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Regierungskrise in Grossbritannien
Stürzt als Nächstes auch der Vizepremier?

Soll Mitarbeiter tyrannisiert haben: Vizepremier Dominic Raab.
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Kaum hat er seinen «Party Chairman», den Tory-Generalsekretär Nadhim Zahawi, feuern müssen, sieht sich Grossbritanniens Premierminister Rishi Sunak schon vor dem nächsten Problem. Diesmal geht es gleich um das ranghöchste seiner Kabinettsmitglieder und einen seiner engsten Vertrauten. Die meisten Beobachter in London rechnen mit dem baldigen Sturz Dominic Raabs, des britischen Vizepremiers. 

Raab, der auch Justizminister ist, wird von mehreren Dutzend Mitarbeitern und Ministerialbeamten beschuldigt, sie über Jahre hin drangsaliert, eingeschüchtert, eiskalt abgefertigt und oft regelrecht tyrannisiert zu haben. Seit letztem November ist dazu eine offizielle Untersuchung im Gange. Sollte sich bestätigen, dass Raab gegen den ministeriellen Verhaltenskodex verstossen hat, müsste er unmittelbar zurücktreten oder ebenfalls von Sunak entlassen werden. Das wäre der zweite spektakuläre Sturz eines hohen britischen Ministers binnen kürzester Frist. 

Redlichkeit und Rechtschaffenheit versprochen

Ein dritter umstrittener Minister, Sir Gavin Williamson, hatte schon kurz nach seiner Ernennung im vorigen Herbst wieder abtreten müssen, nachdem man ihm – wie jetzt Raab – ein inakzeptables Benehmen zur Last gelegt hatte. Immerhin hatte Regierungschef Sunak bei seinem Amtsantritt im Oktober gelobt, im Regierungsviertel Whitehall keine weiteren Skandale mehr zu dulden und Redlichkeit und Rechtschaffenheit grosszuschreiben für sein Kabinett. 

Brenzlig ist das Ganze für Sunak nun schon deshalb geworden, weil inzwischen sein persönliches Urteilsvermögen infrage gestellt wird. In allen drei Fällen soll der Premier nämlich gewarnt worden sein oder über entsprechende Informationen verfügt haben und dennoch, gegen besseres Wissen, die betreffenden Kollegen auf ihre hohen Ämter gesetzt haben. 

Regierungschef Rishi Sunak hatte bei seinem Amtsantritt im Oktober gelobt, im Regierungsviertel Whitehall keine weiteren Skandale mehr zu dulden.

In der Tat war Dominic Raab kein unbeschriebenes Blatt. Er war schon unter Boris Johnson Vizepremier gewesen. Er hatte den damaligen Regierungschef 2020 für ein paar Tage auf höchster Warte vertreten, als Johnson schwer an Covid erkrankte und handlungsunfähig war. In Johnsons Regierung war Raab ausserdem erst Brexit-, dann Aussen- und schliesslich Justizminister. Von Johnsons Nachfolgerin Liz Truss wurde er im September 2022 entlassen und auf die Hinterbänke geschickt. Aber als Rishi Sunak sieben Wochen später in No 10 Downing Street Einzug hielt, wurde Raab prompt wieder Vizepremier und Justizminister.

Damals, hiess es, hätten die meisten Mitarbeiter im Justizressort entsetzt aufgestöhnt über die Rückkehr eines Politikers, der im Ruf eines «Bullys» stand. Besorgten Beamten wurde damals ein Wechsel in andere Ministerien angeboten, falls sie es nicht länger aushalten würden mit ihm. Mittlerweile haben freilich Mitarbeiter aller Ressorts, die Raab je leitete, ihn beschuldigt, sie auf übelste Weise herumkommandiert oder herabgesetzt und jedenfalls immer neu gedemütigt zu haben.

Von «regelrechten Magenkrämpfen» und «Panikattacken» war die Rede, bei Mitarbeitern aller drei Ministerien.

Berichte, die bekannt geworden sind, sprechen davon, dass Raabs Untergebene in Tränen aus Besprechungen mit ihm kamen und dass manche, die seine Schikanen nicht mehr ertrugen, sich sogar krankschreiben liessen. Von «regelrechten Magenkrämpfen» und «Panikattacken» war die Rede, bei Mitarbeitern aller drei Ministerien.

Alle Versuche der betreffenden Ministerialdirektoren, Raab zur Mässigung zu bewegen, änderten an dessen Verhalten offenbar nichts. Inzwischen sollen mehr als zwei Dutzend Beamte zur Untersuchung, die einzuleiten Sunak gezwungen war, schriftliche Zeugenaussagen beigesteuert haben. Hinter den einzelnen Zeugen sollen noch sehr viel mehr gestresste Mitarbeiter stehen, die ihre Namen nicht bekannt geben wollen, aus Angst vor Racheaktionen Raabs.

«Am oberen Rand des Robusten»

Laut «Daily Telegraph» hat ein Top-Beamter Raab einen «Psychopathen» genannt. Auch seinen Ministerkollegen war das Problem mit Raab offenbar bekannt. Sir Robert Buckland, ein früherer Justizminister und Minister für Wales, sprach spöttisch davon, Raab operiere immer «am oberen Rand des Robusten». Angeblich soll Raab versucht haben, Buckland in der Regierungszentrale anzuschwärzen und ihn aus der Regierung werfen zu lassen, nachdem Buckland Einwände gegen ein Gesetz äusserte, das Raab für erforderlich hielt. 

Mühsam versucht Premier Sunak, dessen eigene Popularitätsrate in den Keller gesunken ist, für ein besseres Image seiner Regierung zu sorgen. Am Dienstag setzte er den bisherigen Aussenhandels-Staatssekretär Greg Hands zum neuen Generalsekretär der Konservativen ein. Darüber hinaus organisierte er ministerielle Kompetenzen um und schuf ein neuartiges Ministerium für Energiesicherung. Aber an den Posten seines Vizepremiers wagte er nicht zu rühren. Dominic Raab bleibt weiter ein beträchtlicher Unsicherheitsfaktor für Sunak und die Konservative Partei.