Kommentar zu MedizinrechercheStatt Prämienzahlende zu schelten, sollte die Politik geheime Preise verhindern
Die Industrie für Medizinprodukte macht jedes Jahr einen Umsatz von 9 Milliarden Franken. Dank geheimen Deals kommen überrissene Preise zustande – das trägt zum Prämienschock bei.
Ein bestimmter Herzschrittmacher kostet einmal 2200 Franken, ein andermal bis zu 12’900. Dasselbe Modell. Der Grund: Die Preise sind geheim, das eine Spital weiss nicht, was das andere bezahlt. Das kann diese Redaktion dank aufwendiger Recherche zeigen.
Was dabei besonders befremdet: wie wenig Behörden und Versicherungen über einen der grössten Kostentreiber wissen – die Industrie der Medizinprodukte. Die Branche produziert und verkauft vom Verbandsmaterial über extrem teure Geräte bis zu Implantaten alles.
Das Bundesamt verfügt über keine Daten
Während bekannt ist, dass die Medikamente rund 12 Prozent der Gesundheitskosten beziehungsweise rund 10 Milliarden Franken ausmachen, hat das Bundesamt für Gesundheit keine Informationen darüber, welche Kosten die Medizinprodukte verursachen. Das Parlament habe dem Bund explizit das Recht verweigert, bei den Versicherern solche Daten einzusehen, heisst es. Auch der Verband der Versicherungen, Santésuisse, hat dazu keine Informationen.
Politikerinnen und Politiker und die Regierung müssten sich gegen die Interessen der Industrie stellen und die Geheimniskrämerei bei den Preisen aufbrechen.
Bei der Ankündigung zu den stark steigenden Krankenkassenprämien verwies man unter anderem auf die Verantwortung der Bevölkerung. Jeder und jede solle sich nächstes Mal gut überlegen, ob ein Arztbesuch wirklich schon nötig sei, sagte Bundesrat Alain Berset an der Pressekonferenz. Gleichzeitig gibt es aber eine Branche, die jedes Jahr mit dem Schweizer Gesundheitssystem einen Umsatz von 9 Milliarden Franken erzielt – von dem aber niemand spricht und über den man nicht einmal Daten erhebt, um die Kostenexplosion vernünftig analysieren zu können.
Eigentlich gäbe es einen einfachen Schritt: Warum verlangt die Politik nicht, dass die Preise öffentlich sind? Das würde die Kosten schnell senken und auch helfen, wenn mit den Spitälern Tarife ausgehandelt werden. Doch dafür müssten sich Politikerinnen und Politiker und die Regierung gegen die Interessen der Industrie stellen und die Geheimniskrämerei bei den Preisen aufbrechen.
Dieser Schritt wäre mindestens so wichtig wie die Zurückhaltung der Bevölkerung bei den Arztbesuchen.
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