauche.
Es müssen Listen erstellt, Wahlkarten verschickt werden
Als weiteres Argument wird vonseiten der SPD betont, bei einer Vertrauensfrage Mitte Januar würde es noch vier Sitzungswochen des Bundestags bis zu seiner geplanten Auflösung geben. So könnte man mit der Union wichtige Projekte wie das Rentenpaket oder Hilfen für die Industrie beschliessen. Allerdings sagt Merz: Ohne Vertrauensfrage kommende Woche keine Kooperation.
Das birgt für die SPD die Gefahr, dass im Bundestag kaum noch etwas geht, Scholz umso mehr als «lame duck» erscheinen und der Frust über die rot-grüne Minderheitsregierung wachsen wird. Und dies könnte beiden Parteien bei einer Neuwahl schaden.
Der SPD-Haushalts- und Verteidigungsexperte Andreas Schwarz war früher selbst Bürgermeister und musste Wahlen organisieren. Seiner Erfahrung nach ist ein Wahltermin bereits im Januar gar nicht machbar, «selbst wenn die Leute in den Rathäusern zwischen Weihnachten und Neujahr arbeiten». Zuerst müssten die Parteien Kandidaten und Wahllisten aufstellen. Hierzu gibt es Fristen. Die Rathäuser müssten Wählerverzeichnisse anlegen, Wahlkarten drucken und verschicken. Und man brauche Wahlhelfer. Dann komme ein weiterer Knackpunkt – die Briefwahl. Diese beginne vier Wochen vor dem Wahltermin. «Wenn ich das alles mal von einem Wahltermin im Januar zurückrechne, dann frage ich mich, ob diejenigen, die so einen Wahltermin fordern, sich schon mal mit der Organisation einer Wahl auseinandergesetzt haben.» Ähnlich argumentierte gemäss «Spiegel» auch Bundeswahlleiterin Ruth Brand am Freitag in einem Brief an den Kanzler.
Wahltermin im März? Februar? Oder doch im Januar?
Allerdings würde es gar nicht auf den Januar hinauslaufen müssen, selbst wenn Scholz die Vertrauensfrage am kommenden Mittwoch stellen würde. Denn der gesetzliche Rahmen gemäss Grundgesetz sieht so aus: Verliert Scholz die Vertrauensfrage und bittet den Bundespräsidenten um eine Auflösung des Bundestags, hat Frank-Walter Steinmeier 21 Tage Zeit, darüber zu entscheiden. Das wäre dann bis zum 4. Dezember. Spätestens 60 Tage danach müsste die Neuwahl stattfinden, das könnte dann also auch am ersten Februarwochenende sein.
Die Union betont, es ginge auch schneller, die Bundestagswahl könnte zum Beispiel schon am 19. Januar stattfinden. Also einen Tag vor der Amtseinführung von Donald Trump als neuem US-Präsidenten. Bei einer Vertrauensfrage im Dezember war über den 9. März als Wahltermin nachgedacht worden. Nach dem bisherigen Scholz-Plan mit Vertrauensfrage am 15. Januar wird über einen Neuwahltermin am 30. März spekuliert.
Doch der Kanzler deutet nach all dem Druck am Freitagnachmittag an, dass es auch anders kommen könnte. Am Rande des EU-Gipfels in Budapest antwortet er auf die Frage, ob er auf Biegen und Brechen am 15. Januar als Termin für die Vertrauensfrage festhalte, dass er da durchaus gesprächsbereit sei. «Über den Termin sollten wir möglichst unaufgeregt diskutieren. Für mich ist es so, dass wir hier ein grosses demokratisches Fest haben, und es gelingt am besten, wenn alle gemeinsam zur Party schreiten.» Ein Termin immerhin steht für den Kanzler und seine SPD schon fest: Das ist die – so der Titel – «Wahlsieg-Konferenz» am 30. November.
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