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Professionell und gefährlich: Anti-Masken-Flyer alarmieren Experten

Im öffentlichen Raum empfohlen, im ÖV seit neuestem Pflicht: Schutzmasken.
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Der Flyer ist hochwertig produziert, das Design erinnert an offizielle Publikationen des Bundes: In Zürich verteilten Unbekannte am Wochenende Flugblätter, welche eine Maskenpflicht als «unsinnig und gefährlich» bezeichnen. Das Tragen von Masken begünstige die Vermehrung von Bakterien und Viren in der Lunge, lautet eine von mehreren Warnungen auf rotem Grund.

Die Verantwortlichen des Bundes reagierten postwendend : Als Fake News brandmarkte Pascal Strupler, der Direktor des Bundesamts für Gesundheit, die Aussagen auf Twitter.

Wer die Urheber des Flyers sind, blieb allerdings auch am Montag rätselhaft. Die QR-Codes auf dem Flugblatt führen unter anderem zu einem Telegram-Kanal – der Messenger-Dienst hat sich in der Corona-Krise zu einem wichtigen Tummelplatz für Anhänger alternativer Theorien gemausert – sowie zur Plattform «Swiss Propaganda Research».

Letztere geriet in jüngster Vergangenheit immer wieder in den Fokus der Öffentlichkeit. Das Netzwerk, welches seit kurzem unter dem Namen «Swiss Policy Research» auftritt, bezeichnet sich selber als «Forschungs- und Informations­­projekt zu geo­po­li­tischer Pro­pa­ganda in Schweizer und internationalen Medien».

Anonyme Studien

Allerdings sieht es sich selber mit dem Vorwurf konfrontiert, die Leser «mit fragwürdigen Informationen zu füttern». Wie der «Beobachter» berichtete, fungieren im Medienspiegel zahlreiche Websites und Namen bekannter Verschwörungstheoretiker. Die Plattform suggeriert unter anderem, dass die Schweizer Medien in ein transatlantisches Netzwerk eingebunden seien und die Nato unterstützten. Auch verbreitet sie zweifelhafte Informationen zum Syrienkrieg und zu weiteren internationalen Konflikten.

«Es handelt sich um bekannte Narrative von verschwörungstheoretischen Kreisen», sagt der Sozialwissenschaftler Marko Kovic, der an der Universität Zürich zum Thema Verschwörungstheorien geforscht hat. Besonders kritisch sieht er, dass die Autoren der angeblichen «Studien» allesamt anonym bleiben.

«Insbesondere Telegram ist eine absolute Blackbox.»

Lisa Schwaiger, Forscherin am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Universität Zürich

Auf Anfrage distanzieren sich die Verantwortlichen der Plattform von der Flyeraktion: «SPR ist ein reines Forschungsprojekt und betreibt keine Flyeraktionen. SPR kennt die Urheber der von Ihnen erwähnten Flyeraktion nicht», schreibt ein unbekannter Absender per Mail.

Laut Lisa Schwaiger, Forscherin am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Universität Zürich, ist es schwierig, Rückschlüsse auf die Urheberschaft der Flyer zu ziehen. Oft seien die Akteure in der Szene eng miteinander vernetzt und auf mehreren Kanälen aktiv: «Insbesondere Telegram ist eine absolute Blackbox.»

Atypisch ist aus Schwaigers Sicht, dass die alternativen Theorien in dem Fall nicht im virtuellen Raum verbreitet werden, sondern gezielt in der physischen Welt unter die Leute gebracht wurden. «Hier wird noch einmal eine ganz andere Zielgruppe angesprochen als im Netz.» Genau dies mache die Aktion – in Kombination mit der professionellen Aufmachung – so gefährlich.

Dass auf der Rückseite des Flyers eine Grafik inklusive Wappen der Schweizerischen Eidgenossenschaft abgedruckt sei, komme einer bewussten Täuschung gleich.

«Da hat sich jemand richtig viel Mühe gemacht und auch Geld in die Hand genommen. Dieses Flugblatt wurde nicht einfach zu Hause am Computer ausgedruckt», sagt auch Marko Kovic. Die Leser würden durch den offiziellen Anstrich bewusst in die Irre geführt. Dass auf der Rückseite des Flyers eine Grafik inklusive Wappen der Schweizerischen Eidgenossenschaft abgedruckt sei, komme einer bewussten Täuschung gleich.

Spendensammlung für neue Aktion

Kritisch ist laut Schwaiger denn auch die Frage, wie Behördenvertreter mit solchen Kampagnen umgehen sollen. «Die Krux mit solchen Theorien ist, dass sich manche Anhänger durch ein offizielles Dementi erst recht bestätigt fühlen.» Dennoch ist es aus Sicht der Forscherin angesichts der breit angelegten Offline-Kampagne richtig, dass BAG-Direktor Strupler reagiert hat.

Dass zu Corona viele alternative Theorien kursieren, überrasche nicht. «Immer in Zeiten von Krisen öffnet sich der Raum für alternative Deutungsmuster, die versuchen, den Mainstream zu widerlegen.» (Lesen Sie hier den Faktencheck zu Corona-Verschwörungstheorien.)

Tatsächlich scheinen bereits weitere Flyeraktionen geplant zu sein, wie «20 Minuten» schreibt. So will ein Bieler «Postkästen von Behörden, Polizei, Schulen, Kindergärten, Spielgruppen, Geschäften, ÖV, Spitäler, Arztpraxen und auch Wohnvierteln» mit Flugblättern fluten. In einem Telegram-Kanal mobilisiert er dafür Spender und Unterstützer.

Beim BAG nimmt man die Aktionen zur Kenntnis – und begegnet ihnen mit «stetiger Information». «Die Bevölkerung weiss, dass sie auf der Website und den weiteren Kanälen des BAG seriöse Informationen erhält», so Sprecherin Katrin Holenstein. Rechtliche Schritte seien derzeit nicht geplant.