Nach StromausfallNotfallsystem versagte im Wallis: Könnte das auch schweizweit passieren?
Mehrere Täler im Wallis waren jüngst von der Umwelt abgeschnitten – auch die angeblich krisenfeste Kommunikation des Bundes versagte. Jetzt fordern Politiker Antworten.

- Schwere Schneefälle im Wallis führten zu grossflächigen Stromausfällen in Zermatt und Saas-Fee.
- Das Behörden-Kommunikationssystem Polycom versagte während der Krisensituation im Saas- und im Mattertal.
- Eine Hebamme betreute eine Geburt ohne Möglichkeit zur Spitalkommunikation.
- Mitte-Fraktionschef Bregy verlangt vom Bundesrat eine vollständige Aufklärung des Systemausfalls.
Meterhohe Schneemassen fielen in der Nacht auf Gründonnerstag im Wallis – und blockierten die Verkehrswege im Saas- und im Mattertal. Bäume brachen unter der schweren Schneelast zusammen, stürzten auf Freileitungen – und kappten die Stromversorgung. In Zermatt und Saas-Fee, wo viele Touristen die Osterferien verbrachten, fiel der Strom mehrere Tage aus. Handynetze brachen zusammen. Doch damit nicht genug: Auch das Kommunikationssystem Polycom, mit dem die Behörden im Krisenfall kommunizieren, funktionierte nicht. Im Saastal dauerte die Polycom-Panne mindestens 24 Stunden, wie der dortige Feuerwehrkommandant Serge Andenmatten gegenüber dem «Walliser Boten» sagte. Er fand deutliche Worte: «Es kann doch nicht sein, dass ein derart teures Funksystem versagt, wenn wir darauf angewiesen sind.»
Auch der Gemeindepräsident von Saas-Grund, Alwin Venetz, sagte: «Man muss sich ernsthaft fragen: Wie kann so etwas passieren? Und ist Polycom überhaupt das richtige System?»
Im benachbarten Mattertal, wo ebenfalls der Strom ausfiel, kam zur selben Zeit ein Kind zur Welt, eine Hebamme betreute die werdende Mutter. Zum Glück verlief die Geburt ohne Komplikationen.
Beim zuständigen Bundesamt für Bevölkerungsschutz (Babs), das zum VBS gehört, bestätigt Sprecher Philippe Boeglin, dass neben dem Saastal auch das Mattertal mit Zermatt und St. Niklaus vom Polycom-Ausfall betroffen war.
Der Grund sei «eine Verkettung unglücklicher Umstände» gewesen: «Stromausfälle, unterbrochene Redundanzen und unzugängliche Infrastruktur durch Schnee und Wetter.» Eigentlich wäre Polycom laut dem Babs gegen Stromausfälle bis zu 72 Stunden gewappnet, «doch in diesem Fall versagten die vorgesehenen Sicherheitsmechanismen».
Nicht nur im Wallis stellt man sich nun die Frage: Weshalb investierten Bund und Kantone über eine Milliarde Franken in ein Krisen-Kommunikationssystem, das im Krisenfall nicht funktioniert?
«In einer Krise muss die Kommunikation absolut verlässlich funktionieren»
Der Ausfall wird nun zum Fall für die nationale Politik: Der Walliser Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy wird in der kommenden Session Antworten vom Bundesrat einfordern. Er will wissen, warum Polycom trotz angeblicher 72-Stunden-Notstromabsicherung nicht funktioniert hat, und fordert eine vollständige Aufklärung. «In einer Krise muss die Kommunikation absolut verlässlich funktionieren – gerade für Behörden und Rettungskräfte ist dies essenziell», betont er. Einzelne Gemeinden wie etwa Obergoms hätten eine Notstromversorgung für das System aus eigener Tasche bezahlt. Bregy sagt: «Es darf nicht sein, dass Gemeinden für die Sicherstellung der Kommunikation zahlen müssen, obwohl der Bund und die Kantone dafür zuständig wären.»
Hinzu kommt, dass ein Blackout – also ein flächendeckender Stromausfall – laut Bund zu den wahrscheinlichsten Krisenszenarien für die Schweiz gehört, mit potenziell katastrophalen Folgen. Dass in einem solchen Fall die Kommunikation ausfallen kann, ist für Blaulichtorganisationen mehr als besorgniserregend. Nationalrat Bregy sagt deshalb: «Das ist eine entscheidende Schwachstelle, die dringend behoben werden muss.»
Probleme bereits seit Jahren bekannt
Polycom ist das Herzstück der Notfallkommunikation in der Schweiz. Polizei, Feuerwehr, Sanität, Armee und weitere Organisationen verlassen sich auf dieses abhörsichere Netz. Entwickelt wurde es ab dem Jahr 2000, seit zehn Jahren deckt es die ganze Schweiz ab. Um das System bis 2035 krisen- und abhörsicher zu betreiben, werden nochmals 500 Millionen Franken investiert. Bis Ende 2024 hat der Bund bereits 169 Millionen in die Erneuerung gesteckt. Danach soll das Kommunikationssystem von einem neuen System abgelöst werden.
Die lokalen Behörden, unter ihnen die Gemeinde Saas-Grund, fordern nun, dass die Polycom-Stationen mit Notstromaggregaten ausgestattet werden. Das Babs betont, dass dies grundsätzlich bereits der Standard sei – doch der jüngste Vorfall im Wallis zeigt, dass es Lücken gibt.
Die geplante Erneuerung von Polycom steckt jedoch in der Krise. Die Eidgenössische Finanzkontrolle sprach 2022 von einer «besorgniserregenden Projektsituation». Für das Nachfolgesystem schweben dem Verteidigungsdepartement eigene Minisatelliten vor, die nicht nur zur Kommunikation, sondern auch zur Aufklärung und zur Überwachung genutzt werden können. Diese seien «signifikant kostengünstiger, effizienter und zuverlässiger» als ein System am Boden.
Fehler gefunden?Jetzt melden.