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Reform der Landwirtschaft vertagt
Der Coup des Bauernpräsidenten

Seinetwegen wird die Landwirtschaft noch eine Weile nicht reformiert: Markus Ritter, Präsident des Bauernverbandes.
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Noch am Mittwoch war es erst die Hoffnung auf einen Coup. Nun steht Nationalrat Markus Ritter (CVP) tatsächlich als Sieger da. Die Wirtschaftskommission des Ständerats will die Arbeiten am Reformpaket «Agrarpolitik ab 2022», kurz AP22+, sistieren, bis der Bundesrat in einem neuen Bericht einen «ganzheitlichen Ansatz» zur künftigen Agrarpolitik der Schweiz dargelegt hat. Der Schweizer Bauernverband, dessen Präsident Ritter ist, spricht von einer «Chance, die einseitige Agrarpolitik zu einer glaubwürdigen Ernährungspolitik umzubauen».

Die bürgerlich dominierte Kommission sieht in der aktuellen Vorlage des Bundesrats nur «negative Punkte», dazu gehört auch der prognostizierte Rückgang des Selbstversorgungsgrads. Das Verdikt ist nicht zuletzt eine Niederlage für Agrarminister Guy Parmelin (SVP). Der Bundesrat, so fordert der Bauernverband, solle nun aufzeigen, wie er eine ausreichende Inlandversorgung und eine Verbesserung der Nachhaltigkeit bei den importieren Nahrungsmitteln gewährleiste – und damit den vom Stimmvolk 2017 gutgeheissenen Verfassungsartikel zur Ernährungssicherheit umsetze.

«Das ist Arbeitsverweigerung auf dem Buckel der Umwelt.»

Regula Rytz, Nationalrätin Grüne

Der Ständerat wird in der Wintersession über den Sistierungsantrag befinden. Damit verzögert sich im Parlament die Entscheidung darüber, wie die Schweizer Landwirtschaft in Zukunft aussehen soll. Dieser Aufschub ist politisch insofern bedeutsam, weil im nächsten Frühjahr oder Sommer die Trinkwasserinitiative sowie die Initiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» zur Abstimmung kommen.

Die Agrarreform ihrerseits enthält nämlich auch eine Antwort auf die beiden Volksbegehren – in Form konkreter Massnahmen zur Reduktion von Nährstoffen und Pestiziden. So etwa sollen im ökologischen Leistungsnachweis (ÖLN) Pestizide mit erhöhtem Umweltrisiko nicht mehr zugelassen werden.

Folgen für Pestizidinitiativen

Mit dem jüngsten Beschluss der Wirtschaftskommission ist folgendes Szenario wahrscheinlicher geworden: Das Stimmvolk entscheidet 2021 über die beiden Volksinitiativen, ohne dass es weiss, ob das Parlament bei der Bekämpfung der Trinkwasser- und Bodenbelastung durch Pestizide die Schraube effektiv anzieht. Zwar behandelt das Parlament in den nächsten Monaten eine parlamentarische Initiative, welche die Pestizidfrage losgelöst von der Reform angeht. Allerdings sieht der Vorstoss im Kern nur vor, einen verbindlichen Absenkpfad für Pestizide zu definieren – weniger aber die Massnahmen, die zur Umsetzung nötig sind.

Ein Landwirt besprüht mit dem Traktor ein Feld, aufgenommen am 5. Arpil 2017 in Payerne, Kanton Waadt. (KEYSTONE/Gaetan Bally)

Vor diesem Hintergrund übt Grünen-Nationalrätin Regula Rytz scharfe Kritik: «Das ist Arbeitsverweigerung auf dem Buckel der Umwelt, der Bauernfamilien und der Konsumenten.» Industrie und Bauernverband würden die beiden Agrarinitiativen nicht mit Taten, sondern mit unverbindlichen Versprechen kontern. Nach der Volksabstimmung, so Rytz’ Befürchtung, werde alles wieder unter den Teppich gekehrt. «Verantwortungslos» sei das, findet Rytz.

Die «Arbeitsverweigerung», wie es Rytz nennt, könnte sich indes auch als Fallgrube entpuppen. «Die Weiterbewirtschaftung der politischen Untätigkeit im Parlament stärkt die Trinkwasser- und die Pestizidinitiative», zeigt sich Andreas Bosshard überzeugt, Geschäftsführer der Denkfabrik Vision Landwirtschaft. Wenn das Parlament nicht fähig sei, Probleme zu lösen, nehme irgendwann das Volk das Heft in die Hand.