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Überrissene Kosten für Prämienzahler
Parlamentarier wollen Abzocke mit Medizin­produkten den Riegel vorschieben

«Selbstbedienungsladen»: Einmal kostet der Herzschrittmacher 2200 Franken, ein andermal bis zu 12’900. Dasselbe Modell. Der Grund: Die Preise sind geheim.
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«Wir haben einen Selbstbedienungsladen.»

«Das muss aufhören.»

«Diese Intransparenz ist inakzeptabel.»

Die Reaktionen aus Bundesbern fallen eindeutig aus, über alle Parteigrenzen hinweg. Mit Unmut und Erstaunen reagieren Parlamentarierinnen und Parlamentarier auf einen Bericht dieser Redaktion. Dieser zeigt auf, wie die Hersteller von Medizinprodukten in der Schweiz ein Vermögen mit überrissenen Preisen machen. So bezahlte eine Solothurner Klinik nur 2200 Franken für einen Herzschrittmacher, während ein Tessiner Krankenhaus für das genau gleiche Produkt 12’900 Franken ausgab. Den Schaden berappen am Ende die Prämienzahlerinnen und Prämienzahler, zumindest im ambulanten Bereich. Denn dort verrechnen Spitäler ihren Aufwand für Medizinprodukte direkt an die Krankenkassen weiter.

Möglich sind die exorbitanten Preise dank einem intransparenten System: Die Hersteller verlangen von den Spitälern oft Geheimhaltung. So weiss die eine Klinik in der Regel nicht, was die andere für ein Produkt bezahlt. Genau das stösst nun auf Kritik der Politik.

«Die Intransparenz und die Preisunterschiede sind massiv – wir müssen dem einen Riegel schieben.»

Barbara Gysi

«Die Intransparenz und die Preisunterschiede sind massiv», sagt Nationalrätin Barbara Gysi (SP, SG). «Und dass die Spitäler sogar innerhalb einer Stadt voneinander nicht wissen, was sie bezahlen, ist unverständlich.» Die Vizepräsidentin der Gesundheitskommission will nun so rasch wie möglich reagieren. «Wir müssen dem einen Riegel schieben und werden das politisch angehen – und zwar so rasch wie möglich, vielleicht schon in einer laufenden Vorlage.» Neben der Offenlegung der Tarife brauche es auch einen zentralen Einkauf. 

Nationalraetin Manuela Weichelt, Alternative - Die Gruenen, waehrend den Eidgenoessischen Wahlen, am Sonntag, 22. Oktober 2023 in Zug. Die Schweizer Buergerinnen und Buerger waehlen das Bundesparlament mit den beiden Kammern Nationalrat und Staenderat. (KEYSTONE/Maria Schmid)

Auch Manuela Weichelt will jetzt aktiv werden. Die Nationalrätin (Alternative Grüne, ZG) möchte einen fraktionsübergreifenden Vorstoss einreichen. «Transparenz muss sein, um Wettbewerb zu ermöglichen, und auch, um gegen Korruption zu kämpfen», sagt sie. Man dürfe bei den geheimen Preisen nicht mit Geschäftsgeheimnissen argumentieren, nur um die Privatwirtschaft zu schützen. «Schliesslich geht es hier um Steuergelder und um Prämiengelder.»

Bereits hängig ist eine Motion von Andri Silberschmidt. «Die Krankenversicherer sind heute gezwungen, Leistungen der Spitäler zulasten der Grundversicherung zu vergüten, unabhängig von den Preisen, welche die Spitäler für Medtech- und andere Produkte bezahlen», sagt der Nationalrat (FDP, ZH). Er fordert den Bundesrat auf, diesen Zwang zu lockern. «Sodass die Versicherer mitreden können, welchen Preis sie für ein Medizinprodukt vergüten und welchen nicht.» Insbesondere die Spitäler, welche ihre Defizite von der öffentlichen Hand gedeckt bekämen, hätten kaum einen Anreiz, möglichst günstig einzukaufen, so Silberschmidt. Zudem könnten sich kleinere Institutionen kaum gegen mächtige Medizinkonzerne wehren. «Es braucht Spitäler, die sich für den Einkauf von Medtech- und anderen Produkten zusammenschliessen, um so tiefe Preise zu erhalten.»

SVP-Politiker kritisiert Bundesamt

Klare Worte wählt Thomas de Courten (SVP, BL). «Es ist absolut stossend, wenn man so klar sieht, dass verschiedene Stellen ihren Job nicht machen.» Der Nationalrat kritisiert die Einkäufer der Spitäler, aber auch die Kantone und das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Dieses habe sich Transparenz auf die Fahne geschrieben. «Aber das blieb wohl ein Papiertiger», sagt de Courten. Er kritisiert auch die Rechnungskontrolle der Versicherer. «Denen hätte das längst auffallen und korrigiert werden müssen.»

Das BAG spielt den Ball zurück. Transparenz bei den Preisen sei wünschenswert, heisst es auf Anfrage. Doch im Bereich der Medizinprodukte, insbesondere auch der Implantate, könne man bis jetzt keine entsprechenden Rechnungspositionen bei den Versicherern erheben. Das Parlament habe dies bei der Revision des Krankenkassengesetzes explizit ausgeschlossen.

Nationalraetin Mattea Meyer, SP-ZH, am Mittwoch, 20. September 2023 im Bundeshaus in Bern. (KEYSTONE/Gaëtan Bally)

Auch SP-Präsidentin Mattea Meyer sagt, das Parlament sei mitverantwortlich. Es habe im Parlament in der laufenden Legislatur einen Vorstoss gegeben, der explizit Transparenz bei Medikamenten, aber auch bei Medizinprodukten gefordert habe. Der Bundesrat habe das befürwortet – doch die Mehrheit des Parlaments lehnte ab. «Wir müssen jetzt nochmals einen Anlauf nehmen, um der Verhandlungsmacht der Konzerne etwas entgegenzuhalten», sagt die Nationalrätin.

Sie sei überrascht von der Dimension der Preisunterschiede, welche die Recherche offenbarte. «Sie sind noch grösser, als wir vermutet hatten. Es zeigt, dass es wohl nur die Spitze des Eisbergs ist. Es braucht jetzt komplette Transparenz.»