Reform der HinterlassenenrentenBundesrat will nur noch halb so viel Geld für Witwenrenten ausgeben
Witwen sollen künftig keine lebenslange Rente mehr erhalten. Der Bundesrat möchte einen Grossteil dieser Gelder sparen und auch laufende Renten streichen.
Der Bundesrat nutzt die Reform der Witwen- und Witwerrenten, um viel Geld zu sparen – sowohl bei der AHV als auch bei der allgemeinen Bundeskasse. Zum Handeln gezwungen hat ihn ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieses hielt vor gut einem Jahr fest, die Schweiz diskriminiere Männer, weil sie Witwer schlechter behandle als Witwen.
Nun will der Bundesrat die Regeln wie von den Strassburger Richtern geheissen so anpassen, dass Witwen und Witwer gleichgestellt werden. Wer allerdings geglaubt hat, die Witwer erhielten künftig dieselben Rechte wie heute die Witwen, hat sich getäuscht. Zwar sieht der Gesetzesentwurf des Bundesrats einige Verbesserungen für Witwer vor. In erster Linie reduziert er aber die Ansprüche der Witwen.
Über 700 Millionen Franken einsparen
Dies ermöglicht ab dem Jahr 2035 Einsparungen von jährlich 720 Millionen Franken. Ab 2040 lässt sich mit der Reform gar eine Milliarde Franken pro Jahr einsparen. Das entspricht etwa der Hälfte der Gelder, die heute für die Witwen und Witwer ausgegeben werden. Auch die Bundeskasse lässt sich so entlasten. Karin Keller-Sutter kann per 2035 mit einem Sparbeitrag von 160 Millionen rechnen.
Doch was ändert sich konkret? Der Bundesrat will die Witwen- und Witwerrenten konsequent auf jene Zeit ausrichten, in der die Hinterlassenen ihre Kinder betreuen. Bisher war das anders. Heute erhalten Witwen auch dann eine Rente, wenn ihre Kinder bereits erwachsen sind. Mehr noch: Selbst wenn eine Witwe gar nie Kinder hatte, hat sie Anspruch auf das Geld. Bedingung dafür ist, dass sie beim Tod des Partners mindestens 45 Jahre alt war. Neu soll es nur noch in folgenden Fällen eine Hinterlassenenrente geben:
Bei Kindern unter 25 Jahren
Bis zum 25. Geburtstag des jüngsten Kindes erhält der überlebende Elternteil – egal ob Mann oder Frau, egal ob verheiratet oder nicht – eine Hinterlassenenrente, nachdem der andere Elternteil gestorben ist. Wird ein erwachsenes Kind mit Behinderung betreut, kann die Rente auch über das 25. Altersjahr hinaus ausbezahlt werden.
Zwei Jahre lang Übergangsrente
Sind keine Kinder bis 25 Jahre zu betreuen, geht der Bundesrat davon aus, dass Witwen und Witwer selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen können. Es könne allerdings eine gewisse Zeit dauern, das bisherige Leben anzupassen. Er sieht daher für zwei Jahre eine Übergangsrente vor.
Ab 58 Jahren bei Armut
Sind Witwen und Witwer bereits 58 Jahre alt und aufgrund des Todes des Partners armutsgefährdet, können sie im Rahmen der Ergänzungsleistungen unterstützt werden.
All dies gilt bei Verwitwungen nach Inkrafttreten der neuen Regeln. Der Bundesrat rechnet damit, dass das neue Regime per Anfang 2026 eingeführt werden kann.
Aber auch die heute bereits laufenden Renten sind nicht garantiert. Wer bei der Einführung der Reform unter 55 Jahre alt ist, soll nur noch zwei Jahre lang in den Genuss der Hinterlassenenrente kommen, falls nach den neuen Regeln kein Anspruch mehr besteht. Für über 55-jährige Witwen und Witwer ändert sich dagegen nichts. Für jene, die Ergänzungsleistungen beziehen, soll dies bereits ab dem 50. Geburtstag gelten.
«Sozialpolitischer Kahlschlag»
Die bundesrätliche Vorlage geht jetzt bis Ende März 2024 in die Vernehmlassung. Die SP hat bereits Protest angekündigt. Statt die Renten der Witwer auf das Niveau der Witwenrenten zu heben, korrigiere der Bundesrat Letztere nach unten. Die SP werde diesen «sozialpolitischen Kahlschlag» bekämpfen, um die Kaufkraft der Betroffenen zu erhalten. SP-Nationalrätin Barbara Gysi empört insbesondere, dass der Bundesrat auch laufende Witwenrenten streichen will: «Fällt eine Rente nach vielen Jahren einfach so weg, kann dies für schlechtergestellte Frauen fatal sein.»
Auch der Schweizerische Gewerkschaftsbund moniert, mit dem Sparen auf Kosten der Frauen müsse endlich Schluss sein. Der bundesrätliche Vorschlag dürfte also in der Vernehmlassung und anschliessend im Parlament noch für heftige Auseinandersetzungen sorgen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.