Mega-Frachter blockiert SuezkanalWichtigstem Seeweg nach Europa droht tagelange Sperre
Das einst grösste Transportschiff der Welt ist im Kanal zwischen Asien und Europa auf Grund gelaufen. Die Befreiung verläuft schwierig – Folgen der Havarie zeigen sich jetzt schon.
Eines der grössten Containerschiffe der Welt hat sich im Suezkanal quer gestellt und blockiert die wichtige Transportverbindung zwischen Europa und Asien. Die unter panamaischer Flagge fahrende «Ever Given» sei am Dienstag etwa sechs Kilometer nördlich von Suez auf Grund gelaufen, teilten die ägyptischen Behörden am Mittwoch mit. Das knapp 400 Meter lange und 59 Meter breite Schiff stecke zwischen beiden Ufern des Kanals fest.
Schlepper versuchten am Mittwoch, das Hindernis aus dem Weg zu schaffen, während sich Schiffe aufreihten, die darauf warteten, den Kanal wieder passieren zu können. Dafür werde keine Anstrengung unversucht gelassen, sagte der Chef der Betreibergesellschaft Suez Canal Authority, Ossama Rabei.
Das Seefahrts- und Logistikunternehmen GAC erklärte, auf dem Containerschiff sei der Strom ausgefallen. Der Schiffsverwalter Bernhard Schulte Shipmanagement (BSM) bestritt das. Der Schiffsbetreiber Evergreen Marine aus Taiwan teilte der Nachrichtenagentur AP mit, die «Ever Given» sei von starkem Wind erfasst worden.
Ein ägyptischer Beamter äusserte sich ähnlich. BSM versicherte, die Mannschaft sei in Sicherheit, es habe keine Verletzten oder Umweltschäden gegeben. Container seien nicht über Bord gegangen.
Der Bug der «Ever Given» berührte die östliche Mauer des Kanals, wie aus Daten von MarineTraffic.com hervor ging. Ihr Heck schien an der Westmauer festzustecken. Auf Instagram wurden Bilder veröffentlicht, die einen Bagger zeigten, der offenbar versuchte, Sand unter dem Bug zu entfernen.
Am Mittwochmorgen teilte GAC mit, dass man daran arbeite, die Fracht vom Schiff zu befreien. Sowohl die Windverhältnisse als auch die Grösse des Frachters erschwerten diese Arbeiten jedoch. Acht Schlepperboote seien im Einsatz, um das festsitzende Schiff zu befreien, teilte die ägyptische Suezkanal-Behörde mit. Verletzte oder Umweltschäden habe es keine gegeben; Container seien nicht über Bord gegangen, heisst es weiter.
Auch für erfahrene Seeleute ist es kein Leichtes, einen 400 Meter langen Stahlriesen bei Strömung und Seitenwind durch die schmale Schifffahrtsrinne zu steuern. Der Wüstenwind kann hier mit stürmischen 40 oder 50 Knoten pro Stunde (ca. 74 km/h bis 92 km/h) über den Kanal fegen.
Der Frachter «Ever Given» hat eine Länge von 400 Metern und ist 59 Meter breit und gehört damit nach Expertenangaben zu den grössten Containerschiffen der Welt. Davon gebe es inzwischen jedoch mehrere. Gemessen an der maximalen Zahl der Container auf dem Schiff sei «Ever Given» nicht das grösste Schiff. Das 2018 gebaute Schiff ist aus China gekommen und war auf dem Weg nach Rotterdam in den Niederlanden.
Vergleich: Die «Ever Given» ist höher und viel länger als das Bundeshaus
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Mit dem Frachter wollten 15 weitere Schiffe in einem Konvoi den Kanal durchqueren. Auch diese Schiffe warten an Ankerplätzen auf eine Weiterfahrt. Experten rechnen mit riesigen Summen, die die Transportunternehmen durch die Blockade verlieren.
Es ist noch unklar, wann die Schifffahrtsstrasse wieder vollständig freigegeben werden könne. Laut eines ägyptischen Beamten könne dies jedoch mindestens zwei Tage dauern, um das Schiff zu befreien. Optimistischer äusserte sich die Kanalbehörde am Mittwochmittag: Man habe das Schiff teilweise wieder flottmachen können. Sobald der Frachter an eine andere Stelle im Kanal geschleppt werden kann, soll der Schiffsverkehr wieder aufgenommen werden.
Einfluss auf Handel
Die Havarie könnte sich nach Expertenansicht auf den Welthandel auswirken, denn der Suezkanal verkürzt die Schifffahrtswege zwischen Europa und Asien erheblich. Der Schiffsverkehr auf der engen ägyptischen Wasserstrasse stoppte am Dienstag. «Jeden Tag fahren durchschnittlich 50 Schiffe durch den Kanal», sagte der Historiker und Seehandelsexperte Salvatore Mercogliano von der Campbell University in North Carolina. Jeder Tag, den der Kanal geschlossen sei, bedeute, dass keine Nahrungsmittel, Industrieprodukte und kein Treibstoff geliefert werden könnten.
Kaspar Engeli, Direktor des Verbands Handel Schweiz, meinte zum Vorfall: «Die Frage ist, wie lange das dauert. Es sind nach unserer Information einige hundert Schiffe, die da jetzt am Weg aus Asien nach Europa stehen. Wenn die Blockade tagelang dauern sollte, können je nach Produkt Lieferverzögerungen entstehen. Das ist durchaus denkbar», sagte Engeli auf Anfrage.
Damit das gravierende Auswirkungen hat, müsse es aber schon mehrere Tage zum Stillstand kommen, so Engeli weiter. «Denn die Schiffe kalkulieren mit einem zeitlichen Puffer – je nach Wetter und Umwegen.» Die Alternativrouten seien schwierig: «Um Afrika herum dauert es mindestens eine Woche länger. Auf den Schiffen aus Asien nach Europa befindet sich alles - von Möbeln, Unterhaltungselektronik, Autos, Kleider bis hin zu Geschirr. In der umgekehrten Richtung sind es vor allem Maschinen oder pharmazeutische Produkte. Je nachdem, was exportiert wird, kann das auch kritisch sein, wenn es um fixe Zeiten geht.»
Ölpreise gestiegen
Der Stau hat Auswirkung auf die Ölpreise. Diese sind am Mittwoch gestiegen. Am Morgen kostete ein Barrel (159 Liter) Nordseeöl der Sorte Brent 61,63 US-Dollar. Das waren 84 Cent mehr als am Vortag. Der Preis für ein Fass amerikanisches Rohöl der Marke West Texas Intermediate (WTI) stieg um 62 Cent auf 58,38 Dollar.
Noch am Dienstag waren die Erdölpreise deutlich gefallen, auf den tiefsten Stand seit Anfang Februar. Ausschlaggebend waren Sorgen um die Rohölnachfrage aufgrund steigender Corona-Infektionen und neuer Beschränkungen vor allem in Europa. Beides lastet auf den konjunkturellen Aussichten. Am Mittwoch überwogen jedoch Angebotssorgen.
Die Wasserstrasse verbindet das Mittelmeer mit dem Roten Meer. Sowohl nördlich als auch südlich des Kanals bilden sich Staus von Dutzenden Containerschiffen. Durch den Kanal läuft ein erheblicher Teil der Energietransporte vom Mittleren Osten in Richtung Europa und USA. Etwa 10 Prozent des Welthandels verläuft über den Suezkanal. Betroffen sind in der Gegenrichtung auch Lieferungen aus der Nordsee nach Asien.
Vom Einbahn- zum Gegenverkehr
Der Suezkanal ist 163 Kilometer lang und wurde vor knapp 150 Jahren gebaut. Er erspart auf der Route von Europa nach Asien die Umfahrung Afrikas. Ein Grossteil der Waren zwischen den beiden Wirtschaftsräumen sowie des Öls aus den arabischen Staaten nach Europa wird über den Kanal transportiert.
2015 wurde einer neuer Kanalabschnitt eröffnet. Dies ermöglichte, dass täglich je ein Konvoi in beide Richtungen fährt. Beide Konvois können auf den jetzt parallelen Kanalabschnitten ohne Halt durchfahren.
Für den Ausbau hatte Präsident Abdel Fattah al-Sisi das Geld bei den Ägyptern eingesammelt, ausschliesslich Zehn Pfund war die kleinste Stückelung der Anteilsscheine, 1,15 Euro, sodass nicht nur die Oberschicht sie zeichnen konnte. In acht Tagen hatte die Nationalbank die nötigen 8,4 Milliarden Dollar zusammen. Vielleicht trugen neben dem Patriotismus auch die zwölf Prozent Zinsen dazu bei.
Nichts ist so eng verwoben mit der Identität der Nation wie der Suezkanal. Fast jeder Ägypter kennt die Geschichte – genauer: die ägyptische Version davon. Mit dem Kanal hatte einst Ägyptens Niedergang begonnen. Denn der Khedive Ismail Pasha trieb das Land mit dem Bau und der pompösen Eröffnung in den Ruin. Das schmälert nicht den Stolz auf die Leistung, für die Zehntausende Ägypter ihr Leben liessen, aber der Vizekönig musste bald seine Anteile an der Kanalgesellschaft verkaufen. Die Schulden, die er anhäufte, nahmen Briten und Franzosen zum Vorwand, Ägypten faktisch zur Kolonie zu machen.
Nicht der erste Vorfall mit der «Ever Given»
Bereits vor zwei Jahren sorgte der Frachter für Schlagzeilen. Am 9. Februar 2019 zerstörte das Schiff ein 25 Meter langes Fährboot nahe dem Hamburger Hafen. Auch damals sollen starke Winde das Schiff vom Kurs abgebracht haben. Zwei Minuten nach der Kollision wurde wegen starker Winde sogar ein Fahrverbot auf der Elbe verhängt.
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