Religion und PolitikAlle berufen sich auf Gott – wie arrogant!
Ob Donald Trump, Papst Urban oder die Bischöfin von Washington: Den Allmächtigen für die eigene Idee zu instrumentalisieren, hat lange Tradition.
Donald Trump wurde bei einer Wahlveranstaltung angeschossen. Jetzt weiss er sicher: Gott ist definitiv auf meiner Seite. Der Allmächtige habe ihn vor dem Tod bewahrt, damit er Amerika wieder grossartig machen könne, ist der amerikanische Präsident überzeugt. Trump ist kein zweiter Hitler. Doch was ihre Beziehung zu Gott betrifft, marschieren beide im Gleichschritt. Auch Hitler sah sich als Instrument der Vorsehung Gottes. In seinem Namen sollte er als Führer das deutsche Volk zur Weltherrschaft bringen.
Noch eine prominente Person hat jüngst Gott in Anspruch genommen. Mariann Budde, die Bischöfin von Washington, beschwor in der National Cathedral Donald Trump: «Im Namen Gottes bitte ich Sie, sich der Menschen in unserem Land zu erbarmen, die Angst haben.» Die Bischöfin war mutig, ganz der Menschlichkeit verpflichtet. Ihr Appell im Namen Gottes ist dennoch brisant.
Wie kann es sein, dass Präsident Trump und Bischöfin Budde genau wissen, was Gott will?
Gott für die eigene Idee zu instrumentalisieren, hat eine lange Tradition. Papst Urban II. rief im Jahre 1095 zum 1. Kreuzzug auf. Das Volk quittierte seinen Aufruf mit dem Schlachtruf «Deus lo vult», Gott will es. Geendet hat dieser Kreuzzug mit einem entsetzlichen Gemetzel in Jerusalem.
Das Beispiel zeigt, wie gefährlich es ist, Gott für die eigene Idee oder für irgendeine Politik vor den Karren zu spannen. Mehr noch: Es liegt nicht in der Kompetenz der Menschen, im Namen Gottes zu sprechen oder zu handeln. Kein Mensch kann wissen, wer Gott ist, wie er handelt, was er will. Ist er ein Mann? Ist sie eine Frau? Oder eine queere Person? Jede Aussage über Gott engt ihn ein. Der Mensch erhebt sich über Gott. Der Manipulation sind Tür und Tor geöffnet.
Vielleicht wusste selbst Jesus nicht, wer Gott ist
Johannes, einer der Autoren der Bibel, schränkt immerhin ein: «Nur der einzige Sohn, der ganz eng mit dem Vater verbunden ist, hat uns gezeigt, wer Gott ist.» Ich widerspreche dem Evangelisten Johannes und gehe davon aus, dass auch Jesus nicht wusste, wer Gott ist. Falls der Mann aus Nazareth nichts anderes als ein Mensch war, lebte er unter Bedingungen wie jeder Mensch.
Ein Maximum an Arroganz zeigt sich in der Präambel unserer Bundesverfasssung. Das Schweizer Volk und die Kantone wollen «Im Namen Gottes, des Allmächtigen» ihr Zusammenleben im Land gestalten. Haben die Verfasser der Präambel mit Gott gesprochen?
Ganz anders erscheint «Gott», wenn er als Symbol verstanden wird. Als solches relativiert er alle Machtgelüste irdischer Potentaten. So verstanden, wäre «Gott» in der Präambel geradezu ein Leuchtturm. Denn weder ein Donald Trump noch eine Bischöfin Budde sind Stellvertreter Gottes auf Erden. Das hat selbst der Vatikan begriffen. Laut einer Tradition aus dem 16. Jahrhundert ruft der Zeremonienmeister bei einer Papstkrönung dem neuen Pontifex in Erinnerung, wie vergänglich seine Herrschaft über die Weltkirche sein wird: «Sic transit gloria mundi».
Objektive Aussagen über Gott sind unmöglich. Was bleibt denn noch übrig? Es bleibt ganz Wesentliches, das Bemühen nämlich, auf dieser Erde am Aufbau menschenwürdiger Verhältnisse mitzuarbeiten. «Gott» spielt dabei eine zentrale Rolle, nicht als Person im Jenseits, sondern in der erfahrbaren Welt als Symbol für alle Vorläufigkeit menschlichen Tuns.
Josef Hochstrasser ist reformierter Pfarrer.
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