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Von der Leyen in Grossbritannien
Endspiel um den Brexit: Worum geht es beim Nordirland-Protokoll?

«Abschliessendes» Gespräch zum Nordirland-Protokoll: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der britische Premier Rishi Sunak in Windsor. 
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Das 2020 als Teil des Brexit-Abkommens vereinbarte sogenannte Nordirland-Protokoll ist in wichtigen Punkten überarbeitet worden – was den Nordiren helfen und das angespannte Verhältnis zwischen Grossbritannien und der EU entkrampfen soll.

Ursula von der Leyen trifft in einem Hotel in Windsor Rishi Sunak zu «abschliessenden» Gesprächen zum Nordirland-Protokoll. Danach berät sich Sunak mit seinem Kabinett. 

Warum wurde ein «Protokoll» überhaupt nötig? 

Weil Londons «harter Brexit», also der Ausstieg der Briten aus dem Binnenmarkt und der Zollunion Europas, eine problematische Situation auf der irischen Insel schuf. Vorher waren Grenzkontrollen zwischen Nordirland und der Republik Irland nicht erforderlich, da beide der EU angehörten. Und eine Grenze frei von Kontrollen wurde als Voraussetzung betrachtet für dauerhaften Frieden in Nordirland – ohne Wachposten, Uniformen, Überwachungskameras.

Drohte der Brexit diese Freiheit zu beenden?

Der Brexit in seiner harten Form machte die bis dahin unsichtbare Grenze zwischen Nordirland und der irischen Republik erstmals zu einer EU-Aussengrenze. Für eine solche Grenze aber hätte es Grenzkontrollen, insbesondere Importkontrollen für Einfuhren in die EU, gebraucht. Mit einer Sonderregelung im Brexit-Abkommen sollte das vermieden werden. Während Nordirland britisches Hoheitsgebiet blieb, sollte es als einziger Teil des Vereinigten Königreichs zugleich weiter den Regeln des EU-Binnenmarkts folgen, sodass eine «innerirische» Grenze nicht nötig war.

Was verfügte das Nordirland-Protokoll von 2020?

Im Nordirland-Protokoll, wie es Ex-Premier Boris Johnson mit der EU aushandelte, wurde festgelegt, dass Grenzkontrollen für alle Waren, die aus England, Schottland und Wales nach Nordirland flossen, bereits bei der Ankunft in Nordirland, und nicht erst an den Nahtstellen zum Süden, vorgenommen würden. Aber wie sich herausstellte, führte das zu einer spürbaren Verzögerung im Warenverkehr und zu vereinzelten Versorgungsengpässen, zum Beispiel in nordirischen Supermärkten. Als «Spaltung des UK» empörte das Arrangement ausserdem die Partei der Demokratischen Unionisten (DUP), Nordirlands grösste Protestanten-Partei.

Welche Schlüsse wurden daraus gezogen? 

Verhandlungswillige Politiker beider Seiten fassten in der Folge «praktikablere» Lösungen ins Auge. Bereits voriges Jahr milderte die EU einige ihrer Kontrollen ab. Und jetzt stimmte sie offenbar dem britischen Vorschlag zu, einen «grünen Kanal» und einen separaten «roten» einzuführen. Über den «grünen Kanal» sollen Waren aus dem Rest des Vereinigten Königreichs, die in Nordirland verbleiben sollen, fast oder ganz ohne Kontrollen in die Provinz befördert werden. «Rote Kanäle», die von der EU genauer inspiziert werden können, sollen dagegen für Waren gelten, die via Nordirland in die Republik Irland und so in die EU weiterlaufen.

Was hält man in Nordirland von dieser Praxis? 

Viele Protestanten in Nordirland halten das, wie praktisch alle Katholiken, für eine vernünftige Lösung. Für die meisten Menschen in der Provinz war der stockende Warenverkehr das grösste Problem. Die DUP aber, die die Vertragsdetails jetzt im Einzelnen prüfen will, hatte es von Anfang an auf mehr abgesehen. Sie verlangte ein nordirisches Veto für alle Nordirland betreffenden EU-Gesetze und wollte die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs «nirgendwo auf den Britischen Inseln» mehr akzeptieren. Mit roten und grünen Kanälen war es für sie nicht getan.

Worum ging es bei den jüngsten Verhandlungen?

Unter anderem war man in Grossbritannien darauf bedacht, sich wieder Rechte wie die Festsetzung der Höhe der Mehrwertsteuer in Nordirland und der erlaubten staatlichen Subventionen in der Provinz anzueignen. Darüber hinaus hat London Mitsprache des nordirischen Parlaments beim Erlass neuer EU-Bestimmungen für Nordirland verlangt. Ein entsprechendes «Stormont Lock», das dem nominellen – aber nie genutzten – Einspruchsrecht in Norwegen gleichkäme, wäre freilich nur ein begrenztes Vetorecht.

Und was ist mit dem Europäischen Gerichtshof? 

Die EU hat von Anfang an zu erkennen gegeben, dass der Europäische Gerichtshof im gesamten Binnenmarktbereich das letzte Wort haben müsse. Bei den Verhandlungen mit London ging es aber darum, die nordirische Justiz «vorzuschalten», Nordirlands Gerichten also ersten Zugriff auf Streitfälle einzuräumen. Zudem würde die Einführung grüner Kanäle die Zahl der Streitfälle selbst und so die Rolle des Europäischen Gerichtshofs deutlich reduzieren, hat man in Brüssel argumentiert.