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100 Prozent erneuerbare Energie?
Mit diesem Trick wollen die SBB ihren Atomstrom als grün verkaufen

Der Betrieb des Bahnnetzes in der Schweiz benötigt viel Strom. 2019 waren es rund 2300 Gigawattstunden – so viel, wie 500’000 Drei-Personen-Haushalte mit einem typischen Stromverbrauch von 4500 Kilowattstunden pro Jahr benötigen.  
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Ab 2025 sollen die Züge der SBB zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie unterwegs sein. Das ist der Anspruch der Bundesbahnen. «Mit den SBB reist man mit gutem Gewissen», schliesst daraus die Leiterin Nachhaltigkeit in einem Interview, das die SBB publizierten. Doch da gibt es einen Haken. Und der heisst Atomstrom.

Die SBB halten einen Anteil an der Akeb. Diese Gesellschaft hat Bezugsrechte für Strom von französischen Kernkraftwerken sowie vom KKW Leibstadt. Bereits vor Jahren kündigte der damalige SBB-Chef Andreas Meyer an, die Beteiligung bis 2025 zu verkaufen.

Doch die Pläne gestalteten sich schwieriger als gedacht. Geplant war, dass eine erste Tranche bereits 2019 verkauft werden sollte. Doch daraus ist bisher nichts geworden. Der Grund: «Die Restlaufzeiten der Kraftwerke sind ungewiss, und in der Branche hat man sehr wenig Erfahrung bezüglich der tatsächlichen Stilllegungs- und Rückbaukosten», sagte Beat Deuber, Leiter Energie bei SBB Infrastruktur 2018 gegenüber den AZ Medien. Dies führe dazu, dass es aus heutiger Sicht schwierig einzuschätzen sei, wie sich die Beteiligung finanziell entwickle. Deshalb sei sie für Investoren nicht interessant.

Zürich musste aufgeben

Daran hat sich bis heute nichts geändert: Noch immer ist es unmöglich, diese Beteiligung zu verkaufen. Das musste auch die Stadt Zürich erfahren, die ebenfalls an der Akeb beteiligt ist. Sie scheiterte mit ihrem Versuch, die Anteile zu verkaufen, wie sie Ende letzten Jahres mitteilte.

Die SBB gehen nun auch nicht mehr davon aus, dass sie die Beteiligung loswerden. Der Plan von Andreas Meyer geht nicht auf. «Da im heutigen Marktumfeld ein Verkauf der Kernkraftbeteiligung nicht möglich ist, werden die SBB ihre Akeb-Beteiligung bis auf weiteres behalten», sagt ein SBB-Sprecher.

Will heissen: Die SBB werden so gut wie sicher auch nach 2025 Atomstrom beziehen. Wie geht das einher mit dem Versprechen, zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie unterwegs zu sein? Nun, die SBB wollen für den Energieanteil aus der Akeb, welcher für die Bahnstromversorgung benötigt werde, ab dem Jahr 2025 Herkunftsnachweise aus erneuerbaren Energien beschaffen.

Mittels solcher Nachweise können Verbraucher zurückverfolgen, wo der Strom produziert wird. Stromproduzenten können so den ökologischen Mehrwert direkt vermarkten und entsprechend einen etwas höheren Preis einstreichen. Rein physikalisch ist bei Strom aber nicht kontrollierbar, woher er genau kommt. Der Stromhandel und der Handel mit Herkunftsnachweisen sind getrennte Märkte.

Energie-Stiftung kritisch

Mit dem Zukauf von Herkunftsnachweisen für den Energieanteil aus der Akeb-Beteiligung werde den Erzeugern von erneuerbaren Energien ermöglicht, zusätzliche Erträge zu erwirtschaften, und Investitionen in erneuerbare Energien würden wirtschaftlich interessanter, sagt ein SBB- Sprecher.

«Die SBB stellen sich mit dem Herkunftsnachweis grüner dar, als sie tatsächlich sind.»

Felix Nipkow, Schweizerische Energie-Stiftung

Den Kauf von Herkunftsnachweisen durch die SBB sieht Felix Nipkow von der Schweizerischen Energie-Stiftung kritisch. Denn: Die Herkunftsnachweise bringen für den Ausbau von erneuerbarer Energie wenig. «Produzenten werden zwar dafür vergütet, dass sie erneuerbare Energie herstellen», sagt Nipkow. Doch es gebe schlicht zu viele solcher Nachweise auf dem Markt.

Die Preise für die Nachweise sind folglich tief, ein Ausbau lässt sich damit nicht finanzieren. Entsprechend sagt Nipkow: «Die SBB stellen sich mit dem Herkunftsnachweis grüner dar, als sie tatsächlich sind.»

Die SBB werden also ab 2025 Geld in die Hand nehmen, um aufzuzeigen, dass sie mit 100 Prozent erneuerbarer Energie fahren. Doch daneben besitzen sie weiterhin eine Beteiligung an Atomstrom.

Pilotanlage für 100 GA-Kunden

Heute stammen 90 Prozent des Stroms für den Bahnbetrieb der SBB aus Wasserkraft. Die SBB haben eigene Wasserkraftwerke direkt am Bahnnetz, an anderen sind sie beteiligt. Das Problem ist, dass der Bahnstrom eine andere Frequenz hat als normaler Strom. Entweder müssen die SBB ihre Kraftwerke somit ans Bahnnetz anschliessen oder den Strom mittels Transformator umwandeln.

In den nächsten Jahren wollen die SBB im grossen Stil in Solaranlagen investieren. Dieser Strom wird aber zu einem grossen Teil direkt am Erzeugungsort verwendet. Er kann also nicht für den Bahnbetrieb genutzt werden. Zudem testen die SBB in einem Pilotversuch, wie künftig Solarstrom als Bahnstrom genutzt werden kann.

Die Pilotanlage an sich ist noch nicht die Lösung. Die Anlage liefert laut den SBB die Energie für die Fahrten von 100 Generalabo-Kunden. Insgesamt sind fast 500’000 GA im Umlauf.