Superwahlsonntag im SeptemberParteien rüsten sich für die Europa-Schlacht im Herbst
Gleich über fünf Vorlagen wird das Volk am 27. September abstimmen, darunter die Kündigungsinitiative. Beide Seiten erhoffen sich Corona-Vorteile.
Es hätte das politische Grossereignis dieses Frühjahrs werden sollen: die Abstimmung über die SVP-Initiative, die die Personenfreizügigkeit mit der EU aufkündigen will. Doch aufgrund der Corona-Pandemie entschied der Bundesrat im März, den Abstimmungstermin vom 17. Mai zu annullieren.
Seit der Bundesratssitzung von diesem Mittwoch steht fest, wann das Verpasste nachgeholt wird. Am 27. September wird nicht nur über die Kündigungsinitiative, sondern noch über vier weitere Vorlagen abgestimmt: den Vaterschaftsurlaub und das neue Jagdgesetz (beide ursprünglich ebenfalls auf den 17. Mai terminiert), dazu über Steuerabzüge für externe Kinderbetreuung und das Referendum gegen neue Kampfjets.
Der intensivste Abstimmungskampf dürfte um die SVP-Initiative entbrennen. Die Gegner bereiten sich buchstäblich seit Jahren auf diesen Moment vor: Aufgeschreckt durch das Ja zur Masseneinwanderungsinitiative 2014, haben sich diverse Verbände inzwischen zu einer europapolitischen Zweckallianz unter dem Label «Stark + vernetzt» vereinigt. Die SVP wiederum wird für ihre «Begrenzungsinitiative», wie das Anliegen offiziell heisst, ein Maximum an Ressourcen aufbieten.
«Eine Annahme der Kündigungsinitiative wäre für die Schweiz eine Katastrophe.»
Die offene Frage ist, inwiefern das gänzlich veränderte Grenzregime den Abstimmungskampf beeinflussen wird. Beide Seiten erhoffen sich Vorteile. «Die geschlossenen Grenzen sind eine Einschränkung unserer Freiheit. Das spüren wir», sagt Laura Zimmermann von der Operation Libero. Der Wirtschaftsverband Economiesuisse wiederum rechnet mit einer stark verdüsterten konjunkturellen Lage im Spätsommer. «Eine Annahme der Kündigungsinitiative wäre für die Exportnation Schweiz unter diesen Vorzeichen eine Katastrophe», sagt Sprecher Roberto Colonnello.
«Verkraftbare» Herausforderungen
Anders sieht es SVP-Nationalrat Marcel Dettling, der Kampagnenleiter der Initiative. Es zeige sich nun, dass Grenzkontrollen zu einer tieferen Kriminalität führten. Und die wachsende Arbeitslosigkeit werde ebenfalls zuungunsten der Personenfreizügigkeit spielen. «Ich bin ja gespannt, ob arbeitslose Wirtschaftsmigranten in ihre Heimatländer zurückkehren werden, wie uns das immer prophezeit wurde.» Im Übrigen sehe man jetzt, so Dettling, dass in der Krise jedes Land für sich selber schaue. «Wir haben es ja bei der Beschaffung von medizinischem Material erlebt, dass Verträge plötzlich nichts mehr zählen.»
In einem sind sich Befürworter und Gegner einig: Sie begrüssen, dass die Abstimmung am nächstmöglichen Termin stattfinden soll. Eine weitere Verschiebung wäre ihrer Ansicht nach demokratiepolitisch heikel gewesen. Für Economiesuisse spricht auch der Umstand, dass die Initiative die Europapolitik «seit Jahren lähmt», gegen Hinausschieben. SVP-Nationalrat Dettling wiederum ist der Ansicht, dass die Abstimmung schon am 17. Mai hätte durchgeführt werden können.
Dass ein Abstimmungskampf auch mit gewissen coronabedingten Einschränkungen möglich sein wird, darin sind sich die Kontrahenten ebenfalls einig. «Die politische Debatte kann heute auf diversen – auch digitalen – Plattformen geführt werden», sagt Economiesuisse-Sprecher Colonnello.
Ob die epidemiologische Lage bald wieder Delegiertenversammlungen erlauben wird, bleibt abzuwarten. Alles in allem stellt der Superwahlsonntag vom 27. September das Schweizer Parteiengefüge vor einige «Herausforderungen», wie es Bundeskanzler Walter Thurnherr am Mittwoch ausdrückte. Doch diese seien «verkraftbar».
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