Kommentar zur Abschaffung der WitwenrenteEs muss auch wehtun
Weil eine Reihe sinnvoller Mehrausgaben das Bundesbudget belastet, ist es richtig, dass die Regierung anderswo durchgreift.
Ob Individualbesteuerung, familienexterne Kinderbetreuung, Erhöhung der Armeeausgaben oder der Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative: Auf den Bund kommen in den nächsten Jahren Milliarden an Mehrausgaben zu.
Dem Vorwurf von bürgerlicher Seite, das Parlament solle nicht «überborden», ist entgegenzuhalten: Viele dieser Ausgaben sind legitim, teilweise angesichts der Klimakrise oder der anhaltenden Benachteiligung von Frauen im Arbeitsmarkt sogar zwingend. Ein Indiz dafür ist, dass die vier genannten Projekte bis weit ins bürgerliche Lager hinein unterstützt werden oder dort lanciert wurden.
Karin Keller-Sutter spart unter anderem mithilfe von Schlaumeiereien, die keinen genug schmerzen, um dagegen auf die Barrikaden zu gehen.
Nun steht also die neue Finanzministerin Karin Keller-Sutter vor der Aufgabe, ein ausgeglichenes Budget zu präsentieren, um die Schuldenbremse einzuhalten.
Sie tut das einerseits mit Schlaumeiereien, die keinen genug schmerzen, um dagegen auf die Barrikaden zu gehen. So spricht sie der Armee für den Moment weniger Geld als geplant zu – obwohl sich der Bundesrat noch im Juni für den ursprünglichen, teureren Vorschlag des Parlaments ausgesprochen hatte. Oder sie finanziert die Hilfe für Ukraine-Flüchtlinge über das ausserordentliche Budget.
Finanznot ist «Window of Opportunity»
Wo das nicht ausreicht, schreckt Keller-Sutter richtigerweise vor schmerzhaften Massnahmen nicht zurück: Es ist davon auszugehen, dass sie einen nächsten Anlauf nehmen wird, die Renten für kinderlose Witwen zu streichen. Es handelt sich dabei um ein Instrument, das nicht erst fragwürdig erscheint, seitdem auch Mütter vermehrt am Erwerbsleben teilhaben.
Polit-Strategen sprechen in solchen Situationen, in denen die Not einen zu Massnahmen zwingt, die sonst nicht durchsetzbar wären, von einem «Window of Opportunity». Es gäbe dafür eine Reihe weiterer Sparansätze: Die AHV zahlt jährlich 230 Millionen Franken an umstrittenen Kinderrenten an Pensionierte aus. Das Bundespersonal verdient deutlich mehr als vergleichbare Angestellte in der Privatwirtschaft.
Wer Geld ausgibt, muss auch zu unpopulären Massnahmen bereit sein. Das ist gute Politik.
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