Steueraffäre um Valérie DittliRegierungsrätin zahlte ihre Steuern in Zug statt in der Waadt
In Lausanne lebte und arbeitete die heute 30-jährige Waadtländer Finanzdirektorin Valérie Dittli jahrelang, ohne einen Franken Steuern zu entrichten. Die Zugerin verteidigt sich.
Seit acht Monaten ist die Waadtländer Finanzdirektorin Valérie Dittli (Die Mitte) im Amt. Und bereits wird sie zum Rücktritt aufgefordert. Der Grund: Dittli zahlte vor ihrer Wahl in die Kantonsregierung im Kanton Zug und nicht im Kanton Waadt Steuern, obwohl sie seit 2016 in Lausanne lebte, arbeitete und auch das Präsidium der Mitte-Partei führte. Das haben Recherchen des Westschweizer Radios RTS ergeben.
Gemäss RTS hatte Dittli im Jahr 2021 ihre Papiere nach Lausanne verlegt, aber lediglich, um als Stadträtin zu kandidieren. In die Stadtregierung schaffte sie es jedoch nicht. Also verlegte sie ihre Papiere zurück in die Heimat ihrer Eltern, um sie dann 2022 erneut in Lausanne zu deponieren – diesmal wegen ihrer Kandidatur für die Kantonsregierung. Überraschend schaffte sie die Wahl in einer bürgerlichen Allianz mit FDP und SVP.
Heute stellt sich die Frage: Hat die 30-jährige Finanzdirektorin angesichts ihres beruflichen und politischen Engagements in der Waadt rechtmässig gehandelt? Oder hat sie allenfalls die Steuerverwaltung geprellt, deren Chefin sie heute ist?
Die SP Waadt will Dittlis Steuerfall aufklären lassen und wird im Kantonsrat einen entsprechenden Vorstoss einreichen. Dittli selbst weist jegliche Anschuldigungen zurück und verweist auf ihre Privatsphäre. In der RTS-Nachrichtensendung «Forum» sagte sie am Freitag, sie habe ab 2016 ihre Doktorarbeit für die Universität Lausanne hauptsächlich zu Hause im Kanton Zug geschrieben. Später habe sie einen juristischen Kommentar übersetzt und darum oft in einer Bibliothek der Universität Zürich gearbeitet. Als sie später ein Anwaltspraktikum in Bern begann, betrug ihr Monatslohn gemäss eigenen Angaben 1700 Franken. Im Kanton Zug habe sie für dieses tiefe Salär mehr Steuern bezahlen müssen, als dies im Kanton Waadt der Fall gewesen wäre, so Dittli. In der Waadt hätte sie also sogar Geld sparen können.
Doch die RTS-Journalisten gehen davon aus, dass sie für ihre vierjährige Doktorarbeit ein durchschnittliches Monatsgehalt von 4500 Franken bezog und damit in Zug bis zu 20'000 Franken gespart hat im Vergleich zum Kanton Waadt.
Dittli wiederum betont, sie zahle derzeit ihre monatliche Steuerbeträge für das Steuerjahr 2023 und sei gerade dabei, ihre Steuererklärung einzureichen. Zudem sagte sie in der Radiosendung «Forum» über die Jahre ab 2016: «Wir sprechen über mein Leben als Studentin, Doktorandin, Praktikantin, in einem Alter, in dem man sich noch sucht, in dem alles offen ist».
Vertreter von SVP und FDP eilen der Mitte-Frau zu Hilfe
Valérie Dittli hatte das Amt als Finanzdirektorin am 1. Juli 2022 von Pascal Broulis übernommen, der in seiner letzten Amtszeit seinerseits wegen einer Steueraffäre unter Druck gekommen war. Diese Zeitung deckte unter anderem auf, dass Broulis in der Gemeinde Sainte-Croix Steuern zahlte, obwohl er in Lausanne lebte. Mit der Wahl von Valérie Dittli in den Staatsrat stellen die bürgerlichen Parteien in der Waadtländer Regierung die Mehrheit. Dieselben Mehrheitsverhältnisse herrschen auch im Parlament. Solange die bürgerliche Allianz zwischen FDP, Mitte und SVP hält, haben Rücktrittsforderungen an Dittli ein eher geringes Gewicht.
Vertreter von SVP und FDP sind der Mitte-Frau bereits zu Hilfe geeilt. «Von Steueroptimierung zu sprechen, ist unangebracht», schrieb der Waadtländer FDP-Kantonsrat und langjährige Parteipräsident Marc-Olivier Buffat auf Twitter. Er sei sich sicher, dass Dittli nicht anders gehandelt hätte, wenn ihre Eltern im Jura oder in Basel-Stadt leben würden. Und auch der Waadtländer SVP-Präsident Kevin Grangier stärkt ihr den Rücken. Der Zeitung «Le Matin Dimanche» sagte er: «Eine Finanzministerin, die in ihrem Kanton keinen Rappen Steuern bezahlt hat, ist in der Tat komisch, aber ich kann hier keine böswillige Absicht feststellen. Sie war Studentin und hatte kein steuerrelevantes Einkommen.»
Fehler gefunden?Jetzt melden.