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Meinung

Schlimmer als Bolsonaro

Ausgerechnet unter der Regierung des indigenen Evo Morales (rechts) hat die illegale Brandrodung im Regenwald zugenommen. Neben ihm steht sein Verteidigungsminister. Foto: Martin Alipaz (EPA)
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Die verheerenden Waldbrände im Amazonas sind umso verstörender, als Brasilien eigentlich Mittel besitzt, um illegale Abholzung und Brandrodung frühzeitig zu entdecken. Besonders wirksam ist ein vom Nationalen Institut für Weltraumforschung (INPE) betriebenes System, das es erlaubt, den Regenwald durch Satelliten zu überwachen und den Verlust bewaldeter Flächen zu messen.

Als die Behörde Anfang August meldete, dass die Rodungen im Juni um knapp 90 und im Juli um über 200 Prozent zugenommen hatten – dies jeweils im Vergleich zur selben Zeitspanne des Vorjahres – kam Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro nichts Gescheiteres in den Sinn, als den INPE-Chef Ricardo Galvão zu entlassen. Statt den Grund für die schlechte Botschaft zu erkennen – grösstenteils seine eigene ökologische Verantwortungslosigkeit – bestrafte Bolsonaro deren Überbringer.

Es ist vor allem internationalem und innenpolitischem Druck zu verdanken, dass er in den letzten Tagen etwas von seiner irrationalen Haltung abgerückt ist und den Ernst der Lage anerkannt hat.

Unter Bolsonaro nehmen die Werte wieder zu

Interessant sind die vom INPE erhobenen Daten auch in historischer Perspektive und im Vergleich zu anderen lateinamerikanischen Ländern. Seit der Jahrtausendwende wurde in Brasilien im Jahre 2004 am heftigsten abgeholzt, verschwand doch damals eine Waldfläche von fast 28'000 Quadratkilometern. Dieser Wert ist unter den linken brasilianischen Präsidenten Lula da Silva und Dilma Rousseff um 75 Prozent auf knapp 8'000 Quadratkilometer im Jahre 2016 gesunken. Dennoch warfen Umweltschützer auch ihnen vor, ökonomische Interessen schwerer zu gewichten als ökologische.

Gründe für den Rückgang waren neben der Überwachung aus dem Weltraum schärfere Gesetze sowie der Umstand, dass ab 2008 wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise die globale Nachfrage nach brasilianischen Agrarprodukten sank. Es trifft also zu, dass die Zerstörung des Regenwaldes selbst unter Bolsonaro deutlich weniger schlimm ist als noch vor zwanzig Jahren. Das ist allerdings ein schwacher Trost. Und angesichts der rasanten Zunahme von 49 Prozent seit seinem Amtsantritt ist die internationale Sorge berechtigt, dass Bolsonaro die von Lula und Rousseff erzielten Fortschritte wieder zunichte macht.

Am internationalen Umwelt-Pranger müsste aber auch ein anderer lateinamerikanischer Politiker stehen, nämlich Boliviens linker Präsident Evo Morales. Ausgerechnet unter der Regierung des Indigenen mit seiner mystisch überhöhten Pachamama-Rhetorik (Pachamama ist für indigene Völker die personifizierte Mutter Erde) erfolgt der Kahlschlag am Regenwald noch radikaler als in Brasilien. Im laufenden Jahr hat die Brandrodung in Bolivien laut Daten der INPE um 115 Prozent zugenommen, in Brasilien waren es 84 Prozent. Was die gesamte Abholzung betrifft, stieg sie in Bolivien 2016 und 2017 auf durchschnittlich 3'500 Quadratkilometer, verglichen mit den beiden Vorjahren eine Zunahme um 60 Prozent.

Er hat wenigstens die Hilfe nicht abgelehnt

Genau wie Bolsonaro ist auch Morales bereit, grosse Flächen des Regenwaldes zugunsten von Landwirtschaft und Viehzucht zu opfern. Am 9. Juli hat der Präsident ein Dekret unterzeichnet, das in den Departementen Santa Cruz und Beni die «kontrollierte Brandrodung» von Wäldern in öffentlichem und privatem Besitz begünstigt, um Agrar- und Weideland zu gewinnen. Ein Teil der gegenwärtig in Bolivien wütenden Brände sind seither in jenen Gebieten ausgebrochen. Die bolivianische Politologin und Umweltwissenschaftlerin Cecilia Requena sagte gegenüber einem auf ökologische Themen spezialisierten Internetportal: «Hauptverantwortlich für dieses Desaster ist die bolivianische Regierung, die in den letzten Jahren systematisch Amnestiegesetze für Umweltverbrechen verabschiedet hat.»

Und Alex Villca, indigener Sprecher der nationalen Behörde zur Bewahrung indigener bäuerlicher Territorien und geschützter Zonen, fügte hinzu: «Evo Morales sollte man für die Verletzungen der Rechte eingeborener Völker und der Mutter Natur zur Verantwortung ziehen.»

Immerhin ist Morales im Gegensatz zu Bolsonaro nach anfänglichem Zögern davon abgewichen, aus absurdem Nationalstolz internationale Hilfe zur Bekämpfung der Brände abzulehnen. Das ändert aber nichts daran: Die weltweite Kritik an Bolsonaro ist berechtigt. Dass jene am linken Eingeborenen Evo Morales so viel leiser ertönt, ist es nicht.