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US-Präsident auf Irland-Tour
Joe Biden, der nette alte Onkel aus Amerika

Der obligatorische Pup-Besuch: Joe Biden mach vor dem Eingang eines Irish Pubs in Dundalk Selfies in der Menschenmenge. (12. April 2023)
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Dass Joe Bidens mehrtägiger Irland-Besuch einen klaren Zweck verfolgt, mag auch auf der «Grünen Insel» niemand bestreiten. Auf über 30 Millionen wird die Zahl irischstämmiger US-Bürger geschätzt, an deren Stimmen Biden für die nächsten Präsidentschaftswahlen sehr gelegen ist. Bilder aus der «alten Heimat», die bei diesen Wählern Sympathien wecken oder schon bestehende Loyalitäten stärken, dürften sich für den US-Präsidenten und für die US-Demokraten generell als nützlich erweisen. Das war auch früheren Amtsinhabern, bis hin zu Barack Obama, bewusst und bescherte den Iren alle Jahre entsprechenden Besuch.

Aber darin erschöpft sich der Biden-Trip nicht. Der 80-jährige Präsident geniesst seine erneute Rückkehr in ein Land, aus dem mehrere seiner Vorfahren einmal – wie so viele andere Iren – auswandern mussten und mit dessen Kultur und Menschen er sich bis heute stark identifiziert. Sehr munter hat man Biden erlebt, seit er am Mittwoch Nordirland verliess und über die Grenze in die irische Republik reiste. (Lesen Sie zum Thema auch den Artikel «Zuerst die Arbeit in Belfast, dann das Vergnügen in Dublin».)

Biden macht Selfies in der Menschenmenge, hält Small Talk im Irish Pub, beantwortet Kinderfragen am Militärstützpunkt, und zu einem Foto, auf dem er Menschen in Dublin auf der Strasse die Hände schüttelt, steht auf seinem offiziellen Twitter-Account: «In Irland ankommen ist wie nach Hause zurückkehren.» 

Ein US-Präsident zum Anfassen:  Joe Biden mischt sich unter die Menschen in Dundalk, Irland. (12. April 2023)

Begegnungen mit Cousins und Cousinen fünften Grades

Sichtlich Spass macht dem Besucher sein direkter Kontakt mit den Einheimischen im Süden Irlands, seine Begegnung mit allerlei Cousins und Cousinen fünften Grades. Beim Pub-Besuch am Mittwochabend dankte Biden dem Rugby-Spieler Rob Kearney, einem seiner vielen entfernten Cousins in Irland, der «die Black and Tans plattgemacht» habe, weshalb seine Pressestelle das Transkript seines Auftritts nachträglich korrigieren musste. Biden meinte die «All Blacks», das neuseeländische Rugby-Team. Die «Black and Tans» waren eine britische Militäreinheit, die Anfang des 20. Jahrhunderts brutal gegen irische Rebellen kämpften.

Aber Irland ist Biden grundsätzlich wohlgesonnen, «welcome home, Joe», rief jemand aus der Menge in der Kleinstadt Dundalk, einem Heimatort seiner Vorfahren. Einen «köstlichen Fauxpas» nannte die Irish Times die Sache mit den «Black and Tans», und der Irish Mirror bemerkte, Biden habe die Leute im Pub mit seinem Versprecher «zum Lachen gebracht».

Joe Biden, der nette alte Onkel aus Amerika, das ist das Bild, das seine PR-Leute in diesen Tagen versuchen zu zeichnen, auch wenn er dabei manchmal beinahe wirkt wie ein berühmter Tourist.

Kurios dabei ist nur, wie sehr sich Bidens viel beschworene «alte Heimat» über die Jahre vom traditionellen Katholizismus entfernt hat, der ihm selbst noch so viel bedeutet.

Wie sehr das zeitgenössische Irland nach einer neuen sozialen Identität tastet, während Biden sich an die alten Werte seiner Kindheit hält. Dieselben Erinnerungen, die der US-Präsident auf seiner Nostalgiereise aufzuspüren hoffte diese Woche, suchen die meisten Iren längst der Geschichte anheimzugeben, schon um sich ein für allemal von der repressiven Vergangenheit ihres Staates zu befreien.

Im Urteil nicht weniger Menschen in Irland trug jene alte Haltung feindseliger Ablehnung anderer Überzeugungen auch, neben der fraglosen Unterdrückung nordirischer Katholiken durch nordirische Protestanten, zu den vielen Jahren bitterer Konflikte in Nordirland bei.

Joe Biden sei ja vollkommen «antibritisch», war in den Reihen der nordirischen Unionisten zu hören.

Viele protestantische Politiker finden es unter diesen Umständen jedenfalls ganz unakzeptabel, dass ein derart «pro-irischer» Präsident wie Biden den Anspruch erhebt, nach Irland gereist zu sein zur Festigung des Friedens. Biden sei ja vollkommen «antibritisch», war in den Reihen der Partei der Demokratischen Unionisten (DUP) zu hören. «Er hasst das Vereinigte Königreich», klagte Ex-DUP-Chefin Arlene Foster.

Das sei natürlich überhaupt nicht der Fall, informierte Bidens Presseteam umgehend, im Gegenteil. Biden schob dann vor lauter Lässigkeit bei seiner Ankunft am Dienstagabend am Flughafen in Belfast Rishi Sunak nach einem kurzen Handschlag zur Seite, was in den sozialen Medien zu gehässigen Witzeleien führte, Biden habe den britischen Premierminister nicht erkannt.

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Tatsächlich mühte sich der US-Präsident, ungeachtet aller persönlichen Neigungen vorsichtig zu taktieren und sich keiner Provokation schuldig zu machen. Immerhin gilt Biden in Washington als erfahrener Verhandlungspartner, auch als pragmatischer Politiker, wo Verständigung erforderlich ist.

Aussicht für Nordirland auf Milliarden US-Investitionen

Statt die Unionisten dafür zu kritisieren, dass sie derzeit den Friedensprozess blockieren, stellte er den Nordiren Milliarden Dollar an US-Investitionen in Aussicht, sobald dieser Prozess wieder in Gang gekommen ist. Das schien auch vielen jüngeren Protestanten ein faires Angebot, alles in allem. Gerade moderate Unionisten wissen, dass das Problem letztlich nicht Biden, sondern der Brexit ist.

Die anfängliche Begeisterung der DUP für den EU-Austritt, gegen den klaren Willen einer Mehrheit der nordirischen Bevölkerung, hat alle möglichen fatalen Konsequenzen gehabt für Nordirland. Statt es stärker mit dem Rest des Vereinigten Königreichs zu verbinden, wie es sich die DUP erträumte, haben Boris Johnsons Manöver im Zusammenhang mit seinem «harten Brexit» Nordirlands Unionisten mehr denn je isoliert. Und London selbst hat sich mehr denn je von Washington abhängig gemacht – ein weiteres Paradox.

Ein Irland-freundlicher US-Präsident kann nun den Briten einen von ihnen heiss ersehnten Freihandelsvertrag vorenthalten, solange der nordirische Friede nicht, für alle Welt sichtbar, neu abgesichert, neu untermauert ist.

Die zentrale Frage bleibt die Zukunft Nordirlands. Und zu dieser Frage steht die Antwort weiterhin aus.

In Dublin wird man auch andere Themen angesprochen haben bei den dortigen Empfängen für den US-Präsidenten. Zum Beispiel wird Biden versucht haben, in Erfahrung zu bringen, inwieweit Irland zur Einschränkung seiner Neutralität und zur Übernahme militärischer Verpflichtungen an der Seite der USA bereit ist.

Aber die zentrale Frage bleibt doch die Zukunft Nordirlands. Und zu dieser Frage steht die Antwort weiterhin aus. Hoffen kann Biden bei seiner Abreise nur, dass seine Irland-Tour bei den Nicht-Iren der Insel nicht allzu viel an Ressentiments geschaffen hat – und dass die Aussicht auf neue Kapitalflüsse über den Atlantik künftigen Verhandlungen zugutekommt.