Besserer KundenserviceSBB wollen mehr Zugbegleiter einsetzen
Vincent Ducrot bricht mit einem Projekt seines Vorgängers. Der neue Bahnchef will die Zahl der Kundenbegleiterinnen in den Fernverkehrszügen heben.
Sie informieren, kontrollieren, helfen und machen auch sonst noch viel mehr, das uns Zugreisenden verborgen bleibt: die Kundenbegleiterinnen und Kundenbegleiter der SBB. Derzeit müssen sie sich zusätzlich mit der Umsetzung der Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr herumschlagen – etwa Schlaumeier mahnen, die während einer Stunde an einem Gipfeli rumkauen, nur damit sie die Masken nicht anziehen müssen.
Doch die Kundenbegleiterinnen und -begleiter haben nicht nur diese Sorgen. Denn es gibt zu wenige von ihnen. Und: Sie sind öfter alleine auf den Zügen unterwegs.
Das hat einen Grund: Mit dem vom damaligen SBB-Chef Andreas Meyer 2018 gestarteten Projekt «Kundenbegleitung 2020» gab es einen Kurswechsel. So fiel die bisher geltende Regel, dass auf jedem Fernverkehrszug immer mindestens zwei Zugbegleiterinnen und -begleiter unterwegs sind.
Mindestens sechzig Zugbegleiter fehlen
Die Bähnler-Gewerkschaft SEV kritisierte den Entscheid, auf eine grundsätzliche Zweierbegleitung zu verzichten, von Anfang an scharf. Im Zentrum standen dabei unter anderem Sicherheitsfragen für Passagiere. Die SBB betonten, dass bei der Sicherheit keine Kompromisse gemacht würden. Und sie versprachen, dass auch künftig bei einem grossen Teil der Züge zwei Kundenbegleiterinnen und -begleiter eingesetzt würden.
In der Folge lief aber offenbar nicht alles wunschgemäss. Im November berichteten mehrere Medien, dass etliche Zugbegleiterinnen und -begleiter fehlen würden. Über die Anzahl war man sich seitens Gewerkschaft und SBB uneins. Der SEV sprach von hundert fehlenden, die SBB von sechzig.
Sicher ist auch, dass die SBB in den vergangenen Jahren Zugbegleiter-Stellen abbauten. Von 2016 bis 2019 sank ihre Zahl um etwas mehr als zwei Prozent. Erst im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Kundenbegleiter erstmals wieder.
Mit dem Unterbestand solle nun bald Schluss sein, kündigte Vincent Ducrot am Montag bei der Bekanntgabe der Jahreszahlen an. Die SBB haben im vergangenen Jahr 15 Klassen mit neuen Kundenbegleiterinnen und -begleitern gefüllt. Dies seien 50 Prozent mehr als noch vor zwei Jahren. Im kommenden Jahr sind gar 18 Klassen geplant.
«Wir hatten letztes Jahr einen Mangel und mussten betrieblich etwas jonglieren.»
«Wir hatten letztes Jahr einen Mangel und mussten betrieblich etwas jonglieren», sagte Ducrot zum Thema. Bis im Sommer kommenden Jahres kämen gegenüber dem Jahresende 2020 rund 250 neue Kundenbegleiter dazu, hiess es auf Nachfrage bei der Medienstelle. «So können die SBB noch konsequenter dort und dann präsent sein, wo und wann viele Reisende unterwegs sind.»
Am Abend und bei vollen Zügen im Einsatz
Das heisst nun aber nicht, dass die SBB in Zukunft wieder auf allen Fernverkehrszügen auf eine Zweierbegleitung setzen. Vielmehr werden mit den neu Ausgebildeten die entstandenen Lücken gefüllt. Zudem müssen künftige Pensionärinnen und Pensionäre ersetzt werden.
Für Kundinnen und Kunden heisst das: Sie können guter Hoffnung sein, dass sie am Abend und in vollen Zügen wieder vermehrt zwei Kundenbegleiterinnen und Kundenbegleiter antreffen. Ducrot bestätigte diese Absicht.
Auch beim Lokpersonal sprach Ducrot von einer Entspannung der Lage. Zur Erinnerung: Schon länger ist bei den SBB von einem Personalmangel bei den Lokführerinnen und -führern die Rede. Und: Die SBB mussten im vergangenen Jahr Züge ausfallen lassen, weil Lokpersonal fehlte. Und das, obwohl die Sonderzüge für Grossanlässe im Sommer wegen Corona nicht fuhren.
617 Millionen Verlust für die SBB
Nicht nur wegen des Mangels an Lokführerinnen und Kundenbegleitern war das Jahr 2020 für die SBB eines zum Vergessen. Sie machten 617 Millionen Franken Verlust. Besonders schmerzlich ist für die Bundesbahnen der Einbruch bei den Passagieren. So fuhren 843’000 Reisende im Durchschnitt pro Tag mit den SBB – über ein Drittel weniger als noch im Vorjahr.
Entsprechend fielen die roten Zahlen beim Personenverkehr mit 661 Millionen Franken heftig aus. Beim Immobiliengeschäft gab es immerhin einen Gewinn; aber er ging zurück, weil die SBB ihren Mietern entgegenkamen.
Prognosen, wann die Passagiere wieder in gleicher Menge zurück sind wie vor der Corona-Krise, seien schwierig zu machen, sagte Ducrot. Fest steht aber für die Konzernleitung: Die Krise wird die SBB nicht nur 2021, sondern darüber hinaus beschäftigen.
Vorerst heisst die Devise der SBB nun: sparen, sparen, sparen. Normalerweise versuchen Firmen in solchen Situationen, mittels eines vom Chef diktierten Sparprogramms Kosten zu senken. Die SBB verzichten darauf. Vielmehr sollen alle Kadermitarbeitenden in ihren Bereichen schauen, wo Kosten reduziert werden könnten, wie Finanzchef Christoph Hammer ausführte. Zudem herrscht auf der Verwaltung ein Einstellungsstopp.
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