Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Saudiarabien gegen Iran
Der Wettlauf um den wahren Islam

epa11269226 Iranian women attend Eid-al Fitr prayers at the shrine of Abdol Azim, in Shahr-e Ray, Iran, 10 April 2024. Muslims worldwide celebrate Eid al-Fitr, a two or three-day festival at the end of the Muslim holy fasting month of Ramadan. It is one of the two major holidays in Islam. During Eid al-Fitr, most people travel to visit each other in town or outside of it and children receive new clothes and money to spend for the occasion.  EPA/ABEDIN TAHERKENAREH
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk
In Kürze:
  • Die Rivalität zwischen Saudiarabien und dem Iran prägt den Nahen Osten seit Jahrzehnten.
  • Nun könnten beide Staaten ideologische Spannungen abbauen.
  • Ein Tauwetter zwischen Riad und Teheran könnte dem gesamten Nahen Osten nutzen.

Shams al-Baroudi war die Erste, die einen Schleier trug. Die ägyptische Schauspielerin war im ganzen Nahen Osten ein Star, auch in Europa bekannt, sie war glamourös, bekam die grossen Rollen und trug auch mal einen Badeanzug, was in Ägypten keine grosse Sache war; in den Sechzigerjahren verschleierten sich nur 30 Prozent der Frauen. Im Jahr 1982 kam Al-Baroudi von der Pilgerreise nach Mekka plötzlich mit einem Niqab zurück, dem Schleier, der nur noch die Augen frei lässt. Ihr folgten viele Kolleginnen, es verhüllte sich eine ganze Generation von Filmstars.

Gegen Zahlung von Millionen Dollar aus Saudiarabien, wie man in Kairo bald wusste. Die Saudis waren einer der grössten Märkte für ägyptische Filme, und seit den Achtzigerjahren wollte man dort keine Badeanzüge mehr sehen, sondern den Schleier. Der ägyptische Filmemacher Youssef Chahine hoffte damals, dass sie eine Balance finden würden zwischen der säkularen Moderne und der Religion. «Die Ägypter waren immer sehr religiös, aber gleichzeitig liebten sie die Kunst.» Es kam anders, das ägyptische Kino hat kaum noch Relevanz. Chahine sagte: Die «Schwarze Welle» habe das Land überrannt, heute trage jede Frau den Schleier.

Die «Schwarze Welle», so nennt man die Jahrzehnte nach der iranischen Revolution 1979, in denen ein Wettkampf entstand zwischen dem Iran und den Nachbarn in Saudiarabien, wer für den wahren Islam steht, eine Rivalität, die sich auf die ganze Region ausdehnte.

Die Saudis liessen Schulen bauen, die Iraner ebenso

Die Saudis liessen für Milliarden Dollar Koranschulen und Moscheen bauen, von Marokko bis zum Irak, um ihre Form des sunnitischen Wahabismus zu verbreiten. Die Iraner bauten im Libanon, im Irak und im Jemen Spitäler, Schulen und Gebetsstätten, lehrten dort ihren schiitischen Zweig. Das Ergebnis in beiden Gebieten: ein düsterer Islam, der neue Kriege mit sich brachte und alte anfeuerte. Jemen, Syrien, Gaza und nun Libanon. Überall ging es auch darum, wie sich die Rivalen Saudiarabien und Iran verhalten.

Nun glauben manche, dass in der aktuellen Eskalation auch eine Chance stecken könnte – indem Saudis und Iraner erkennen, dass ihnen der Export ihrer Ideologien auf Dauer mehr Schaden zufügt als nutzt. Am Dienstag flog der iranische Aussenminister, Abbas Araghchi, nach Riad. Auch um zu sehen, ob die ewigen Rivalen mehr eint, als man meinen könnte.

Iranian Foreign Minister Abbas Araghchi speaks with Lebanese caretaker Prime Minister Najib Mikati during their meeting in Beirut, Lebanon, Friday, Oct. 4, 2024. (AP Photo/Hassan Ammar)

Die Saudis haben sich unter Kronprinz Mohammed bin Salman nach innen gewandt, wollen das Land für die Zeit nach dem Öl vorbereiten, eine Hightechindustrie aufbauen. Dort fallen die Schleier gerade wieder. Die Frage ist, wie der Iran sich verhält, der wegen der Sanktionen nicht aus der Wirtschaftskrise kommt. Dessen Bürger verstehen nicht, warum sie Milliarden für eine Miliz im Libanon zahlen sollen. Die Hizbollah soll zwar Israel bekämpfen, ist aber andererseits auch als Gegengewicht zum saudischen Einfluss gedacht – die Saudis haben auch in Beirut viel Geld investiert.

Die Mullahs wollten die Revolution von Anfang an exportieren

Historisch gesehen gab sich die iranische Führung nie viel Mühe, zu verbergen, was sie vom Königshaus in Riad hielt. Eine Monarchie, die gemeinsame Sache mit den USA macht; so sah man Saudiarabien in Teheran seit der islamischen Revolution. Die Mullahs wollten es von Anfang an nicht bei der Revolution im eigenen Land belassen, sie wollten sie in andere Länder der Region exportieren. Auch ins saudische Königreich.

Dort erhob sich 1979 die Minderheit der Schiiten, dort stürmte der Islamist Juhayman al-Otaybi die Heiligen Stätten in Mekka, nahm zwei Wochen lang Geiseln, wollte das Königshaus stürzen, dem er vorwarf, mit den Ungläubigen zu paktieren. Das wollten die Saudis sich nie wieder vorhalten lassen. Es begann der Wettlauf darum, wer den reineren Islam vertrete.

Das iranische Regime setzte sich zwar in Syrien fest, im Libanon, auch im Irak, nirgendwo aber übernahmen Kleriker wirklich die Macht, und an Ländern wie Saudiarabien prallte der Iran ganz ab. Was das iranische Regime dazu verleitete, die jemenitischen Huthi derart aufzurüsten, dass diese in der Lage waren, mit ihren Raketen einen Grossteil der saudischen Ölproduktion ausser Betrieb zu setzen. So geschehen im September 2019.

Die Saudis waren nah an einem Friedensschluss mit Israel

Die iranische «Achse des Widerstands», dieses antiisraelische Bündnis, war immer auch ein antisunnitisches – also eines gegen die Golfmonarchien um Saudiarabien. Mit der Hilfe für die Hamas schwang sich der Iran zur Schutzmacht der Palästinenser auf, eine Rolle, die früher die saudischen Könige für sich beansprucht hatten.

Und aus iranischer Sicht waren die Saudis vor dem 7. Oktober schon viel zu nah an einem Friedensschluss mit Israel, die Emiratis und andere Golfstaaten haben sich mit dem jüdischen Staat ja schon ausgesöhnt.

A handout picture provided by the Saudi Royal Palace on April 27, 2021, shows Saudi Crown Prince Mohammed bin Salman during an interview with the Middle East Broadcasting Center (MBC) in the capital Riyadh to mark the fifth anniversary of his vision 2030. (Photo by various sources / AFP) / RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY CREDIT "AFP PHOTO / SAUDI ROYAL PALACE / BANDAR AL-JALOUD" - NO MARKETING - NO ADVERTISING CAMPAIGNS - DISTRIBUTED AS A SERVICE TO CLIENTS

Noch sind der Iran und Saudiarabien keine Freunde. Aber dass sie wieder miteinander reden, dürfte der Region seit Beginn der Nahostkrise geholfen haben. Als der Iran im April zum ersten Mal Israel angriff, wollte Teheran die Israelis vorwarnen, damit die Dinge nicht ausser Kontrolle geraten würden. Es waren die Saudis, die die Warnung weitergaben. Als Israel im Juli den Hamas-Anführer Ismail Haniya in Teheran töten liess, baten die Saudis die Iraner um Zurückhaltung.

Es geht längst nicht mehr um Menschen, es geht um Einfluss

In diesen Wochen geht es für die Machthaber in Teheran längst nicht mehr um die Menschen in Gaza oder im Libanon, es geht um Einfluss. Natürlich merken sie in Teheran, dass die Golfstaaten nur zusehen, während Israel die Islamische Republik zurückdrängt. Am vergangenen Freitag klang der Oberste Führer des Iran, Ayatollah Ali Chamenei, wie ein Religionskrieger. Da leitete er zum ersten Mal seit Jahren das Freitagsgebet und beschwor den Kampf der Muslime gegen Israel, «von Afghanistan bis zum Jemen, vom Iran bis nach Gaza und zum Libanon».

A Muslim pilgrim prays at dawn as he stands on Saudi Arabia's Mount Arafat, also known as Jabal al-Rahma or Mount of Mercy, during the climax of the Hajj pilgrimage on June 15, 2024. The ritual is the high point of the annual pilgrimage, one of the five pillars of Islam, that officials say could be the biggest on record after three years of Covid restrictions. (Photo by FADEL SENNA / AFP)

So gesehen jedenfalls ist die aktuelle Krise im Nahen Osten auch eine Art Stresstest für das Tauwetter zwischen den beiden Mächten der Region, Saudiarabien und Iran. Wenn ihr Verhältnis diese Krise übersteht, könnte es, so abwegig das klingen mag, auch Vorbote eines friedlicheren Nahen Ostens sein.