Propalästinensische KundgebungWut und Angst auf Londoner Strassen
In der britischen Hauptstadt haben Tausende Menschen an einer propalästinensischen Demonstration teilgenommen. Die Zahl antisemitischer Vorfälle nimmt laut Polizei stark zu.
Während am Wochenende in britischen Städten Zehntausende von Demonstranten aus Protest gegen «Israels Krieg in Gaza» auf die Strassen zogen, hat Premierminister Rishi Sunak versichert, dass er «für alle Zeiten» auf Israels Seite stehe. Israel, meinte Sunak, habe jedes Recht zur Selbstverteidigung – auch wenn die israelische Regierung natürlich alle mögliche Vorsorge treffen sollte, um Zivilisten zu schützen bei ihren Militäraktionen.
Am Samstag hatte Sunak noch erklärt, London stehe vorbehaltlos hinter Israel: «Nicht nur heute, nicht nur morgen, sondern für alle Zeiten.» Einen etwas vorsichtigeren Ton suchte tags darauf Aussenminister James Cleverly anzuschlagen. Cleverly mahnte die Israelis, bei ihrem geplanten Einmarsch in Gaza Zurückhaltung und Disziplin zu üben. Er habe Israel freilich nicht gebeten, den Einmarsch aufzuschieben, fügte er an.
Innenministerin gegen Palästinenser-Fahnen
Zu zornigen Protesten waren am Samstag Zehntausende von Demonstranten, vor allem in London, aber auch in anderen britischen Städten, auf die Strassen gezogen. Unter Tausenden von Fahnen und Bannern wandten sie sich gegen «Israels Krieg in Gaza». «Was sich in Gaza abspielt, scheint in Downing Street niemanden zu kümmern», war auf vielen der Kundgebungen zu hören.
Besonderen Unmut hatte ausgelöst, dass Innenministerin Suella Braverman im Vorfeld der Kundgebungen Englands Polizeichefs schriftlich aufgefordert hatte, hart gegen alle Demonstranten vorzugehen, die Palästinenser-Fahnen schwenkten oder propalästinensische Lieder sängen. «Nicht nur spezielle Pro-Hamas-Symbole und -Gesänge geben Anlass zur Besorgnis», hatte die Ministerin verkündet. Alles Fahnenschwenken sei unter den gegenwärtigen Umständen suspekt.
Zahlreiche Polizisten sind jetzt jedoch zum Schutz jüdischer Stadtviertel, jüdischer Schulen und der Synagogen im Lande abgestellt worden.
Die Polizei befand aber, man könne Demonstranten nicht daran hindern, Palästina-Fahnen zu Kundgebungen mitzubringen, solange dies nicht in einem bedrohlichen Kontext geschehe wie zum Beispiel zur Einschüchterung einer jüdischen Nachbarschaft.
Bei der Londoner Kundgebung gab es insgesamt fünfzehn Festnahmen, die meisten im Zusammenhang mit Attacken gegen die Polizei. Zahlreiche Polizisten sind jetzt jedoch zum Schutz jüdischer Stadtviertel, jüdischer Schulen und der Synagogen im Lande abgestellt worden. Mehrere jüdische Schulen in London wurden schon am Freitag vorsorglich – und auf unbestimmte Zeit – geschlossen. Andere Schulen forderten ihre Schüler auf, nicht in Schuluniform zum Unterricht zu kommen, sondern in Zivil.
Besorgt registriert wird vielerorts ein erneuter drastischer Anstieg antisemitischer Zwischenfälle und Übergriffe. Von 14 derartigen Vorfällen in der ersten Oktoberhälfte des Vorjahres in London ist deren Zahl laut Metropolitan Police in den letzten zwei Wochen, also dem vergleichbaren Zeitraum, auf 105 emporgeschnellt. Jüdische Mitbürger sind unter anderem als «dreckige Juden» beschimpft worden. «Israel den Tod» wünschten andere Antisemiten. Einem koscheren Restaurant in Nord-London schlugen Unbekannte die Fenster ein.
BBC erklärt, warum sie Hamas nicht «Terroristen» nennt
Gleich von mehreren Seiten angegriffen fand sich in den letzten Tagen die BBC, Grossbritanniens öffentlich-rechtlicher Sender. Propalästinensische Demonstranten bespritzten das Eingangsportal des BBC-Gebäudes in London zu Beginn ihrer Kundgebung mit roter Farbe.
Andererseits suchen Sunaks Minister und die einflussreiche Rechtspresse des Landes die BBC mit aller Macht dazu zu zwingen, Angehörige der Hamas durchweg – wie die Regierung – als «Terroristen» zu bezeichnen. Die Anstalt besteht darauf, dass sie bei ihrer Berichterstattung «nicht Partei ergreifen» dürfe. In der Tat sehen das, auch für andere Sender, die strikten britischen Rundfunkregeln vor.
Bittere Kritik handelte sich auch der Fussballverband des Landes ein mit seiner Entscheidung, bei einem Länderspiel Englands gegen Australien den berühmten Wembley-Bogen nicht in den Farben Israels erleuchten zu lassen, sondern nur eine Gedenkminute für die Opfer des Konflikts zu Beginn des Spiels anzuordnen. Während einzelne Tory-Abgeordnete von einer «schändlichen Entscheidung» sprachen, drückte Sportministerin Lucy Frazer dem Verband gegenüber ihre «extreme Enttäuschung» aus.
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