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Vorzüge der direkten Demokratie
Roger de Weck: Wieso die Schweiz Deutschland demokratiepolitisch voraus ist

Ein älterer, glatzköpfiger Mann mit Brille in einem grauen Anzug sitzt an einem Tisch mit einem Glas Wasser und einem Tablet.
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Die AfD bei den Landtagswahlen letzten Herbst in den ostdeutschen Bundesländern Brandenburg, Thüringen und Sachsen massiv an Wähleranteil zugelegt: Dies nimmt der ehemalige SRG-Generaldirektor Roger de Weck als Anlass, um in einem Gastbeitrag bei der FAZ über die Vorzüge der direkten Demokratie nachzudenken. Denn immer mehr Wählerinnen und Wähler in Deutschland fühlten sich von den politischen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen. Die direkte Demokratie biete daraus einen Ausweg.

Der in der Schweiz aufgewachsene De Weck hat lange in Deutschland gearbeitet und kennt daher die politischen Systeme beider Länder aus eigener Erfahrung: in den 1980er-Jahren arbeitete er als Politik- und Wirtschaftsredaktor für Die Zeit. Ab 1997 sogar für einige Jahre als dessen Chefredaktor.

De Weck nennt fünf Vorteile, welche das direktdemokratische System der Schweiz dem von Deutschland voraus habe:

Ein starkes Parlament

Die Grundvoraussetzung für das Funktionieren der direkten Demokratie sei ein starkes Parlament. In der Schweiz sei es nach dem Vorbild des US-Kongresses mit einer grossen und kleinen Kammer konzipiert worden, die sich gegenseitig korrigieren können. So habe es in entscheidenden Belangen wie dem Staatshaushalt das letzte Wort.

Dafür sind Verfassungsänderungen und der Beitritt zu internationalen Organisationen nur über Volksabstimmungen möglich. De Weck sieht es als wichtige Errungenschaft, dass das Parlament mit seinen zwei Kammern zu extremen Volksvorlagen Gegenvorschläge ausarbeiten und Abstimmungsempfehlungen herausgeben könne, dies verhindere das Abdriften zu Positionen der Polparteien. Dies sehe man darin, dass sich bei den Abstimmungen meist die Ansicht des Parlaments durchsetze. In Deutschland ist dies durch das Fehlen von Volksinitiativen nicht gegeben.

Brisante Themen kommen früh auf die politische Agenda

Dadurch, dass durch Volksinitiativen Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern verhältnismässig rasch auf die politische Agenda kämen, würden sie nicht verschleppt und es könne sich weniger Frust bei den Wählerinnen und Wählern aufstauen. So habe die sehr frühe Thematisierung der Zuwanderung durch die extreme Schwarzenbach-Initiative, welche 1970 abgelehnt wurde, dazu geführt, dass proaktiv Massnahmen für die Integrationspolitik in der Schweiz ergriffen worden seien und diese insgesamt erfolgreich verlaufe.

Direkte Demokratie führe zu mehr Konstanz

Durch Volksentscheide seien Amtsträger aller politischer Parteien dazu verpflichtet, die Volksbegehren umzusetzen. Die politischen Ziele würden dadurch über die nächsten Wahlen hinausreichen und verlangten von den gewählten Politikern Kollegialität ab.

Direkte Demokratie stärke das Verantwortungsbewusstsein

Dadurch, dass sich rund die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger vor Volksabstimmungen mit den Vorlagen befasst und sich dadurch Kompetenzen in den jeweiligen Dossiers aneignet, steige mit der Zeit das Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Auswirkungen der Entscheide, so De Weck. Das zeige sich dadurch, dass viele Stimmberechtigte ihre Ansicht ändern würden, sobald sie sich mit einer Vorlage im Detail beschäftigen. Auch steige über die Zeit die Kompetenz in demokratiepolitischen Fragen insgesamt. Dadurch wirke die direkte Demokratie mässigend.

Niederlagen würden in der direkten Demokratie eher akzeptiert

Die direkte Demokratie der Schweiz schaffe es besser als das deutsche parlamentarische System, den Bürgerinnen und Bürgern das Gefühl zu geben, ernst genommen zu werden. Durch die Volksinitiativen akzeptierten es die Wählerinnen und Wähler deutlich besser, wenn ihre Vorlagen von der Mehrheit nicht angeommen würden. So sei nach dem dritten Volks-Nein zum Referendum gegen das Covid-19-Gesetz nirgends mehr von «Diktatur» die Rede gewesen.

Insgesamt mindere die direkte Demokratie durch die Machtverteilung auf Politiker und Stimmvolk die Wahrscheinlichkeit für eine Erstarkung von extremen Positionen. So sind gemäss dem Demokratiemonitor 85 Prozent der Bevölkerung eher oder sehr zufrieden mit den politischen Mitbestimmungsmöglichkeiten in der Schweiz.