Zürcher Datenaffäre wird aufgerolltPlötzlich stehen die Grünliberalen im Mittelpunkt
Die GLP verhilft den Bürgerlichen zu einer PUK in der Datenaffäre. Nun dürfte sie den Lead in der Untersuchung übernehmen. Mittendrin: Benno Scherrer.
Die erst dritte parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) in der Geschichte des Zürcher Kantonsrates ist Tatsache. Das Parlament hat am Montag zu seinem schärfsten Instrument gegriffen, um die Zürcher Datenaffäre aufzuarbeiten. Die PUK soll klären, wann und wie sensible Daten aus dem Zürcher Justizwesen im Sex- und Drogenmilieu landeten, wer die Verantwortung dafür trug und ob angemessen auf das Leck reagiert wurde. Festplatten gerieten reihenweise in die Hände des verurteilten Drogenhändlers Roland Gisler, der mit den Informationen versuchte, Druck auf die Justiz auszuüben.
Welche Parlamentsmitglieder in den nächsten Monaten – oder eher: Jahren – diesen Fragen nachgehen werden, bestimmt der Kantonsrat nach der Sommerpause.
Auch das gleichermassen prestigeträchtige wie arbeitsaufwendige Präsidium wird vom Kantonsrat gewählt. Gemäss Vorschlag der SVP soll der Posten an die GLP gehen. Diese sei nicht in der Regierung vertreten und könne die Untersuchung unbefangen angehen, argumentiert SVP-Fraktionspräsident Martin Hübscher.
Zusammen mit der FDP kommen die drei Fraktionen auf eine Mehrheit und könnten das Präsidium im Alleingang bestimmen. Dem Vernehmen nach gibt es auch Signale von Freisinnigen, diesen Plan mitzutragen. Fraktionspräsident André Müller sagt zwar, es sei noch nichts ausgemacht. «Ich würde es aber begrüssen, wenn das Präsidium von einer Partei aus der Mitte gestellt wird.»
Ein Favorit für den Posten des Chefuntersuchers ist gemäss Insidern Benno Scherrer. Der ehemalige Kantonsratspräsident bringt die politische Erfahrung und das nötige Standing mit, um sich in seiner Fraktion durchzusetzen. Nach seiner gescheiterten Kandidatur für den Regierungsrat bei den letzten Wahlen könnte er also ebenjenes Gremium durchleuchten.
Auf Anfrage will Scherrer sich nicht offensiv ins Spiel bringen, sondern sagt: «Wir haben selbstverständlich Leute in der Fraktion, die infrage kämen.» Seine Fraktion werde einen Namen bringen.
In der Debatte gab er ein wohltemperiertes Votum ab, das weder in die eine noch in die andere Richtung ausschlug – was man auch als Werbung in eigener Sache lesen könnte. «Gravierende Fehler können nicht rückgängig gemacht werden, aber das Vertrauen der Bevölkerung in den Umgang des Staates mit heiklen Daten kann wieder hergestellt werden», begründete Scherrer seine Unterstützung für eine PUK. Es gehe nicht darum, einzelne Regierungsratsmitglieder unter Druck zu setzen oder die Angelegenheit zu skandalisieren. «Wir haben hier einen seriösen Vorfall, den wir seriös aufarbeiten müssen.»
Linke spricht von «inquisitorischem Verfahren»
Für diese Aufarbeitung sprachen sich im Parlament 92 Mitglieder aus SVP, FDP und GLP aus. Damit erreichten sie mehr Stimmen als das linke Lager, das kombiniert mit EVP und Mitte-Partei auf 72 Nein-Stimmen kam.
Die Linken werfen den Bürgerlichen vor, das Datenleck zu Wahlkampfzwecken aufgebauscht zu haben und nun nicht zurückkrebsen zu können. Davide Loss (SP) sprach von einem «inquisitorischen Verfahren». Seiner Meinung nach hätte eine gewöhnliche Subkommission gereicht für die Aufarbeitung. Eine PUK, deren Kosten sich schätzungsweise auf rund eine Million belaufen, werde keine besseren Erkenntnisse liefern.
Hinzu komme: Die beiden bisherigen PUK im Kantonsrat widmeten sich schwerwiegenden Korruptionsfällen in der Verwaltung. Der Datensicherheitsvorfall sei damit nicht im Ansatz vergleichbar, sagte Loss.
Gleich argumentierte Thomas Forrer (Grüne). An die Bürgerlichen gewandt, sagte er: «Sie schiessen mit Kanonen auf Spatzen.» Auch er erwarte eine Aufklärung der Vorfälle. Diese würden allerdings bereits strafrechtlich untersucht. Darüber hinaus ist eine Administrativuntersuchung abgeschlossen, und eine Subkommission war im Einsatz. Darum brauche es kein viertes Untersuchungsorgan in Form eines teuren und langen PUK-Verfahrens.
EVP-Vertreter Markus Schaaf fügte an, ihm erschliesse sich selbst nach intensivem Aktenstudium nicht, was diese PUK denn untersuchen solle und was ihr finaler Nutzen sein könne. Die PUK-Befürworter würden im Trüben fischen: «Man investiert viel Geld in eine Untersuchung mit ungewissem Ausgang und hofft darauf, einen grossen Fang zu machen.» Schaaf hätte es vorgezogen, das laufende Strafverfahren abzuwarten und dann, wenn nötig, eine PUK einzusetzen.
Fehr: Regierung will kooperieren
Der Antrag für eine PUK stammt aus der Geschäftsprüfungskommission (GPK). Die von ihr eingesetzte Subkommission hat unter anderem die Oberstaatsanwaltschaft angehört. Die Strafuntersuchung zum Datenvorfall könne noch länger dauern, sagte Beat Habegger (FDP), der bis Ende Mai Präsident der GPK war und deshalb für die Kommission im Rat sprach. Darum sei man zur Erkenntnis gelangt, dass man mit der politischen Aufarbeitung nicht zuwarten könne, bis das Strafverfahren abgeschlossen sei.
Als zuständige Regierungsrätin äusserte sich am Montag auch Jacqueline Fehr (SP) im Parlament. Die Fehler in der Justizdirektion ereigneten sich vor ihrem Amtsantritt. Ihr wird aber vorgeworfen, den Datenvorfall unter dem Deckel gehalten und die GPK nur unvollständig informiert zu haben.
Fehr betonte im Rat, dass sie eine lückenlose Aufklärung begrüsse. Der Regierungsrat sei selbstverständlich kooperativ. Die Wahl des Mittels für die Untersuchung obliege dem Kantonsrat. «Hauptsache ist, es wird sorgfältig, gründlich und rasch gearbeitet. Sonst bin ich dann vielleicht nicht mehr im Amt, wenn die Resultate vorliegen», sagte die (im Februar für vier Jahre wiedergewählte) Justizdirektorin.
Daten-Compliance habe in ihrer Direktion höchste Priorität. «Ich habe die Absicht, meine Direktion zur vorbildlichsten des Kantons zu machen.»
Mit Ergebnissen der PUK ist nicht so bald zu rechnen. Je nach Schätzung könnten ein bis drei Jahre vergehen, bis der Schlussbericht vorliegt. Voraussichtlich wird die PUK 15 Mitglieder zählen (alternativ wird eine 21-köpfige Zusammensetzung diskutiert), die Sitze werden nach Fraktionsstärke verteilt. Die Fraktionen können ihre Vorschläge, wen sie in die PUK schicken möchten, demnächst bei der Interfraktionellen Konferenz einreichen.
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