Zürcher DatenleckEs kommt zur PUK: Kantonsrat will wissen, wie heikle Daten im Milieu landeten
Die rechte Ratshälfte setzt sich durch: Die Justizdirektion von Jacqueline Fehr (SP) wird von einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) durchleuchtet.
Das Zürcher Kantonsparlament hat am Montagmorgen entschieden, zur Datenaffäre in der kantonalen Verwaltung eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) einzusetzen. Damit folgte es dem Antrag der Geschäftsprüfungskommission. Der Entscheid hat Seltenheitswert. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie hat der Kantonsrat entschieden?
Der Kantonsrat hat mit 92 Ja- zu 76 Nein-Stimmen die Einführung einer PUK zum Zürcher Datenleck beschlossen. Für die PUK ausgesprochen hat sich die rechte Ratshälfte aus FDP und SVP, mit Unterstützung der GLP. Die linken Fraktionen von SP, Grüne und AL waren gegen die Einsetzung einer PUK, ebenso Die Mitte und die EVP.
Worum geht es in der Datenaffäre?
Jahrelang hat die Direktion der Justiz und des Innern (JI) Computer und Datenträger nicht fachgerecht entsorgt. Heikle Daten landeten dadurch im Zürcher Drogen- und Sex-Milieu, darunter mutmasslich Strafakten, psychiatrische Gutachten und Baupläne des neuen Polizei- und Justizzentrums. Sowie gesperrte Telefonnummern und private Wohnadressen von Richtern und Staatsanwälten.
Grund dafür ist die Zusammenarbeit der Justizdirektion mit einer privaten Firma von 2000 bis 2014. A. (Name der Redaktion bekannt) war damit betraut worden, die Computer, Drucker und Server der Justiz zu entsorgen. Anstatt diesem Auftrag nachzukommen, bewahrte er die Festplatten auf und übergab sie seinem Bruder, der stadtbekannten Milieufigur Roland Gisler. Dieser versuchte seither, damit Druck auf die Justiz auszuüben.
Die Zürcher Behörden wissen seit zwei Jahren vom Datenleck. Öffentlich wurde es aber erst durch den SVP-Kantonsrat Valentin Landmann im Herbst 2022. Er vertritt Roland Gisler als Anwalt.
Was soll untersucht werden?
Die PUK soll klären, wann und wie es zum Leck kam, wer die Verantwortung dafür trug und ob angemessen darauf reagiert wurde. Besonders interessant ist, dass die Untersuchung auf die anderen Direktionen ausgeweitet werden soll, um die Datensicherheit in der kantonalen Verwaltung grundsätzlich zu beleuchten. So fordert es der Antrag der Geschäftsprüfungskommission (GPK).
Was macht eine PUK eigentlich?
Der Kantonsrat hat die Oberaufsicht über die Regierung und die kantonale Verwaltung. Bei Vorkommnissen von grosser Tragweite kann er eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) einsetzen. Sie ist das schärfste Mittel, das der Kantonsrat ergreifen kann. Eine PUK kann alle involvierten Personen zur Befragung vorladen, Sachverständige beiziehen und die Herausgabe von Akten verlangen. Nach Abschluss der Untersuchung erstellt die PUK einen schriftlichen Bericht.
Warum ist das so speziell?
In der Geschichte des Zürcher Kantonsrats wurden bisher erst zwei parlamentarische Untersuchungskommissionen eingesetzt. Zum ersten Mal geschah dies 1995 in der Affäre um den Zürcher Chefbeamten Raphael Huber, der sich für Gastrobewilligungen von Wirten hatte schmieren lassen.
2010 wurde die PUK zum Korruptionsfall in der BVK eingesetzt, der Pensionskasse der kantonalen Angestellten. Der damalige Anlagechef der BVK hatte sich von Investmentfirmen bestechen lassen und im Gegenzug Pensionskassengelder bei ihnen parkiert.
Abgelehnt hat der Kantonsrat dagegen 2014 eine PUK zum Fall Carlos.
Etwas häufiger griff in der Vergangenheit das Stadtzürcher Parlament zum Instrument der PUK, zuletzt geschah dies 2017 nach Bekanntwerden der ERZ-Affäre, in der es um luxuriöse Dienstautos, schwarze Kassen und eine 2,5 Millionen Franken teure Freizeitoase für die Mitarbeitenden ging.
Davor warf die Klärschlamm-PUK 1996 grosse Wellen, nachdem sich ein Chefbeamter für die Entsorgung von Klärschlamm hatte bestechen lassen. Von einer PUK beleuchtet wurden ausserdem 1985 die Kostenüberschreitungen beim Kongresshaus-Umbau, 1990 die Rolle der Politischen Polizei sowie 1991 die Kosten der EDV bei der Stadtverwaltung. In den 2000er-Jahren lehnte der Gemeinderat mehrere PUK-Anträge seitens der SVP ab.
Für wen könnte die PUK gefährlich werden?
Die bürgerlichen Parteien drängen auch deshalb auf eine PUK, weil sie die linke Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP) in Bedrängnis bringen könnte. Die Fehler in der Justizdirektion ereigneten sich zwar vor deren Amtsantritt. Fehrs Vorgänger im Amt waren Markus Notter (SP; im Amt von 1996 bis 2011) und Martin Graf (Grüne; 2011 bis 2015).
Trotzdem steht Fehr im Fokus, weil ihr Umgang mit dem Datenleck infrage gestellt wird. So liess sie zwar eine externe Untersuchung durchführen, als sie vom Leck erfahren hatte. Die Ergebnisse blieben aber unter Verschluss. Ein Sprecher Fehrs wies darauf hin, dass die Justizdirektorin mehrfach öffentlich gesagt habe, dass sie jede politische Aufarbeitung begrüsse.
Interessant ist zudem, dass die GPK nicht nur die Justizdirektion, sondern die Verwaltung im Allgemeinen unter die Lupe nehmen will. In der PUK wäre also grundsätzlich kein Regierungsratsmitglied vor Enthüllungen gefeit, sollte es zu Fehlern gekommen sein.
Jacqueline Fehr selbst sagte vor den Medien, ihre Direktion sei bei der Informationssicherheit weiter als andere Direktionen. Diesen Eindruck habe der kantonale Informationssicherheitsbeauftragte.
Dass eine PUK zum Rücktritt eines Regierungsmitglieds führt, ist im Kanton Zürich noch nie passiert. Infolge der Klärschlamm-Affäre wurde der Zürcher Stadtrat Hans Wehrli abgewählt.
Wie setzt sich eine PUK zusammen?
Die Mitglieder einer PUK sowie deren Präsidium müssen vom Kantonsrat gewählt werden. Das wird allerdings noch nicht diesen Montag geschehen. Im Fall des Datenlecks soll die PUK einerseits möglichst klein gehalten werden. Anderseits sollen alle Fraktionen vertreten sein. Darauf haben sich die GPK und die Geschäftsleitung des Kantonsrats bereits geeinigt.
Welchen Umfang hat ein PUK-Mandat?
Beim Korruptionsfall Raphael Huber vergingen gut zwei Jahre bis zum PUK-Schlussbericht im Sommer 1997. Die elfköpfige Kommission rügte damals den zuständigen Regierungsrat Jakob Stucki (BGB/SVP), weil dieser Huber zu lange Zügel gelassen hatte. Zudem hätten der Gesamtregierungsrat und Finanzdirektor Eric Honegger (FDP) die Tragweite der Angelegenheit unterschätzt.
Auch bei der BVK-PUK vergingen zwei Jahre von der Einsetzung bis zum Schlussbericht im Herbst 2012. Namentlich in der Kritik standen die damalige Finanzdirektorin Ursula Gut (FDP) und die früheren Finanzdirektoren Eric Honegger (FDP), Christian Huber (SVP) und Hans Hollenstein (CVP).
Fehler gefunden?Jetzt melden.