Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Revolution aus Österreich
Red Bull denkt den Fussball neu – seit genau 20 Jahren

Yorbe Vertessen von RB Salzburg jubelt über sein Tor zum 1:1 gegen SK Puntigamer Sturm Graz am 2. März 2025 in der Red Bull Arena, Salzburg.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk
In Kürze:
  • Red Bull veränderte seit dem Kauf der SV Austria Salzburg den globalen Fussballmarkt.
  • Die Fanszene protestierte heftig gegen die radikale Umgestaltung des Traditionsvereins.
  • Mittlerweile gehören sieben Fussballclubs zum Red-Bull-Imperium.
  • Der alte Club lebt aber weiter.

Die Fussball-Meldung war dieser Redaktion am 7. April 2005 nur eine Notiz wert: «Red Bull kauft SV Salzburg: Der Getränkekonzern Red Bull engagiert sich auch in der österreichischen Bundesliga. Dietrich Mateschitz einigte sich mit dem Präsidenten des abstiegsbedrohten SV Salzburg auf eine Übernahme. Franz Beckenbauer wird seinem Freund Mateschitz angeblich in beratender Funktion zur Seite stehen.»

318 Zeichen, 43 Worte. Doch diese Meldung markiert rückblickend eine Zäsur im Weltfussball. Red Bull hat den Fussball umgebaut. Es ist der Beginn der Multiclub-Ownerships (MCO). Fernando Roitman vom internationalen Zentrum für Sportstudien in Neuchâtel (Cies) sagt heute: «Kaum etwas hat den Clubfussball in den letzten 20 Jahren so stark verändert.»

In Salzburg freut man sich erst über den Einstieg. Wolfgang ist Austria-Fan und will seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen. Rückblickend sagt er: «Die Austria hinkte sportlich seit Jahren ihren Ansprüchen hinterher und war finanziell angeschlagen. Wir dachten, toll ein neuer, potenter Hauptsponsor, der noch dazu aus dem eigenen Bundesland kommt.» Keiner habe ahnen können, dass «der Getränkekonzern» – Wolfgang spricht nie von Red Bull – versuche, die Austria «auszulöschen».

Reaktionen über Salzburg hinaus

Genau das haben die neuen Besitzer aber getan. Red Bull steigt nicht als Sponsor ein, sondern baut den Verein radikal um, macht ihn zum Marketingvehikel. Die Namensänderung ist kein Problem. Das kennen sie in Österreich. Die SV Austria Salzburg heisst schon seit 40 Jahren nicht mehr Austria, sondern SV Gerngross A. Salzburg, SV Sparkasse Austria Salzburg, SV Casino Salzburg oder zuletzt SV Wüstenrot Salzburg. «Beim Getränkekonzern ging es um deutlich mehr als um ein Niederschlagen im Vereinsnamen. Von offizieller Seite wurde verlautbart ‹this is a new club, there is no history!› – und genauso wurde es auch gelebt», sagt Wolfgang.

Passend dazu: Eine Interviewanfrage zu diesem Artikel lehnt Red Bull ab. Die Pressestelle schreibt: «Der FC Red Bull Salzburg sieht dies nicht als Jubiläum – auch weil ‹älter werden› kein Verdienst ist.»

Fussballstadion mit gefüllten Zuschauerrängen und einem grossen Banner mit der Aufschrift ’Red Bull verdient Prügel & belebt Solidarität!’ auf der Tribüne.

Die Übernahme wird in den Fankurven über die österreichische Grenze hinaus thematisiert. Selbst die Zürcher Südkurve oder die Muttenzerkurve in Basel schicken Grüsse nach Salzburg. «Red Bull verdient Prügel», heisst es etwa im Letzigrund, angelehnt an den bekanntesten Slogan der Dosenfirma.

Tradition zählt nicht für die Bullen. Alles soll neu werden. Sie passen das Logo an und ersetzen die Clubfarbe Violett durch Rot-Weiss. Selbst die Clubgründung soll auf den Einstieg von Red Bull datiert werden, der österreichische Verband verhindert das. Und es kommt zum Konflikt mit den langjährigen Fans der Austria. Als Kompromiss bietet Red Bull an, dass die Stulpen des Goalies und das Wappen des Ausrüsters auf den Trikots violett sein sollen. Für die Fans ein Hohn.

Es kommt zum Bruch. Das war im September 2005. Die gesamte Fanszene verliess das Spiel gegen Austria Wien in der 72. Minute, das stand symbolisch für das damalige Alter der Austria.

Mittendrin in Salzburg: Ein Schweizer

Diesen Bruch miterlebt hat auch Remo Meyer, heute Sportchef beim FC Luzern. Er war als Spieler zwischen 2006 und 2009 in Salzburg. Angezogen haben ihn die grossen Namen: Thomas Linke, Alexander Zickler und Niko Kovac spielen bei Red Bull. Trainer war Giovanni Trapattoni, assistiert von Lothar Matthäus – es ist die alte Bayern-Garde, beeinflusst von der Lichtgestalt Beckenbauer.

Was als Ansammlung grosser Namen mit längst vergangener Gloria beginnt, verändert den Weltfussball in den letzten 20 Jahren. Red Bull wird zur Fussballmacht. Meyer sagt: «Das war zu meiner Zeit nicht denkbar, klar wurde gross gedacht, aber es ist schon eindrücklich, was da investiert wird in den Sport und wie viel Kontinuität und Stabilität da sind.» Die ersten Jahre seien eine Testphase gewesen, um das Fussballbusiness kennen zu lernen.

Dies änderte sich spätestens mit der Ankunft von Ralf Rangnick und Christoph Freund 2012. Sie installieren über die ganze Gruppe ein einheitliches Spielkonzept: Mit jungen Fussballern soll ein hohes Pressing aufgezogen und nach dem Ballgewinn sofort umgeschaltet werden. Es ist ein Fussball, der inzwischen überall bekannt ist, auch in der Schweiz: St. Gallen spielt diesen unter Peter Zeidler, der FCZ engagiert viele junge Spieler per Leihe. Zeidler, FCZ-Trainer Ricardo Moniz und auch YB-Meistertrainer Adi Hütter waren einst Salzburg-Trainer.

Auch GC und Lugano sind Teil einer Multiclub-Ownership

Mittlerweile gehören neben Salzburg auch RB Leipzig, die New York Red Bulls, der FC Liefering, der FC Bragantino in Brasilien und RB Ōmiya Ardija aus der zweiten japanischen Liga zur Fussballwelt von Red Bull. Zudem hat Red Bull Anteile an Paris FC und Leeds United. Damit gehört Red Bull neben der City-Gruppe rund um Manchester City zu den grössten MCOs.

In der Schweiz gehören unter anderem GC, Lausanne oder Lugano zu solchen MCO. Experte Roitman vom Cies sagt: «Ein Land ist interessant, wenn es eine relativ gute Liga und kaum Ausländerbeschränkungen hat.» Solche Beteiligungen können zum einen das Niveau der Liga steigern. Dann nämlich, wenn gute Spieler aus dem Ausland dazukommen – wie aktuell in Lausanne mit Aliou Baldé. Der Stürmer wechselte im letzten Sommer von Lausanne zum Partnerclub nach Nizza, nun ist er leihweise zurück.

Zum anderen könne es dem Schweizer Fussball aber auch schaden, sagt Roitman. Die Leihspieler nehmen den jungen Schweizern den Kaderplatz weg. Dies sieht man aktuell in Belgien: Mehr als die Hälfte der Teams gehören ausländischen Investoren. Das schlägt sich in den Kadern nieder, nur zwei Teams haben einen Ausländeranteil von unter 50 Prozent.

Die Fifa reagiert auf diese neuen Konstrukte. Seit dieser Saison darf ein Team nur noch sechs Spieler von ausländischen Clubs ausleihen, drei davon dürfen vom gleichen Team stammen. Zudem dürfen nicht zwei Clubs im gleichen europäischen Wettbewerb spielen – eigentlich. Da helfen sich die Clubs mit Kniffs. RB Salzburg und RB Leipzig trafen gar schon aufeinander.

Auch Basel war schon Teil einer Multiclub-Ownership

Erster mit der Idee einer MCO war Red Bull aber nicht: Manchester United schickte unter Alex Ferguson zwischen 1997 und 2009 29 Spieler leihweise zu Royal Antwerpen. Enic kaufte sich in den 90er-Jahren Anteile an Tottenham Hotspur, den Glasgow Rangers, AEK Athen, Slavia Prag, Vicenza und dem FC Basel. Beide waren aber noch nicht so strukturiert und organisiert wie später Red Bull.

Heute gibt es fast 160 solche Besitzergruppen mit rund 400 Teams, während der Pandemie gab es einen neuerlichen Anstieg. Das belegen Zahlen der Uefa. Meist seien vier oder fünf Clubs zusammengeschlossen, sagt Roitman. Red Bull oder die City-Gruppe gehören zu den Ausnahmen. Roitman vom Cies sagt: «Das Ziel ist die Spielerrekrutierung und die Spielerentwicklung. Durch die verschiedenen Teams können die Fussballer auf dem richtigen Niveau gefördert werden.» In den letzten 15 Jahren wechselten 27 Spieler zwischen Salzburg und Leipzig. Darunter der Franzose Dayot Upamecano, der Guineer Naby Keïta oder der Ungare Dominik Szoboszlai, sie sind bei Bayern und Liverpool.

Zur Entwicklung von Spielern kommen Synergien im Scouting oder der Datenauswertung. Diese neue Organisation hat direkten Einfluss auf die Anstellungsverhältnisse. Früher war ein Spieler bei einem Verein engagiert, heute gehört er einer Gruppe.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Von alledem wollen die Fans der SV Austria Salzburg nichts wissen. «Es interessiert uns nicht, was die da draussen machen», sagt Wolfgang. Die Fans der Austria gründen den Verein neu und beginnen in der untersten Liga. Der Club steht vor dem Sprung in den professionellen Fussball.

Das wichtigste Spiel fand im September 2023 statt. Die Austria traf auf RB Salzburg und verlor 0:4. Trotzdem sehen sich die Austria-Fans als moralische Gewinner. «Die neue Austria hat mittlerweile über 1600 Mitglieder sowie nahezu 300 aktive Sportler von der U7 bis hin zur ersten Mannschaft», sagt Wolfgang.

Die Austria ist der grösste Sportverein in Salzburg. Grösser als RB.