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Gegen Cancel-Culture
Trotz Kontroverse: Zürcher Filmfestival zeigt Ukraine-Kriegsfilm

«Russians at War» zeigt den Angriffskrieg gegen die Ukraine aus der Perspektive russischer Soldaten.
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Der Film ist mehr als nur umstritten: Er ist hochgradig kontrovers und wird von vielen als gezielte Pro-Putin-Propaganda angesehen. Am internationalen Filmfestival in Toronto mussten vor zwei Wochen Vorführungen abgebrochen werden, weil es laut der Festivalleitung «signifikante Bedrohungen für den Festivalbetrieb und die öffentliche Sicherheit» gab.

Dennoch will das Zurich Film Festival (ZFF) den Dokumentarstreifen «Russians at War» am 7. Oktober im Festival-Zentrum am Bellevue mitten in Zürich zeigen. Das gab das Festival am Donnerstag bekannt, nachdem die Vorführung von vielen Seiten kritisiert worden war. Angekündigt ist auch die Regisseurin Anastasia Trofimova. Sie stellt sich anschliessend an die Aufführung den Publikumsfragen. Geplant sind in den Tagen danach drei weitere Aufführungen in Zürcher Kinos.

Aussenministerium in Kiew wendet sich ans ZFF

In die Kontroverse hat am Donnerstag sogar das ukrainische Aussenministerium eingegriffen. «Wir fordern die Organisatoren dringend auf, den Ruf des Festivals nicht durch die Vorführung von Russians at War zu ruinieren», schrieb am Donnerstag der Ministeriumssprecher Heorhii Tikhii auf dem Kurznachrichtendienst X.

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Dies sei kein Dokumentarfilm, sondern Propaganda, die Kriegsverbrechen beschönige, schrieb der Sprecher weiter. «Die echten Russen im Krieg sind Invasoren, Kriegsverbrecher und Vergewaltiger. Wer sie vertuscht, macht sich mitschuldig.»

Kurze Zeit nach dem Tweet stellte Festivaldirektor Christian Jungen an einer Pressekonferenz das Festivalprogramm vor und sagte, er freue sich auf ein «veritables Filmfest mit Substanz und Glamour».

Portrait von Christian Jungen, Kuenstlerischer Leiter ZFF
13.09.2019.
(URS JAUDAS/TAMEDIA AG)

Zur Kontroverse sagte Jungen: «Wir verstehen den Unmut der Ukrainer.» Er räumte auch ein, dass die Regisseurin aufgrund ihrer früheren Arbeit «nicht ganz unproblematisch» sei. Trotzdem sei es richtig, den Film zu zeigen. «Filme sollen zu Diskussionen anregen. Und wir verstehen diesen Film als Antikriegsfilm.»

Szenen aus dem Kriegsalltag in der Ostukraine

«Russians at War» folgt russischen Soldaten während des Angriffskriegs gegen die Ukraine. Über sieben Monate hinweg begleitete die russisch-kanadische Filmemacherin Anastasia Trofimova ein Bataillon nahe der Frontlinie in der Ostukraine und dokumentierte den Alltag und die Gedanken der Soldaten.

Der Kriegsalltag: Ein junger russischer Soldat an der Front in der Ostukraine.

Der Film zeigt junge Männer, die oft ohne echte militärische Ausbildung kämpfen, und gibt Einblicke in die brutalen Realitäten des Krieges. Dabei äussern einige Soldaten offen Kritik an der Kriegsführung Moskaus, während andere die offiziellen Propagandanarrative übernehmen.

Kriegsverbrechen kommen in dem Film nicht vor. Trofimova sagte, dass sie solche nicht direkt miterlebt habe. Kritiker werfen dem Film vor, einseitig zu sein und die russischen Soldaten zu sympathisch darzustellen. Trofimova verteidigt den Film als menschliche Momentaufnahme der Soldaten, die sich in einem sinnlosen Krieg befinden​.

Die russische-kanadische Regisseurin Anastasia Trofimova bezeichnet «Russians at War» als Antikriegsfilm.

Die Filmemacherin wurde 1987 in Moskau geboren und hat nach ihrem Studium in Toronto unter anderem für den kremlnahen Sender Russia Today gearbeitet. Trofimova verteidigt sich jedoch gegen die Vorwürfe: Sie habe den Film ohne Genehmigung des Kremls gedreht und bezeichnet ihn als Antikriegsfilm. Sie betont, sie selbst verurteile die Invasion als ungerecht und illegal.

«Russians at War» lief ohne Zwischenfälle in Venedig

«Russians at War» wurde am 4. September auch an den Internationalen Filmfestspielen von Venedig gezeigt. Die Vorführungen verliefen dort ohne Zwischenfälle. In Toronto kam der Film nach den abgesagten Vorführungen in zwei Sondervorstellungen doch noch zur Aufführung.

In Zürich soll die Entstehungsgeschichte des Films thematisiert werden, nach Möglichkeit soll es laut Christian Jungen auch eine Podiumsdiskussion geben. Dazu will der Festivaldirektor die ukrainische Botschafterin in der Schweiz einladen.

Auf Fragen nach möglichen Sicherheitsrisiken bei den Vorstellungen antwortete weder das Festivalbüro noch Jungen selbst.

Jungen hält nichts von Cancel-Culture

Christian Jungen hat allerdings schon früher unter Beweis gestellt, dass er nichts vom Verzicht auf Aufführungen umstrittener Filme hält. Er hielt 2022 daran fest, den Streifen «Der junge Häuptling Winnetou» zu zeigen. Das auf Jugendliche zugeschnittene Werk war in Deutschland und der Schweiz stark umstritten, da es als kulturell unsensibel und rassistisch gegenüber indigenen Völkern kritisiert wurde.

Jungen verteidigte die Entscheidung zur Vorführung und erklärte: «Indem wir den Winnetou-Film zeigen, wollen wir der Cancel-Culture die Stirn bieten.» Er betonte, dass solche Filme eine Plattform für Diskussionen bieten sollten, statt sie vorab aus dem Programm zu nehmen​.

Im Programm des Zurich Film Festival figurieren zwei Filme, die den Krieg aus ukrainischer Perspektive thematisieren: «The Invasion» von Sergei Loznitsa zeigt die Folgen des Krieges in der Ukraine. Und «Under the Volcano» von Damian Kocur schildert das Schicksal einer ukrainischen Familie auf Teneriffa, die nach Ausbruch des Kriegs nicht in ihre Heimat zurückkehren kann.

Mit Material der Schweizerischen Depeschenagentur.