Polen und EuropaDie EU ist nicht wehrlos, aber hilflos
Brüssel beendet sein Rechtsstaatsverfahren gegen Polen. Das Land hat eindrucksvoll gezeigt, wo die Macht endet. Und auf wen es wirklich ankommt, wenn es brenzlig wird.

Von dem grossen amerikanischen Philosophen Julius Henry Marx, genannt Groucho, stammt das Diktum, er wolle keinem Verein angehören, der bereit wäre, ihn als Mitglied aufzunehmen. Die Europäische Union hat das gegenteilige Problem: Sie hat Länder aufgenommen, die sie vielleicht lieber wieder loswerden würde, die aber partout nicht gehen wollen, sondern bleiben und sich schlecht benehmen.
Die EU ist in solchen Fällen zwar nicht wehrlos. Brüssel kann einem Regelverletzer, der sich nicht bessert, Zuschüsse aus dem EU-Haushalt sperren. Dieses finanzielle Druckmittel wendet die EU derzeit bei Ungarn an, und sie hat es bis vor kurzem auch bei Polen getan.
Doch an diesen beiden Ländern lässt sich eben auch hervorragend ablesen, wo der Einfluss der EU seine Grenzen hat. Wenn eine Regierung fest entschlossen ist, Dinge zu tun, die mit europäischen Normen nicht zu vereinbaren sind, etwa die Justiz der Politik zu unterwerfen oder die freie Presse einzuschränken, dann kann «die EU» oder «Brüssel» in der Praxis dagegen wenig unternehmen.
Das Strafverfahren gegen Polen wurde von der EU-Kommission nun zwar beendet, weil Warschau die Forderungen aus Brüssel weitgehend erfüllt hat. Allerdings kam dieser Erfolg nicht dadurch zustande, dass die rechte PiS-Regierung sich dem Druck der EU gebeugt hätte, sondern indem die polnischen Wähler eine andere Regierung ins Amt gestimmt haben. Nicht Brüssel hat das Problem gelöst, die polnischen Bürgerinnen und Bürger haben das getan.
Vielleicht kann man daraus eine optimistische Lehre ziehen: So verlockend der Ruf sein mag, Länder aus der EU zu werfen, die sich nicht an die Regeln halten, so falsch ist er womöglich auch. Solange die Menschen dem Verein EU angehören wollen, übersteht die Union auch ein paar zweifelhafte Mitglieder.
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