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Italiens Regierungskrise
Renzi opfert seine Ministerinnen

Ewige Rivalen: Italiens Ex-Premier Matteo Renzi (links) und der amtierende Regierungschef Giuseppe Conte. 
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Matteo Renzi setzt ein Zeichen, bricht aber nicht total mit der Regierung. Italiens ehemaliger Premier hat am Mittwochabend bekannt gegeben, dass die zwei Ministerinnen seiner Partei Italia Viva, Teresa Bellanova und Elena Bonetti, sich aus dem Kabinett zurückziehen. «Als Geste der Courage», sagte Renzi. Besser hätte wohl der Begriff «Opfer» gepasst, eines, das sich allerdings durchaus noch rückgängig machen lässt – je nach Entwicklung in den kommenden Tagen.

Rein formal eröffnete Renzi damit nach wochenlangem Gezänk eine Regierungskrise, mitten in der zweiten Welle der Pandemie, ohne dass klar wäre, wie man daraus wieder herausfinden könnte. Die 18 Senatoren und 30 Abgeordneten von Italia Viva sind zentral für das politische Überleben von Giuseppe Conte, dem amtierenden Regierungschef, und seinem Bündnis aus Cinque Stelle und den Sozialdemokraten vom Partito Democratico. Ohne «Renziani» hat Conte keine Mehrheit mehr im Parlament.

Renzi nennt Contes Regierungsstil eine «Realityshow».

Das seien «schwierige Momente», sagte Renzi bei seinem Auftritt vor den Medien. Er fühle aber eine innere Verantwortung, dieser «Realityshow mit Tweets und Posts und Liveschaltungen» ein Ende zu bereiten. Er meinte damit die Art und Weise, wie Conte seit einigen Monaten regiert. Die Demokratie kenne Liturgien, die müsse man respektieren – «auch während einer Pandemie».

Dennoch: Renzi öffnet die Türe für eine Verlängerung der Verhandlungen. Sogar für einen festen Pakt für den Rest der Legislaturperiode, also bis 2023, könnte er sich gewinnen lassen, so es denn eine Verständigung gebe zu einer neuen, inklusiveren Regierungsmethodik und zum grossen Wiederaufbauplan. Er habe nichts gegen Conte, der könne weiterregieren, wenn man sich auf die Maximen einige. Aber stimmt das auch?

Duell der Unversöhnlichen

Nun, viele Italiener regen sich auf über diese Wirren im Palazzo. Gemäss Umfragen versteht jeder zweite Italiener nicht, warum ausgerechnet in dieser Phase gestritten wird, und sie strafen dafür Renzi stärker ab als Conte. Der Florentiner hatte den Konflikt ja auch begonnen, Anfang Dezember schon, und da keiner der Duellanten nachgeben wollte, raste man gemeinsam auf dieses trübe Finale zu. Selbst wenn sich das Zerwürfnis noch reparieren liesse, was nach allen Vorkommnissen schwierig erscheint, wäre es ein Wunder, wenn die beiden jemals einigermassen harmonisch miteinander regieren könnten – so, wie das nötig wäre.

Renzi wirft Conte vor, er habe keine Vision für die Zukunft des Landes, für den Einsatz der über 200 Milliarden Euro aus dem Recovery Fund der Europäischen Union, er sei nicht gemacht für diesen Job. Darin schwingt natürlich mit, dass er, Renzi, das viel besser könnte. Er nennt ihn auch ständig «Professore» und nicht «Presidente», was zwar nicht falsch ist: Anwalt Conte war vor seinem überraschenden Wechsel in die Politik im Sommer 2018 Rechtsprofessor. Doch wenn Renzi «Professore» sagt, meint er: Conte kann ja wieder zurück an die Uni und dozieren.

Von Conte wiederum hört man, er halte Renzi für politisch erledigt: «Wir wissen doch alle, dass er ausserhalb des Parlaments nichts mehr zählt», solle Conte neulich zu Alliierten gesagt haben, rapportiert der «Corriere della Sera». In den Umfragen zur Gunst im Volk steht Conte bei etwa 55 Prozent, Renzi bei 10 Prozent. Italia Vivas Wahlaussichten werden auf 3 Prozent geschätzt.

Diese Gemengelage sollte Renzi eigentlich davon abhalten, allzu hoch zu pokern. Aber tut er das wirklich? Vorgezogene Neuwahlen, wie sie nötig würden, wenn sich überhaupt keine neue Mehrheit im Parlament finden liesse, sind höchst unwahrscheinlich. Wahlen im März, lange bevor die Bevölkerung geimpft ist? Unvorstellbar.

Drei Szenarien für die Zukunft

Und so fragt sich, wie eine neue Regierung aussehen könnte. Szenarien gibt es viele. Conte träumte davon, dass er die 18 Stimmen von Italia Viva im Senat mit mindestens ebenso vielen «costruttori» oder «responsabili» ersetzen könnte, von «Erbauern» oder «Verantwortungsvollen» aus der Opposition – mit Überläufern also, böse Zungen nennen sie Wendehälse. Das ist nicht hübsch, kommt aber immer wieder vor in der italienischen Politik. Doch offenbar konnte Conte nicht genügend Helfer finden. Renzis Wunschszenario würde so gehen: Conte wird durch einen anderen Premier ersetzt, das Bündnis aber bleibt das alte, mit Italia Viva. Doch dass die Cinque Stelle, die Conte für einen der Ihren halten, dazu einwilligen, ist schon sehr fraglich.

Mehr Aussicht hätte in diesem Fall ein sogenannt technisches Kabinett mit einer prominenten und parteilosen Figur an der Spitze, das für eine beschränkte Zeit im Amt wäre und von einer breiten Mehrheit getragen würde – für die Bewältigung der Krise und für die Definition des Wiederaufbauplans. Für diesen Fall werden immer wieder dieselben drei Namen gehandelt: Mario Draghi, früher Präsident der Europäischen Zentralbank, Carlo Cottarelli, Ökonom, und Marta Cartabia, die ehemalige Präsidentin des Verfassungsgerichts. Aber das sind erst Gedankenspiele, der Showdown läuft noch etwas weiter.