Hilferuf aus LissabonPortugal wird von der dritten Corona-Welle überrollt
Im Land auf der iberischen Halbinsel spitzt sich die Pandemie-Lage dramatisch zu. Die Spitäler sind hoffnungslos überfüllt.
Als sich vor Lissabons grösstem Spital die Krankenwagen mit Covid-19-Patienten stauten, weil die Klinik völlig überfüllt war, wusste die portugiesische Regierung sich nicht mehr anders zu helfen, als um internationale Hilfe zu bitten. Deutschland, Spanien und Österreich reagierten und sprangen dem Land auf der iberischen Halbinsel bei.
Durch die erste Welle der Corona-Pandemie war das Land relativ glimpflich gekommen, doch die dritte Welle trifft es nun mit voller Wucht. Lässt man Kleinststaaten aussen vor, ist Portugal mit seinen zehn Millionen Einwohnern seit zwei Wochen die am stärksten von der Pandemie betroffene Nation der Welt hinsichtlich der Zahl der Todesfälle und Neuinfektionen pro Kopf.
Seit Beginn der Pandemie starben dort insgesamt mehr als 13’000 Menschen nach einer Corona-Infektion, fast die Hälfte davon im Januar. Regierungschef António Costa sprach von einem «gigantischen Druck», der auf den Krankenhäusern laste. Im Hospital de Santa Maria in Lissabon, einem der grössten Krankenhäuser des Landes, sind derzeit 333 der 350 für Corona-Patienten vorgesehenen Betten belegt – auf der Intensivstation sind nur noch sechs Plätze frei. Auch Patrick Mathys vom BAG wies an der Medienkonferenz von Bundesrat Alain Berset in Bern auf die prekäre Situation in Portugal hin.
In einem Spital, das im Einzugsgebiet der Lissabonner Vororte Amadora und Sintra liegt, ist die Lage seit einem Zwischenfall vergangene Woche besonders angespannt. Als im Sauerstoffnetz des Krankenhauses wegen Überlastung ein Problem mit dem Druck auftrat, sei Chaos ausgebrochen, hiess es aus Kreisen des Spitals.
Zu dem Zeitpunkt wurde eine Rekordzahl von 363 Covid-19-Patienten dort behandelt – drei Mal so viele wie das Spital eigentlich aufnehmen kann. Rund 150 Patienten mussten mit tragbaren Sauerstoffflaschen beatmet werden, mehr als 100 weitere wurden rasch in andere, ebenso überfüllte Krankenhäuser verlegt. Landesweit liegen derzeit rund 6700 Menschen im Krankenhaus, davon etwa 850 auf der Intensivstation.
Der grosse Fehler an Weihnachten
Nachdem Portugal die erste Corona-Welle vergleichsweise gut überstanden hatte, verhängte die Regierung lediglich Teil-Lockdowns. Als die Corona-Beschränkungen zu Weihnachten noch mal gelockert wurden und sich die deutlich ansteckendere britische Virusvariante im Land ausbreitete, stiegen die Fallzahlen explosionsartig an.
Mitte Januar reagierte die Regierung und verhängte einen strikten Lockdown. Zu spät, aus Sicht des Virologen Pedro Simas vom Institut für molekulare Medizin in Lissabon. «Der strenge Lockdown hätte schon vor Weihnachten beginnen müssen, so wie in anderen Ländern», sagt er. Portugal sei von der dritten Welle getroffen worden, als es fast noch in der zweiten Welle steckte und die Ansteckungszahlen viel zu hoch gewesen seien.
Nun sei es «das am schlimmsten betroffene Land der Welt, aber wir sehen bereits erste positive Anzeichen», sagt Simas. «Die Zahl der täglichen Neuinfektionen stabilisiert sich.» Zudem sei ein rückläufiger Trend zu erkennen. Auch andere Experten berichten, einige Regionen Portugals hätten den Höhepunkt der dritten Welle erreicht – in den kommenden Tagen dürfte dies nach Expertenmeinung auch für die Region Lissabon eintreten.
Am Dienstag meldeten die Gesundheitsbehörden für den zweiten Tag in Folge landesweit weniger als 6000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden – seit Anfang Januar hatten die Zahlen immer deutlich darüber gelegen.
AFP/fal
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