Kommentar zu Kalous VideoEin schlagender Beweis gegen den Corona-Fussball
Der Fall des Hygieneverstösse filmenden Salomon Kalou muss auch den Schweizer Fussball beschäftigen.
Ganze 41 Seiten lang ist das Corona-Konzept der Deutschen Fussball-Liga (DFL). Es nennt die ideale Temperatur von Hotelzimmern (21 Grad) ebenso wie das Waschprogramm, mit der Fussballer ihre Stofftaschentücher säubern sollen (mindestens 60 Grad). Aber es hat eine Lücke: Es enthält auf Seite 33 bloss die Warnung: «Vorsicht bei der Verwendung von Handys von anderen Personen.» Viel wichtiger wäre der Satz gewesen: «Vorsicht bei der Verwendung des eigenen Handys!»
Das weiss man, seitdem Salomon Kalou am Montag die überraschende Idee hatte, seinen Arbeitsalltag live auf Facebook mit allen zu teilen, die sich dafür interessierten. Und das waren dann doch recht viele, weil der Fussballprofi mit seinem Videobeweis zeigte, was das Hygienepapier der DFL zumindest bei Hertha BSC Berlin wert ist: nicht besonders viel.
Da begrüssen sich Spieler per Handschlag und kümmern sich kaum um einen Mindestabstand von zwei Metern. Da wird einem Fussballer ein Corona-Abstrich gemacht, ohne dass das medizinische Personal einen Schutzanzug, eine Schutzbrille oder eine FFP2-Maske trägt.
Das Video ist ein einziges Debakel für den deutschen Profifussball. Dieser kämpft mit allen Mitteln darum, dass er schon im Mai wieder Spiele durchführen kann. Zwar ohne Zuschauer, aber das ist bei derart gut dotierten TV-Verträgen zu verkraften, wie sie in Deutschland laufen.
Was die Vereine weniger gut aushalten würden, das wären gar keine Spiele mehr. Irgendwo zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Euro dürfte der finanzielle Schaden liegen, sollte die Saison abgebrochen werden.
Der Druck auf die Politik wird hoch gehalten
Kein Wunder, halten die Fussballfunktionäre den Druck auf die Politik hoch. Das gelingt viel besser als in der Schweiz, weil der Profisport in der deutschen Gesellschaft einen viel höheren Stellenwert hat.
Es ist eine wunderbare Hochglanzwelt, die die DFL aufgebaut hat. Mit 1700 Corona-Tests in den zwei höchsten Ligen. Mit Kleingruppentraining und Hotels, in die nur Fussballer einchecken dürfen. Das Virus, die Ansteckungsketten, das Social Distancing? Alles kein Problem, alles geregelt.
Und dann kommt dieser Kalou und zeigt, dass sich Profifussballer nicht einmal Regeln merken können, die Fünfjährige in zwei Tagen im Kindergarten gelernt haben.
Abweichler müssen abgestraft werden
Es ist müssig, darüber nachzudenken, was Kalou bei seinem Einsatz als Amateurfilmer geritten haben mag. Viel interessanter ist die Reaktion seines Arbeitgebers auf die entlarvenden Bilder. Innert weniger Stunden hat die Hertha ihren Stürmer freigestellt und ihm alle Schuld zugeschoben: «Hertha BSC möchte festhalten, dass dies die Verfehlung eines einzelnen Spielers war.»
Das passt zum Umgang des 1. FC Köln mit seinem Spieler Birger Verstraete. Er machte sich nach drei positiven Corona-Tests in seinem Club öffentlich Sorgen um seine herzkranke Freundin und Gedanken zum Sicherheitskonzept seines Vereins. Danach zwang ihn sein Arbeitgeber, öffentliche Abbitte zu leisten.
Die Geschichten von Kalou und Verstraete widersprechen dem Narrativ der DFL. Also gehören sie abgestraft und müssen auf Linie gebracht werden. Ein weiterer Beweis dafür, wie der aktuelle Profifussball gebürstet ist. Etwas Druck ausüben auf die eigenen Mitarbeiter? Ein paar infizierte Spieler und Betreuer? Das sollte mit Blick auf den Businessplan bitte schon ausgehalten werden.
Trotzdem dürfte bereits im Mai gespielt werden
Es ist das Glück der Liga, dass die positiven Tests in Köln und Kalous Video in eine Zeit fallen, in der auch in Deutschland der Ruf nach einer Öffnung der Gesellschaft immer lauter wird. Die Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerin Angela Merkel dürften darum am Mittwoch Profispiele noch im Mai wieder zulassen. Spätestens beim ersten Eckball, wenn sich Stürmer und Verteidiger dicht an dicht beharken, wird Social Distancing dann sowieso ad absurdum geführt.
Auch in der Schweiz hat die Fussballliga ein Konzept erarbeitet, mit dem sie im Juni wieder Spiele ermöglichen will. Es umfasst zwar nur 36 Seiten. Aber die Schweizer müssen wissen, dass es dieselbe Schwachstelle hat wie sein deutsches Pendant: die Menschen, die es schliesslich umsetzen müssen.
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