Prämienschock und MietaufschlägeRentner verlieren eine Monatsrente, kritisieren die Gewerkschaften
AHV-Bezüger verlieren innert vier Jahren acht Prozent an Kaufkraft, wie der Gewerkschaftsbund errechnet hat. Der Grund liegt bei der Inflation – und wo noch?
Die höheren Mieten, die allgemeine Teuerung sowie die stark steigenden Krankenkassenprämien belasten Haushalte mit geringen Einkommen erheblich. Zu diesen gehören viele Rentnerhaushalte. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) hat deshalb ausgerechnet, wie sich die Teuerungswelle auf die Einkommen der Rentnerinnen und Rentner auswirkt – und zwar im Zeitraum von 2021 bis 2024.
Alleinstehende Rentenbezüger erleiden gemäss SGB in diesen vier Jahren einen Kaufkraftverlust von durchschnittlich insgesamt 293 Franken pro Monat, Ehepaare von 457 Franken. Das entspricht einer Einbusse von 8 Prozent bezogen auf das durchschnittliche Renteneinkommen aus der 1. und der 2. Säule. Ein achtprozentiger Verlust entspricht aufs Jahr betrachtet ungefähr einer Monatsrente, die für Alleinstehende durchschnittlich rund 3600 Franken und für Paare 5900 Franken beträgt (1. und 2. Säule).
Gewerkschaften fordern 13. AHV-Rente
Die Berechnungen des SGB stützen sich auf die Haushaltsbudget-Erhebung des Bundesamts für Statistik. Dort werden die Einnahmen und Ausgaben der über 65-Jährigen im Detail aufgeführt. Die einzelnen Ausgabeposten hat der SGB der Teuerung seit der letzten Erhebung von 2017 angepasst. Von 2017 bis 2021 betrug diese 1,3 Prozent. 2022 gab es einen Teuerungsschub von 2,8 Prozent, für 2023 rechnet der SGB mit einer Inflation von 2,2 Prozent und für 2024 mit 2,0 Prozent. Ins Geld geht aber auch die Krankenversicherung, deren Prämien allein auf 2023 um 6,6 Prozent aufschlugen. Für 2024 geht der SGB aufgrund der aktuellen Prognosen von 6 Prozent aus. Schliesslich schlagen die Mieten diesen Herbst um 6 bis 7 Prozent auf, sofern der Vermieter die Miete bisher immer dem Referenzzinssatz angepasst hat und nun aufgrund des gestiegenen Zinssatzes eine Anpassung nach oben vornimmt.
Ein Problem sieht der SGB bei der verzögerten Anpassung der Renten an die Teuerung und die Wirtschaftsentwicklung. Zwar wurden die AHV-Renten auf 2023 um 2,2 Prozent erhöht, was jedoch nicht der vollen Teuerung entspricht. Die Renten werden gemäss dem sogenannten Mischindex angepasst, der sowohl Teuerung wie Wirtschaftsentwicklung berücksichtigt. Eine Erhöhung wird erst wieder vorgenommen, wenn der Anpassungsbedarf 4 Prozent erreicht. Diese Schwelle dürfte im Laufe des nächsten Jahres überschritten werden, weshalb die nächste Anpassung auf 2025 erfolgen dürfte.
Für SGB-Chefökonom Daniel Lampart macht der Kaufkraftverlust deutlich, dass es eine generelle Erhöhung der AHV-Renten brauche. Eine solche fordert der SGB mit seiner Initiative für eine 13. AHV-Rente, über die das Volk im März 2024 abstimmt. «Allerdings würde die 13. AHV-Rente nun bloss den erlittenen Kaufkraftverlust ausgleichen», sagt Lampart.
Der Kaufkraftverlust wird bei der AHV zumindest teilweise über den Mischindex ausgeglichen, jedoch mit einer zeitlichen Verzögerung frühestens 2025.
Kritisch sieht der SGB vor allem die Entwicklung der Pensionskassenrenten. Dort ist es den einzelnen Vorsorgeeinrichtungen überlassen, wann und ob sie einen Teuerungsausgleich ausrichten. Mehrheitlich gehen die Rentnerinnen und Rentner leer aus. «Die Renten der zweiten Säule bleiben nominal unverändert und verlieren deshalb real an Wert», sagt Lampart.
Arbeitgeber: Wenige Rentner armutsgefährdet
Beim Schweizerischen Arbeitgeberverband kommen die Forderungen der Gewerkschaften schlecht an. Eine 13. AHV-Rente würde die finanzielle Lage der AHV weiter verschärfen und nichts zur nachhaltigen Lösung der steigenden Krankenkassenprämien beitragen, sagt Roger Riemer, stellvertretender Leiter des Ressorts Sozialpolitik und Sozialversicherungen.
Von der Teuerung und den hohen Krankenkassenprämien sei die gesamte Bevölkerung gleichermassen betroffen. Es sei deshalb wenig zielführend, die Situation der Rentenbezüger gesondert zu betrachten. Zudem müsse die Entwicklung der Kaufkraft über einen längeren Zeitraum verfolgt werden. So sei die Teuerung von 2010 bis 2020 im Schnitt leicht negativ gewesen und deshalb die Kaufkraft leicht angestiegen. Schliesslich sei nur ein kleiner Personenkreis im Alter armutsgefährdet, und dieser werde gezielt mit Ergänzungsleistungen unterstützt.
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