Zeitung «Le Temps» vor VerkaufReiche Genfer greifen nach dem Traditionsblatt der Romandie
Der Deal soll demnächst bekannt gemacht werden. Angedacht ist auch ein Umzug der Redaktion von Lausanne nach Genf.
Die Verhandlungen laufen seit Monaten. Darüber spekuliert wird seit Wochen. Den Kaufvertrag hat ein Lausanner Anwalt längst aufgesetzt. Und nun verdichten sich die Zeichen, dass der Medienkonzern Ringier und eine Käufergruppe sich über den Verkauf der Westschweizer Zeitung «Le Temps» geeinigt haben.
Wie Recherchen zeigen, werden die Parteien in den kommenden Tagen einen Deal präsentieren. Uneinigkeit bestand zuletzt lediglich in der Frage, wie lange und zu welchem Preis die neuen Besitzer auf Verlagsdienstleistungen wie Anzeigenverkauf, Marketing und Aboverwaltung zurückgreifen müssen, die Ringier weiter anbieten will.
Rolex-Stiftung und mehrere Bankiers
Bei den Kaufinteressenten handelt es sich um die Genfer Stiftung Aventinus und mehrere Genfer Privatbankiers. Präsidiert wird die Stiftung Aventinus vom ehemaligen Genfer FDP-Regierungsrat François Longchamp. Das Stiftungskapital stellten bislang die Rolex-Stiftung Hans Wilsdorf, die Stiftung Leenaards und die Stiftung Jan Michalski zur Verfügung. Auch mehrere Genfer Bankiers wollen in den Zeitungskauf investieren, darunter Ivan Pictet. Eine Anfrage dieser Zeitung liess Pictet unbeantwortet.
Am Verhandlungstisch sassen für die Käuferseite François Longchamp und Eric Hoesli, ehemaliger Chefredaktor von «Le Temps» und langjähriger Verlagsdirektor von Tamedia Westschweiz. Die Interessen von Ringier hat Geschäftsleitungsmitglied Alexander Theobald vertreten. Bei Ringier wollte man keine Fragen zum allfälligen Verkauf beantworten. «Wir bitten um Verständnis, dass wir Branchengerüchte nicht kommentieren», schrieb eine Sprecherin.
Eric Hoesli ist Projektchef und soll als künftiger Verwaltungsratspräsident vorgesehen sein. Der Waadtländer ist in der Medienbranche nicht unumstritten. Die «Neue Zürcher Zeitung» schrieb jüngst über Hoesli: «Insbesondere Hoeslis Nähe zum milliardenschweren Geschäftsmann Frederik Paulsen macht ihn unter Westschweizer Journalisten zur umstrittenen Person, und es wäre denkbar, dass seine Rolle bei ‹Le Temps› Abgänge zur Folge hätte.» In der Rolle des Geschäftsführers soll Tibère Adler wirken, der in dieser Position einst beim Lausanner Zeitungsverlag Edipresse tätig war und heute Geschäftsführer und Co-Gründer der Onlinezeitung «Heidi News» ist.
Und dann die Fusion mit «Heidi News»?
An «Heidi News» ist die Stiftung Aventinus bereits beteiligt. Im Dezember 2019 gab die Stiftung bekannt, eine halbe Million Franken in die Gesellschaft Heidi News SA zu investieren. Aktuell hält die Stiftung 6 Prozent der Aktien. Das Ziel von Aventinus ist, die Medien und den Qualitätsjournalismus in der Westschweiz zu stimulieren und zu unterstützen.
Dabei soll auch der Medienstandort Genf gestärkt werden. Ein mögliches Szenario ist gemäss Recherchen, dass Aventinus parallel zu «Le Temps» auch «Heidi News» vollständig übernimmt und die beiden Redaktionen in Genf zusammenführt. Offen ist, was die neue Rolle von Serge Michel, Gründer, Chefredaktor und Mitbesitzer von «Heidi News», sein wird.
Auch die künftige Rolle von «Le Temps»-Chefredaktor Stéphane Benoit-Godet ist ungeklärt. 2019 wies dessen Zeitung noch einen Gewinn aus, doch die Corona-Krise hat ihre finanzielle Situation verändert. Im Onlinegeschäft hat «Le Temps» in den letzten Jahren zugelegt.
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