Klimagipfel in ÄgyptenPlanet kann sich laut Selenski «keinen einzigen Schuss leisten»
Der ukrainische Präsident kritisiert Klimaleugner. Österreich zahlt 50 Millionen Euro für Klimaschäden. Und der UNO-Chef prangert Ölkonzerne an.

Nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski kann sich die gegen den Klimawandel kämpfende Welt «keinen einzigen Schuss leisten». In einer Videobotschaft zur 27. Weltklimakonferenz (COP27) im ägyptischen Sharm al-Sheikh warf der Staatschef am Dienstag Russland vor, mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine die Welt von notwendigem «gemeinsamen Handeln» gegen den Klimawandel abzulenken.
Es gebe noch Menschen, für die die Erderwärmung fälschlicherweise nur «Rhetorik, Marketing» sei, sagte Selenski. «Es sind diejenigen, die die Umsetzung der Klimaziele verhindern», setzte der ukrainische Präsident hinzu. «Es sind diejenigen, die Angriffskriege starten, während sich der Planet keinen einzigen Schuss leisten kann, weil er gemeinsames Handeln braucht.»
Der Präsident fügte hinzu, dass es keine wirksame Klimapolitik ohne Frieden auf der Erde geben könne, «weil die Staaten nur daran denken, sich selbst hier und jetzt vor den Bedrohungen zu schützen, die insbesondere durch die russische Aggression erzeugt werden». Er verwies insbesondere auf die mit dem Krieg verbundene Nahrungsmittel- und Energiekrise.
«Wir müssen diejenigen stoppen, die durch ihren illegalen Krieg die Fähigkeit der Welt zerstören, vereint für ein gemeinsames Ziel zu arbeiten», sagte Selenski weiter. Er forderte angesichts der Zerstörung ukrainischer Wälder seit dem Einmarsch Russland eine weltweite Plattform, die «Auswirkungen militärischer Aktionen auf das Klima und die Umwelt» evaluieren solle. Darum soll es auch am Mittwoch bei einer Veranstaltung der Ukraine auf der Klimakonferenz gehen.
Österreich zahlt 50 Millionen Euro für Klimaschäden
Österreich stellt in den nächsten vier Jahren vor allem besonders bedürftigen Ländern 50 Millionen Euro für schon erlittene Verluste und Schäden durch die Klimakrise zur Verfügung. «Wir stehen vor einer globalen Herausforderung, die wir nur gemeinsam bewältigen können», sagte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Dienstag zur Begründung.

Eine der zentralen Fragen auf dem Weltklimagipfel in Ägypten ist, ob und wie reiche Länder Entschädigungen an die Staaten zahlen sollen, die von den Auswirkungen des Klimawandels besonders stark betroffen sind.
Das österreichische Umweltministerium will diese mitunter sehr langwierigen Prozesse nicht abwarten und das Geld vor allem in bereits bestehende Strukturen fliessen lassen. «Österreich übernimmt Verantwortung und wird zum Vorreiter in der internationalen Klimafinanzierung», sagte Gewessler.
Auch Deutschlands Regierung hatte am Montag einen Schutzschirm zur Abfederung von Klimarisiken angekündigt, der in der zweiten Woche der Klimakonferenz offiziell gegründet werden soll. Das Büro dafür soll in Frankfurt am Main entstehen, Deutschland stellt 170 Millionen Euro als Anschubfinanzierung zur Verfügung. Welche Länder sich sonst noch mit wie viel Geld beteiligen, ist unklar. Die Mittel sollen besonders stark von Katastrophen wie Wirbelstürmen, Dürren oder Fluten betroffenen Ländern zur Verfügung gestellt werden.
«Reinster Betrug»: UNO-Chef prangert Ölkonzerne an
UNO-Generalsekretär António Guterres hat Konzerne der Öl- und Kohleindustrie kritisiert, dass manche von ihnen ihre eigentlich verheerenden Klimabilanzen bewusst schönfärben. Unlautere Selbstverpflichtungen zum Netto-Null-Ausstoss an Treibhausgasen, die aber Kernprodukte nicht erfassen, «vergiften unseren Planeten», sagte er am Dienstag laut Redetext auf der Weltklimakonferenz in Ägypten. Firmen müssten sich alle klimaschädlichen Emissionen vollständig anrechnen, also direkte, indirekte und auch jene aus ihren Lieferketten.

Falsche Versprechen zur Klimaneutralität seien verabscheuungswürdig. «Das ist reinster Betrug», wetterte Guterres. Solche Schummeleien könnten die Welt über die «Klima-Klippe stossen». «Netto-Null-Emissionen» bedeutet, nur noch so viele Kohlendioxid-Emissionen zu verursachen, wie kompensiert werden können – also etwa durch die unterirdische Speicherung von CO2 oder Aufforstungen.
Vor einem Jahr auf der UNO-Klimakonferenz hatte Guterres einen Expertenrat damit beauftragt, Standards und Richtlinien für Klimaschutzversprechen zu erarbeiten, um «Greenwashing» von Staaten und Unternehmen einzudämmen. Mit Greenwashing sind Strategien gemeint, mit denen sich Unternehmen oder Staaten wahrheitswidrig als besonders umweltfreundlich darstellen.
Die 17 Fachleute legten in Ägypten nun Empfehlungen vor. Unter anderem schlagen sie vor, dass speziell grosse Unternehmen jährlich detailliert über ihre Fortschritte beim Klimaschutz berichten.
Die Vorsitzende des Gremiums, die frühere kanadische Umweltministerin Catherine McKenna, sagte, Klimaschutzversprechen der Industrie, des Finanzsektors und auch von Städten und Regionen müssten «ehrgeizig, transparent und glaubwürdig» sein. Dafür gebe es nun klare Standards und Kriterien. «Unser Planet kann sich keine weiteren Verzögerungen, keine neuen Ausreden und nicht noch mehr Greenwashing leisten», sagte sie.
Guterres sagte, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft sowie von Städten und Regionen sollten Zwischenziele auf ihrem Weg zur Klimaneutralität enthalten, und zwar alle fünf Jahre und für alle ihre Emissionen. Seine Botschaft laute: «Haltet euch an diesen Standard und aktualisiert sofort eure Richtlinien – und das möglichst zur COP28.» Die nächste UNO-Klimakonferenz, die COP28, findet Ende nächsten Jahres in den Vereinigten Arabischen Emiraten statt.
AFP/SDA/oli
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