Folgen des Ukraine-KriegsSanktionen treffen auch Schweizer Exporteure, Stadler-Rail-Aktie bricht ein
Für Schweizer Industriefirmen kommen die Sanktionen gegen Russland einem Exportverbot gleich, warnt der Verband Swissmem.
Der Ausschluss Russlands aus dem weltweiten Bankensystem Swift hat auch Folgen für Schweizer Industriefirmen. Geschäfte mit russischen Kunden kommen dadurch praktisch zum Erliegen, sagte Swissmem-Präsident Martin Hirzel. «Ein potenzieller russischer Kunde könnte den Kaufpreis oder die geschuldete Anzahlung gar nicht mehr leisten, wenn die Banktransfers verunmöglicht sind», sagte Hirzel anlässlich der Jahresmedienkonferenz des Verbands, der die Schweizer Maschinen, Elektro und Metallindustrie (MEM) repräsentiert. «Die aktuellen Einschränkungen sind de facto ein Exportverbot», so Hirzel.
Zudem sei die Unsicherheit gross, ob Schweizer Firmen bestehende Aufträge mit russischen Kunden noch abwickeln dürfen. «Ich kenne konkret auch Industrieunternehmen, die noch Anzahlungen von ihren Kunden besitzen und sich fragen, darf ich dieses Geschäft noch abwickeln? Und wenn nicht, wie können wir diese Anzahlung dem Kunden wieder zurückerstatten?», so Hirzel. All das werde derzeit vom Verband und den Unternehmen selbst analysiert. Namen von betroffenen Firmen nannte Hirzel nicht.
Stadler-Aktie bricht ein
Diese Sorge spiegelte sich am Montag auch an der Börse wider: Dort brachen die Aktien des Zugbauers Stadler Rail zeitweise um mehr als zehn Prozent ein und fielen auf den tiefsten Stand seit dem Börsengang im Jahr 2019.
Das Unternehmen von Patron Peter Spuhler ist in der Region in Weissrussland aktiv und baut in Fanipol knapp 30 Kilometer ausserhalb von Minsk Züge und Strassenbahnen für die GUS-Region und weitere internationale Märkte.
Spuhler hatte Hoffnungen in neue Aufträge aus dem Gebiet gesetzt – unter anderem aus der Ukraine. In der Vergangenheit hatte das Unternehmen zudem zwei kleinere Aufträge aus Russland erhalten, die bereits abgewickelt sind.
«Sollten sich zukünftige Sanktionen und Embargos auf Stadler auswirken, setzt Stadler diese selbstverständlich konsequent um.»
Zahlungsausfälle erwarte Stadler Rail durch die verschärften Sanktionen nicht, teilte die Firma mit. Es seien keine Aufträge aus Russland im Auftragsbestand und aus der Ukraine habe das Unternehmen mit Sitz in Bussnang ebenfalls noch keine Aufträge erhalten.
Zudem sei Stadler nicht von Sanktionen betroffen. «Wir beobachten die Lage laufend. Sollten sich zukünftige Sanktionen und Embargos auf Stadler auswirken, setzt Stadler diese selbstverständlich konsequent um», heisst es in der Mitteilung. Auch die Produktion in Weissrussland sei bislang nicht von dem Krieg im Nachbarland betroffen.
Die gesamte Schweizer MEM-Industrie exportierte im vergangenen Jahr nach Angaben von Swissmem Waren im Wert von 780 Millionen Franken nach Russland. Das entspricht 1,1 Prozent der MEM-Exporte, damit lag das Land auf Rang 17 der wichtigsten Abnehmer. Hinzu kamen 130 Millionen Franken an Exporten in die Ukraine. Swissmem trage die verschärften Sanktionen trotz der Einschränkungen für die Schweizer Industrie voll mit, so Hirzel.
Auch die Chemie- und Pharmabranche ist betroffen
Stark betroffen ist auch die Schweizer Chemie- und Pharmabranche. «Die Übernahme der EU-Sanktionen hat einen erheblichen negativen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit unserer Mitgliedsunternehmen», sagt Pia Guggenbühl, Sprecherin des Verbandes scienceindustries. Im Vorjahr verkaufte die Unternehmen Waren im Wert von rund 1,8 Milliarden Franken nach Russland. Damit war das Land der 15-wichtigste Handelspartner.
Vor Ort in Russland präsent ist unter anderen der Zementkonzern Holcim, der dort ein kleines und lokales Geschäft betreibe. Dieses mache aber nur etwa ein Prozent des weltweiten Nettoverkaufsertrags aus, so eine Sprecherin. Die Auswirkungen des Swift-Ausschlusses seien derzeit begrenzt. «Wir verfolgen alle Ankündigungen von Sanktionen genau und setzen sie konsequent um. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es noch zu früh, dies weiter zu kommentieren», hiess es von Holcim.
Firmen suchen nach Ersatzmärkten…
Zu spüren bekommen die Sanktionen nicht nur grosse Konzerne, sondern auch viele klein- und mittelständische Unternehmen, die seit Jahrzehnten Geschäfte mit Russland machen, wie Michael Kühn, Russland-Experte der Exportförderorganisation Switzerland Global Enterprise S-GE erklärt. «Für KMU ist das einschneidend. Makroökonomisch mögen die Exporte überschaubar sein, aber es gibt viele Einzelfälle, die sehr stark betroffen sind», so Kühn. Diese Firmen versuchen nun, möglichst rasch andere Märkte zu erschliessen, um die Einbussen abzufedern.
Damit ist auch klar, dass das Russlandgeschäft schrumpfen wird. «Es ist zu befürchten, dass dieser Markt für viele Schweizer Firmen von der Prioritätenliste verschwindet und sie lieber in andere Märkte gehen», so Kühn.
Neben der MEM-Branche seien auch Schweizer Firmen aus der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie betroffen, so Kühn. Ihnen macht der Zerfall der russischen Währung Rubel zu schaffen, durch den Schweizer Produkte in Russland enorm teuer werden.
… und fürchten den starken Franken
Neben unmittelbaren Auswirkungen fürchtet die Industrie auch die Folgen des durch die Krise stärkeren Frankens. Denn dadurch werden Exportprodukte aus der Schweiz ins Ausland teurer und die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Industrie leidet. Zudem könne sich die allgemeine Verunsicherung durch den Krieg auf die Investitionsfreudigkeit und das Konsumverhalten auswirken, warnte Swissmem.
Schweizer Firmen sind nicht nur in Russland, sondern auch in der Ukraine vertreten. Die dort tätigen Unternehmen hätten ihren Betrieb eingestellt, so Hirzel. Die Löhne würden aber weiterhin bezahlt und die Unternehmen helfen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wenn möglich auch bei der Flucht.
Fehler gefunden?Jetzt melden.