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Meinung

Gastbeitrag zu Hochwasser und Hitzewellen
Es braucht eine neue Generation von Klimamodellen

Dank neuen, hochauflösenden Modellen sollen Extremereignisse besser abschätzbar werden: Überschwemmung bei Erftstadt in Deutschland.
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Modelle spielen in den Wetter- und Klimawissenschaften eine zentrale Rolle. Ohne Modelle wären robuste Wettervorhersagen über den morgigen Tag hinaus kaum möglich. Ohne Klimamodelle wüssten wir nur sehr beschränkt, was genau mit der Erderwärmung auf uns zukommt.

Nun braucht es eine neue Generation von Wetter- und Klimamodellen, welche die Prozesse in der Atmosphäre und in den Ozeanen deutlich höher auflösen. Dies erlaubt, insbesondere Stürme, Gewitter und Wolken global zu simulieren. Wir erhoffen uns davon zuverlässigere Wetterprognosen und präzisere Klimaprojektionen.

Natürlich drängen sich auch Fragen auf. Wissen wir nicht schon genug über den Klimawandel? Was bringt es, wenn die Wettervorhersage nochmals ein bisschen besser wird? Lohnt sich der enorme Aufwand?

Tatsächlich wissen wir bereits mit sehr hoher Sicherheit, dass der Mensch für den grössten Teil der beobachteten Erwärmung verantwortlich ist. Wir können den Zusammenhang zwischen CO2-Emissionen und Temperatur relativ genau abbilden und wissen, dass wir die CO2-Emissionen innerhalb der nächsten Jahrzehnte auf netto null reduzieren müssen, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. In diesen Punkten reicht unser Verständnis schon vollumfänglich aus, um klare politische Handlungsempfehlungen abzuleiten.

Werden tropische Wirbelstürme häufiger?

Bei vielen anderen Aspekten des Klimawandels stösst die Forschung aber an Grenzen. So verstehen wir nur sehr schlecht, wie sich Wetterlagen und Sturmsysteme künftig entwickeln werden, ob tropische Wirbelstürme häufiger werden und wie sich die Wolken und die Niederschläge verändern werden. Diese Grenzen haben viel damit zu tun, dass die heutigen Klimamodelle, überspitzt formuliert, in vielerlei Hinsicht schlicht zu unscharf sind. Sie bilden diese Phänomene und Prozesse ungenügend ab.

Wir sind daher überzeugt, dass unser breit abgestütztes Forschungsprojekt Exclaim eine wichtige Rolle spielt. Um Wetter und Klima besser zu verstehen und vorhersagen zu können, legen Modelle ein Gitter über die Erde und berechnen für jede Zelle den Zustand der Atmosphäre – auch für den Ozean. Je kleiner die Gitterzelle, desto höher ist die Auflösung. Bei der aktuellen Generation von globalen Klimamodellen liegt sie bei ungefähr 50 bis 100 Kilometern.

Damit lösen diese Modelle zentrale Prozesse in der Atmosphäre oder im Ozean nicht auf. Am offensichtlichsten ist das bei Wolken, Gewittern und Stürmen, also Prozessen, die auf der Skala von Kilometern stattfinden. So müssen wir den Einfluss dieser Prozesse nach wie vor indirekt über Parametrisierungen abschätzen. Dies führt zu Unsicherheiten, denn Wolken und Stürme sind nicht nur relevant fürs Wetter, sondern auch fürs Klima.

Es sind die Wetterextreme, die uns in einem sich wandelnden Klima am meisten zu schaffen machen werden.

Wenn wir also besser quantifizieren wollen, wie stark dereinst die Niederschläge ausfallen werden und wie die Wolken den Klimawandel beeinflussen, dann müssen wir die Dynamik dieser Prozesse auf der Basis der physikalischen Gesetze simulieren und nicht parametrisieren. Hier werden die hochaufgelösten Modelle einen Durchbruch bringen.

Dank der höheren Auflösung werden die Modelle den Blick auf die Zukunft schärfen. Das hilft uns erstens, genauere meteorologische Mittelwerte für die Zukunft zu bestimmen, also bessere Klimaprojektionen. Zweitens hilft es uns auch, zuverlässigere Informationen über die zukünftige Variation um diesen Mittelwert herum zu gewinnen, also über das Wetter der Zukunft. Und wie uns die Stürme, Gewitter und Überschwemmungen Mitte Juli vor Augen führten, sind es das Wetter und insbesondere dessen Extreme, die uns in einem sich wandelnden Klima am meisten zu schaffen machen werden.

Wir werden uns anpassen müssen

So helfen robustere Wetterprognosen und schärfere Klimasimulationen, Risiken für die Gesellschaft und ihre Infrastruktur zu verringern. Je genauer wir die Klimafolgen kennen, desto gezielter können wir uns anpassen. Denn um die Anpassung als zweiter Pfeiler der Klimastrategie kommen wir nicht herum. Selbst wenn wir das 2-Grad-Ziel erreichen, werden sich Länder wie die Schweiz deutlich stärker erwärmen; bis Ende Jahrhundert dürfte es hierzulande mehr als drei Grad Celsius wärmer sein als zur vorindustriellen Zeit.

Exclaim wird unter anderem eine hochaufgelöste Modellkonfiguration für den Alpenraum entwickeln, um etwa Extremereignisse wie Starkniederschläge, Dürren und Hitzewellen mit grösserer Sicherheit zu simulieren. Natürlich, auch solch neue Modelle werden an ihre Grenzen stossen. Indem sie uns aber elementare Vorgänge schärfer sehen lassen, können wir diese Modelle auch effektiver mit Beobachtungen validieren und so kontinuierlich verbessern. Davon profitiert nicht nur die Forschung, sondern auch die Gesellschaft.

Nicolas Gruber ist Professor für Umweltphysik an der ETH Zürich und Leiter des Projekts Exclaim.