Eishockey-Verbandspräsident tritt zurückEr durfte nicht einmal mehr an die eigene Weihnachtsfeier
Nach nur gut 16 Monaten ist der Präsidentenposten bei Swiss Ice Hockey wieder vakant. Auch nach Stefan Schärer ist ein zerstrittenes Feld zu sehen, das geprägt ist von vielen Eigeninteressen.

Trat er wirklich freiwillig zurück oder wurde er endgültig aus dem Amt gedrängt? Die Frage lässt sich nicht mit hundertprozentiger Klarheit beantworten. Fest steht nur: Stefan Schärer ist nicht mehr Verwaltungsratspräsident von Swiss Ice Hockey.
Zu vieles lag zuletzt im Argen. Zwischen Verband und der weitgehend autonomen höchsten Liga, der National League. Innerhalb des Verbands selbst. Nicht zu vergessen die Regio League, die Amateurmeisterschaft ab der dritthöchsten Liga, die als dritter Player in einem von Machtkämpfen geprägten Umfeld auch ihre Uneinigkeiten mit der höchsten Liga hat.
Und dann gibt es noch die Swiss League, die zweithöchste Liga, die inklusive TV-Vertrag einen Alleingang wagte, damit grösstenteils scheiterte und nun nicht nur grosse finanzielle Sorgen, sondern mittlerweile auch Mühe hat, für einen geregelten Ligabetrieb überhaupt genug teilnehmende Clubs zu stellen.
Das sportpolitische Wirrwarr im Schweizer Eishockey ist mittlerweile unglaublich schwierig zu durchschauen. Daran wird sich auch mit dem Abgang Schärers nichts ändern.
Happige Vorwürfe – hinter vorgehaltener Hand
Dieser Abgang war zuletzt unvermeidbar. Hinter vorgehaltener Hand lassen Exponenten der National-League-Clubs kein gutes Haar an Schärer: Ein Egomane mit Profilierungssucht sei er. An einer ausserordentlichen Verwaltungsratsitzung hatten sie sich kürzlich einstimmig gegen den Verbandspräsidenten ausgesprochen und seinen Sturz geplant.
Auch bei Swiss Ice Hockey wurde viel Geschirr zerschlagen, dort wirft man ihm Alleingänge vor, zum Beispiel bei Verhandlungen mit Verbänden anderer Nationen. Als Präsident habe sich Schärer nicht nur in Belange der Liga (Schärer war Verfechter einer Verkleinerung der National League auf 12 Clubs und der Einführung des direkten Auf- und Abstiegs), sondern grundsätzlich zu oft in operative Bereiche eingemischt – was nicht zu seinen Aufgaben gehören würde.
Es seien zuletzt Dinge geschehen, die die Zusammenarbeit zwischen Schärer und dem Nationalteam schwierig gemacht hätten, wird Nationaltrainer Patrick Fischer in der NZZ zitiert.
Folgende Episode während der WM in Prag, wo die Schweiz Silber gewann, wird im weiteren herumerzählt: Schärer soll den Viertelfinalsieg gegen Deutschland gegenüber Fischer mit «Glück gehabt!» kommentiert haben – als Hint über eine Entlassung im Falle einer Niederlage.

Schärers Führungsstil soll intern bei Swiss Ice Hockey grundsätzlich seit längerer Zeit massiv in der Kritik gestanden haben. Mitarbeitende, die sich deswegen krankschreiben liessen, ist eine Episode, die herumgereicht wird. Jene von der Weihnachtsfeier kürzlich eine andere: Schärer durfte an dieser nicht teilnehmen, weil sonst zu viele Leute diese boykottiert hätten.
Auch zwischen Schiedsrichterwesen und Schärer rumorte es zuletzt. Nachdem Schiedsrichter-Chef Andreas Fischer Ende letzter Saison Swiss Ice Hockey verliess und neuer CEO von Ambri-Piotta wurde, sorgte seine Nachfolgeregelung für interne Unruhe. Beim Ablauf der Wahl von Nicolas Fluri als Nachfolger soll Schärer eine zweifelhafte Rolle gespielt, respektive sich eingemischt haben, wird ebenfalls hinter vorgehaltener Hand moniert. Offen und «on the record» äussert sich in der ganzen Causa fast niemand.
Peter Zahner ist CEO der ZSC Lions, er sitzt gleichzeitig auch im Verwaltungsrat von Swiss Ice Hockey. Er sagt dies: «Schärers Rücktritt ist ein Schritt, der sich über die letzten Wochen und Monate abzeichnete. Ich kann nicht ins Detail gehen. Ein Teil unserer Vereinbarung ist, dass ich mich nicht in der Öffentlichkeit darüber äussere. Die National League und die Swiss League haben nun den Auftrag, einen neuen Präsidenten zu suchen. Wichtig ist, dass jetzt auf der Geschäftsstelle wieder Ruhe hineinkommt. Wir müssen uns wieder auf die wesentlichen Dinge konzentrieren. Ein sehr wichtiges Dossier ist dabei die Swiss League.»
Das Lob des Verbands an Schärer
Was sagt Schärer selbst? Ihm geht der Rücktritt nahe, aber er sei auch befreiend. Viel mehr will er nicht preisgeben. «Heute Morgen hat mir ein Bekannter geschrieben: ‹Dynamischer Unternehmer trifft auf starre Verbandsstrukturen›. Ich glaube, das trifft es ziemlich gut.» Dem Vernehmen nach wollte der Unternehmer den Erfolg und die Arbeit messbarer und vergleichbarer machen, den Verband offenbar mit modernen Management-Methoden weiterbringen: «Ja, ich habe Veränderungen angestrebt und wollte Strukturen überarbeiten», sagt er. Das habe bei gewissen Menschen aber offenbar Ängste und Abwehrmechanismen ausgelöst.
Nicht ganz unironisch: Swiss Ice Hockey dankt in einem Statement Schärer für seinen massgebenden Anteil am neuen Kooperationsvertrag zwischen Liga und Verband. Dadurch finde wieder ein aktiverer Austausch zwischen den beiden Parteien statt.
Die Suche nach Schärers Nachfolge läuft, es wird spannend zu sehen sein, ob sich jemand finden lässt, der allen Parteien genehm ist. So gross die Vorwürfe der Liga an Schärer auch sind: Die Clubs hinterlassen schon seit Jahren den Eindruck, dass ihnen kein Verbandspräsident mit eigener starker Meinung genehm ist.
Vorläufig übernimmt Schärers Vizepräsident Marc-Anthony Anner die Führung des Verwaltungsrats. Schärer bleibt indirekt dem Schweizer Eishockey aber erhalten. Er wird Swiss Ice Hockey bei der Kandidatur für Olympia 2038 weiterhin im Vorstand des Olympia-Vereins vertreten.
Jemand, der nun einen weiteren Anlauf nehmen wird, Ruhe in den Laden zu bringen, ist der neue CEO Martin Baumann. Der frühere Chef der Champions Hockey League folgt auf Patrick Bloch. Von diesem hatte sich Swiss Ice Hockey erst vor vier Monaten getrennt, über die wahren Gründe schieden sich bereits damals die Geister. Einerseits soll er sein Kerngeschäft zwar tadellos erledigt haben, gleichzeitig habe es aber beim Führungsstil gehapert.
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