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Meinung

Kolumne «Schweizer Herzfrequenzen»
Glauben Sie an Gott?

Sunlight through cypriot archways. Silhouette of graveyard crosses on brick wall during sunset. West Brompton Cemetery, London, UK.
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Gehören Sie auch zu denen, die sich von ihren konfessionellen Fesseln befreien? Die nicht mehr beten? Die zwar Gotteshäuser bewundern, ihnen aber ansonsten den Rücken kehren? Würden Sie sich selbst überhaupt als religiös bezeichnen? Als einen Menschen, der an Gott oder etwas Göttliches glaubt? Wenn ja, dann stehen Sie damit allen Unkenrufen zum Trotz noch immer nicht allein da.

Unter Religiosität versteht man die persönlichen Handlungen, Erfahrungen, Überzeugungen, Werte, Identifikationen und Emotionen, die eine Religion widerspiegeln. Dabei geht es vor allem um das innere Erleben und Verarbeiten einer Glaubenslehre, die auf übernatürliche Ereignisse wie beispielsweise einen Gott ausgerichtet ist, mit dem der Mensch in Kontakt tritt, um Probleme zu bewältigen.

Keine Religion kann mit Konfessionslosen mithalten

Religiöse Aspekte haben in den letzten 30 Jahren in den Augen der Menschen deutlich an Boden verloren. Während heute noch weit über 90 Prozent beispielsweise Familie, Freunde, Freizeit oder Arbeit als wichtig für ihr tägliches Leben bezeichnen, bescheinigt dies nur noch knapp ein Drittel der Schweizer Bevölkerung der Religion. Selbst der Politik wird inzwischen von vielen ein höheres Gewicht im Alltag beigemessen.

Die zersetzende Kraft der Säkularisierung zeigt sich besonders deutlich am wachsenden Anteil der Schweizer Konfessionslosen, der in den letzten 50 Jahren von einem auf über 30 Prozent gestiegen ist. Bei den Ausländerinnen und Ausländern sind es sogar fast 40 Prozent.

Keiner der Glaubensrichtungen gelingt es heute mehr, hier mitzuhalten und Menschen in ähnlicher Grössenordnung zu mobilisieren. Missbrauchsskandale befeuern diese Entwicklung zusätzlich. Aber Vorsicht: Religiosität erschöpft sich nicht in der Frage der Religionszugehörigkeit, sondern umfasst auch Facetten religiöser Identität und religiöser Praxis.

Fast 40 Prozent der Schweizer beten einmal pro Monat

Obschon auch hier nur rund 16 Prozent der Schweizer Bevölkerung bekennen, mindestens einmal im Monat einen Gottesdienst zu besuchen, geben beinahe 40 Prozent an, ebenso häufig zu beten. Und noch mehr Menschen bezeichnen sich als religiös oder berichten, an Gott zu glauben. Etwa die Hälfte bekennt sich zu Ersterem, mehr als zwei Drittel zu Letzterem.

Und während all diese religiösen Aspekte in den meisten skandinavischen Ländern weniger stark ausgeprägt sind, kommen sie in Süd- und Westeuropa noch relativ häufig vor. Nichtsdestotrotz deuten die Zahlen des Schweizer-Haushalts-Panels für die letzten Jahrzehnte darauf hin, dass auch hierzulande religiöse Identitäten zusehends verblassen und religiöse Praktiken aus der Mode kommen. Kurzum: Wir bewegen uns eher gen Norden als nach Süden oder Osten.

Eigene Auswertungen für die Schweiz zeigen zudem, dass Frauen tendenziell eher an Gott glauben und sich als religiös bezeichnen als Männer. Wer sich darüber hinaus als extravertiert und verträglich einschätzt und sich politisch eher im bürgerlichen Spektrum verortet, neigt eher zum Gottesglauben. Hiesige Menschen tendieren auch eher dazu, sich einem Gott anzuvertrauen, wenn sie älter werden und ihre finanziellen Mittel begrenzt sind.

Unbestritten ist: Religionen können stark integrierend wirken, aber auch Auslöser von Konflikten und gewalttätigen Auseinandersetzungen sein. In der Schweiz scheint der Fall aber klar: Wer sich hier als religiös bezeichnet, ist politisch interessiert, vertraut seinen Mitmenschen und den politischen Institutionen, engagiert sich für die Gemeinschaft und ist parteipolitisch weniger polarisiert. Eine Erosion der Religiosität dürfte daher langfristig den gesellschaftlichen und politischen Kitt hierzulande brüchiger machen. Die schleichende Loslösung vom Jenseits bleibt wohl nicht ohne spürbare Folgen fürs Diesseits.